Strategie & Management

Unternehmensentwicklung

Der Unternehmer im dauernden Wandel

«Eine neue Art von Denken ist notwendig, wenn die Menschheit weiterleben möchte.» Was dieses Zitat von Albert Einstein für eine Unternehmensentwicklung bedeutet und welche Konsequenzen daraus wachsen können, zeigt dieser Beitrag.
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Es ist keineswegs riskant, ein Ziel zu hoch zu setzen und es nicht zu erreichen. Viel riskanter ist es, ein Ziel zu tief anzusetzen und es zu erreichen. Ohne den Mut der Visionäre wären viele Dinge auf der Welt nicht verändert worden. «Think different»: Mit seiner Vision hat Steve Jobs die Computerwelt zum Erodieren gebracht, unseren Alltag verändert und Apple zeitweise zum wertvollsten Unternehmen der Welt gemacht.

Visionär denken und handeln

Um etwas zu bewegen, muss man kein herausragender Visionär sein. Als Unternehmer ist man per Definition ein Visionär, denn

  • der Unternehmer denkt in der Zukunft,
  • der Unternehmer trifft heute Entscheidungen, deren Resultate in der Zukunft wirken.

Was zeichnet die grossen Visionäre aus und was kann man für sich persönlich und sein Unternehmen ableiten:

Visionäre denken gross

Sie haben Mut, in grossen Dimensionen zu denken und sich sehr hohe Ziele zu setzen. Grosse Ziele setzen viel in Bewegung und erwarten im Unternehmenskern aktiv Veränderungen. Für grosse Ziele braucht man Abstand. Dazu treten sie einen Schritt aus dem Alltag zurück und nehmen sich Freiräume, um das gesamte Bild der Märkte und ihrer Unternehmung zu erfassen.

Visionäre denken offen

Sie lenken ihre Aufmerksamkeit nach aus­sen und beobachten ihre Kunden, ihre Umwelt, ihre Mitarbeitenden. Sie schärfen durch Beobachtung ihre Wahrnehmung. Viele Trends und Entwicklungen, welche den Erfolg der Unternehmung in Zukunft beeinflussen, sind meistens lange vorher ersichtlich. Visionäre hinterfragen Dinge, welche für andere selbstverständlich sind und gehen den Dingen mit der Frage «Warum» auf den Grund.

Visionäre denken flexibel

Grosse Ziele sind selten auf direktem Weg zu erreichen. Visionäre stellen neue Zusammenhänge zwischen Themen her, die auf den ersten Blick miteinander nichts zu tun haben. Sie holen sich die Inspiration bei Menschen mit anderen Sicht- und Denkweisen und vernetzen sich mit unterschiedlichsten Menschen und Kreisen. Dazu tanken sie regelmässig neue Ideen und tauschen sich häufig mit anderen Unternehmern darüber aus. Visionäres Denken ist ausschliesslich eine Sache der Einstellung: «Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorauszusagen, sondern darauf, auf sie vorbereitet zu sein. » (Zitat Perikles)

Innovation & Schnelligkeit

Das Resultat einer Umfrage der Boston Consulting Group aus dem Jahr 2014 zeichnet ein nüchternes Bild: Nur grosse Konzerne sind in der Lage, bestehende Märkte grundlegend mit disruptiven Innovationen zu verändern. Und trotzdem sind Start-up-Unternehmen wie beispielsweise Google, Facebook, Amazon in den letzten zehn Jahren durch ihre Visionen und Innovationskraft zu weltweit bedeutenden Konzernen angewachsen. Sie beeinflussen unseren Alltag wesentlich oder haben ihn sogar grundlegend verändert.

Innovationen sind mehr als nur neue Produkte. Dieses Verständnis zeichnet diese innovativen Unternehmen aus. Sie greifen mit ihrem Angebot auf mehreren Fronten an, um auch wirklich innovativ zu sein. Sie verstehen den Begriff weiter gefasst: etwa um Dienstleistungen, Kundenschnittstellen oder Geschäftsmodelle.

Ein zweiter Punkt, was den Erfolg erklärt: Diese Aufsteiger haben eine Start-up-Kultur im eigenen Unternehmen: Sie sind schnell unterwegs, gestalten ihre Geschäftsmodelle flexibel, etwa was Durchlaufzeiten angeht, Sortimentsanpassung oder Preisgestaltung.

Ein weiterer Vorteil: Die Unternehmen sind relativ jung, sie sind ohne grosses Erbe. Sie können am Markt aus reiner Angreifer-Perspektive heraus auftreten, ohne sich gross Sorgen zu machen, was in den letzten Jahrzehnten aufgebaut wurde. Auch investieren diese Unternehmen weniger Energie in sogenannte «politics». Ihre Kultur bestärkt das Tun jedes Einzelnen, sich für den grössten Kundennutzen einzusetzen.

Es sind keinesfalls aber nur die exotischen Start-ups, die Apples und Googles dieser Welt, die neue Wege gehen. Es sind börsennotierte Energiekonzerne oder beispielsweise auch Ingenieurbüros. Unternehmen, die neue Wege gehen, sind erfolgreich, weil sie die bisherigen Strukturen und Grundwerte hinterfragen. Sie alle wollen beweglicher, innovativer, menschlicher, authentischer sein und sind es auch.

Profit & Flexibilität

Diese Unternehmen haben erkannt, dass Profit und Effizienz nicht mehr alleine als Antrieb für wirtschaftlichen Erfolg genügt. Jahrzehntelang wurden Unter­nehmen nach sterilen Zielvorgaben, auf Effizienz oder Disziplin gedrillt. Heute müssen Unternehmen mit derselben Intensität anpassungsfähig gemacht werden. Es braucht dazu nicht alleine fleissige und gehorsame Mitarbeitende, sondern vor allem auch kreative und leidenschaftliche Menschen.

Dazu braucht es vermehrt wieder Ideale und Werte in den Unternehmen, die den Menschen darin am meisten Bedeutung zuordnen. Beispiele dazu gibt es: Apple hat sich der Schönheit und Google der Klugheit verpflichtet. Das heisst in der Folge nicht, dass Profit und Effizienz nicht weiter entscheidende Pfeiler sind, sie werden nur mit den richtigen Werten gefüllt.

Strategiediskussionen können nicht von oben herab geführt werden oder Innovationen in einer dreiköpfigen Innovationsabteilung stattfinden. Nur wenn die Mitarbeitenden eingebunden sind, wird mit der gesamten Organisation die erforderliche Weitsicht bewahrt. Dazu muss man sich auch mit den Randgebieten im eigenen Umfeld befassen. Die Zukunft wird nicht aus dem Mainstream geboren – mehr vom Gleichen ergibt wieder das Gleiche. Trends werden so rechtzeitig erfasst und es kann für alle erdenklichen Szenarien vorausgeplant werden. Dabei sollte man sich als Unternehmer häufig die Kernfrage stellen «Was wäre wenn?».

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Hineindenken und Fühlen in den Kunden: Wie können wir die Probleme unserer Kunden lösen? Was führt zu einer Erhöhung des Kundennutzens? Mit welchen Details verärgern wir täglich unsere Kunden? Grundlage dafür sind die Innovationsfähigkeit der Mitarbeitenden und das Führen der Organisation nach den Prinzipien des Beobachtens, Experimentierens und Erprobens. Beides ist ein dauernder Auftrag an die Unternehmensführung.

Diversität und Innovation bedeutet aber nicht nur eine Vielfalt von Personen und Meinungen, sondern auch von strategischen Optionen. Google zum Beispiel testet jährlich 5000 Änderungen an seiner Suchmaschinensoftware und setzt davon 500 um. Sie können agieren, weil sie flink sind und sich nach innen klein anfühlen. Grosse Einheiten reduzieren das Verantwortungsgefühl der Mitarbeitenden und die geistige Vielfalt. Die Motivation der Mitarbeitenden zur Eigeninitiative und Kreativität und die Möglichkeiten, in einem definierten Umfang zu experimentieren, sind Schlüsselpunkte.

Organisation & Kreativität

Manager auf der ganzen Welt haben in den letzten zehn Jahren damit zugebracht, die letzte Ineffizienz in den Betriebsabläufen zu eliminieren. Die Maschine läuft wie am Schnürchen – die Prozesse sind optimiert. Je organisierter und strenger verwaltet Unternehmen sind, desto weniger flexibel und anpassungsfähiger sind sie. In einer Zeit, wo selbst Wissen weltweit verfügbar und fast zum banalen Gut geworden ist, braucht es die Eigeninitiative, Kreativität und Hingabe der Mitarbeitenden, um sich von anderen abheben zu können und die langfristige Existenz des Unternehmens zu sichern. Das Bild des Steuermanns als Leitbild für Führungskräfte ist dem Bild des Sinnstifters und Mentors gewichen.

Regeln aufzustellen und deren Einhaltung zu kontrollieren schafft gewisse Arbeitsplatzsicherheit, darin wird aber jeglicher Freiraum erstickt. Mitarbeitende müssen zu freien und innovativen Vorschlägen ermutigt werden, ohne in ein Korsett von Regeln gezwängt zu sein.

Bei W. L. Gore & Associates – bekannt für seine Goretex-Stoffe – gibt es beispielsweise keine Titel und keine Hierarchien. Führungskräfte kristallisieren sich aus den einzelnen Projekten heraus und sind in dieser Rolle, weil ihnen die Kollegen folgen. Alle Mitarbeitenden sind bei aller Freiheit auch ergebnisverantwortlich. Auch wenn es wie der Versuch eines naiven Start-ups tönt: Gore hat seit der Gründung in den 1950ern noch niemals rote Zahlen geschrieben, bietet heute weltweit 1000 Produkte an und beschäftigt 9000 Mitarbeitende.

Um die Energie der Mitarbeitenden freizusetzen, braucht es heute authentische und sinnvolle Ziele innerhalb einer Organisation, die sich an den Menschen darin orientiert. Vertrauen und Beurteilung auf Augenhöhe muss dem Kontrollwahn weichen. Führungskräfte von heute müssen mobilisieren und die Kreativität und das nötige Engagement der Mitarbeitenden als Sinnstifter und Mentor freisetzen.

Neue Art von Denken

Die Frage stellt sich, wie aus der Vision auch ein etabliertes Unternehmen disruptive Innovationen entwickeln kann und damit etwas Neues schafft und gleichzeitig so schnell und flexibel agiert wie ein Start-up. Wir sind der Meinung, dass Unternehmer dazu von ihren Teams nicht Kreativität fordern, sondern gezielt fördern sollten.

Raum schaffen

Mitarbeitende müssen frei denken und Ideen entwickeln können. Sie brauchen dazu regelmässig Abstand zum Tagesgeschäft und eine inspirierende Umgebung. Heterogen zusammengesetzte Teams sind dazu wesentlich kreativer wie homogene. Idealerweise werden Teams aus den unterschiedlichsten Aufgabenbereichen und Hierarchiestufen zusammengesetzt: aus Jung und Alt, aus Frauen und Männern, aus unternehmensinternen und -externen Teilnehmenden. Jeder Person in der Gruppe sollte vor Arbeitsbeginn eine bestimmte Rolle zugeordnet werden: Initiator, funktionale Leitung, Moderator, Assistenz, Inspirator sowie eine Schlüsselaufgabe innerhalb des Teams.

Sparringspartner ausserhalb der eigenen Unternehmung haben oft einen frischen, unverbrauchten Blick auf die Dinge und die Themen. Sie können ohne Scheuklappen ihre Kreativität zur Verfügung stellen. Auch sind sie nicht politischen Zwängen ausgesetzt und können freier denken und argumentieren.

Orientierung mit der Vision geben

Mit einer klaren Vision wird der normative Rahmen abgesteckt. Mit dieser Orientierung kann das Team effektiver über Zukunftsthemen wie zum Beispiel Produktinnovationen, Geschäftsmodelle, Wachstumsfelder oder Marketingstrategien nachdenken. Klar verständliche Teilziele geben der Ideenfindung eine Richtung und erzielen Effizienz in der Umsetzung. Dabei ist immer im Auge zu behalten, wie viel Neues dem Unternehmen und den Mitarbeitenden zugemutet werden kann.

Vom Kunden ausgehen

Ausgangspunkt bei der Ideengewinnung mittels Kreativitätstechniken ist konsequent die Sichtweise des Kunden bzw. der Kundengruppe: die Orientierung am Frust, an der Lust und am Bedarf. Je besser der Kunde sich verstanden fühlt, desto mehr wird er anschliessend bereit sein, für neue Leistungen zu bezahlen.

Als Nächstes werden aus den Ideen Hypothesen formuliert, welche zusammen mit den Kunden verifiziert oder dementiert werden. Als praxiserprobtes Vor­gehen haben sich Fokusgruppen-Diskussionen mit einer heterogen zusammengesetzten Kleingruppe von Kunden bewährt. Darin werden die Ideen vorgestellt, weiterentwickelt und in der Diskussion mit den Kunden an ganz neuen Ideen gearbeitet.

Und ganz wichtig: Neue Ideen werden greifbarer, anschaulicher und überzeugen besser, wenn die Erkenntnisse anschlies­send visualisiert oder mit einer Kurzgeschichte erzählt werden (Storytelling).

Viele Ideen produzieren

Je mehr Ideen ein Team entwickelt, desto grösser wird die Wahrscheinlichkeit sein, aussergewöhnliche oder sogar innovative Ansätze zu finden. Dabei ist es wichtig, dass die Akteure in der Lage sind, offen und positiv zu denken und auf den Gedanken und Ideen anderer Menschen aufzubauen.

Ideen hartnäckig in kleinen Schritten umsetzen

In den meisten Fällen fehlt in Innovationsprojekten das (Markt-)Wissen, um diese zuerst zu planen und anschlies­send umzusetzen. Die in der Praxis bewährte Methode Lean Start-up hilft, dass durch die Unplanbarkeit kein Chaos entsteht und keine Ressourcen unnötig verbraucht werden. Innovative Geschäftsideen werden in einer attraktiven Ziel-Vision zusammengefasst und vom Start weg alle relevanten Hypothesen am Kunden getestet. Die daraus gewonnenen wichtigen Erkenntnisse und Fakten sind jeweils die Grundlage, um die Innovationsidee weiterzuentwickeln.

Der entscheidende Vorteil besteht darin, dass man sich automatisch mit der Kernfrage befasst, wie ein Kundenproblem erfolgreich mit einer attraktiven Lösung kombiniert wird.

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