Da war er endlich: der Topmitarbeiter. Fast schon zu perfekt passten seine technischen Qualifikationen und Skills auf das definierte Stellenprofil. Lange hatte das Unternehmen um ihn geworben, ihm ein interessantes Compensation Package geschnürt, das er über Wochen hin verhandelte und prüfte, um schliesslich für den Job zuzusagen. Unnötig zu erwähnen, dass diesem Entscheid zuvor mehrere Gespräche vorausgegangen waren – mit der HR-Abteilung, mit der Geschäftsleitung, mit dem Verwaltungsrat. Der erste Arbeitstag kam. Die erste Woche verging und damit das gute Gefühl. Im zweiten Monat schliesslich folgte die Kündigung des Topmitarbeiters. Was war passiert?
Drei Viertel der Schweizer Unternehmen haben bereits einmal eine Fehleinstellung getätigt. Die Kosten bei einem solchem Flop können je nach Funktion schnell zwischen 30000 CHF und 500000 CHF betragen. Denn wenn beispielsweise die Besetzung des Verkaufsleiters nicht erfolgreich war und die Umsätze im Zielgebiet innerhalb von einem bis zwei Jahren drastisch einbrechen, wurden Unternehmensziele nicht erreicht und Opportunitäten vergeben. Nebst den monetären Kosten sind negative Auswirkungen von Fehlentscheidungen weitergehend spürbar: So werden etwa entstandene Unruhe und negative Auswirkungen auf die Arbeitsmoral im Team bis hin zu Produktivitätseinbussen und Kundenverlusten beklagt. Die Gründe für Fehlbesetzungen sind vielseitig und reichen von unstrukturierten Bewerbungsgesprächen über eine negative Candidate Experience bis hin zum mangelhaften Onboarding-Prozess. Sehr oft jedoch ist ein fehlender Kulturfit Ursache für den Bad Hire.
Schwer fassbares Konstrukt
Die Unternehmenskultur ist ein eher schwer fassbares Konstrukt, das häufig intuitiv aufgenommen wird. Es ist ein komplexes System von Werten, Normen und Einstellungen von Menschen, welche die Entscheidungen, Handlungen und das Verhalten der Mitglieder der Organisation prägen. Dazu zählen etwa die Einstellung zur Leistung und Arbeitsmoral, Status in der Organisation, Offenheit für Kritik, Fairness und Raum für Individualität. Diese Tiefenstrukturen beeinflussen massgeblich, wie das Unternehmen funktioniert, welche Teamstrukturen sich ausbilden und die Art und Weise, wie Mitarbeiter miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten.
Der Organisationspsychologe Edgar H. Schein, der als Wegbereiter der Forschung im Bereich der Organisationskultur gilt, definiert Unternehmenskultur als «die Summe aller gemeinsamen selbstverständlichen Annahmen, die eine Gruppe in ihrer Geschichte gelernt hat. Sie ist der Niederschlag des Erfolgs».
Beobachten
Gemäss Schein ist eine Unternehmenskultur nicht messbar, sie lässt sich nur beobachten. Unternehmenskultur zeigt sich an Symbolen (beispielsweise Bilder, Objekte, Wörter, Gesten) und Ritualen (gemeinsame Aktivitäten der Organisationsmitglieder). Die Aufdeckung von Werten ist ein intuitiver Prozess. Kultur lässt sich bereits in der Aussenkommunikation wahrnehmen; Werden alle Mitarbeiter des Unternehmens auf der Website aufgeführt oder nur einzelne und diese hierarchisch abgebildet? Erhalte ich von Firmen, welche auf Nachhaltigkeit und Ökologie setzen, ein Plastik-Give-away im Karton zugesandt?
In der Innensicht: Holt sich der Chef den Kaffee selber und wird dieser aus Pappbechern getrunken oder kommt das feine Porzellan zum Einsatz und die Assistentin serviert? Ist die Sprache unter den Mitarbeitern authentisch mit eher hemdsärmeligen «Sprachfetzen» oder werden sogar beim Pausenkaffee Contenance und strenge Diplomatie gewahrt? Tragen die Mitarbeiter Uniformen oder dürfen sie sich individuell kleiden und ihre Persönlichkeit unterstreichen? Werden Mitarbeiter in leistungsorientierten Unternehmen konditioniert und bei Erreichen eines bestimmten Tagesumsatzziels bewusst – beispielsweise über den Einsatz einer Hupe – motiviert und gefeiert? Gilt im Unternehmen eine Clean Desk Policy oder darf der Pirelli-Kalender aufgehängt werden?
Weiterführend haben unterschiedlichste Herausforderungen direkten oder indirekten Einfluss auf die Kulturprägung wie beispielsweise regionale kulturelle Unterschiede durch verschiedene Standorte, Generationenkonflikte, ein sich verändernder Markt oder langjährige Firmenzugehörigkeit.