Es gibt Situationen, da weiss ein Vortragender, dass er sein Auditorium mit einem Satz erreicht hat. Als ich zum ersten Mal im Rahmen eines Vortrages auf der Tagung eines Branchenverbandes den Satz «Der Luxus von heute ist der Standard von morgen» sagte und dies ausführte, sah ich plötzlich Dutzende Menschen mitschreiben, darunter auch einige, die sich bislang im Konsummodus befunden hatten.
Der Vortrag fand vor Unternehmenslenkern aus einer luxusorientierten Branche statt, und für die Zuhörer war und ist es von eminenter Wichtigkeit, stets Luxus anbieten zu können. Die Fragezeichen waren den Teilnehmern förmlich ins Gesicht geschrieben.
Wir müssen bei der Gestaltung profitablen Wachstums stets zur Kenntnis nehmen, dass die Entwicklung nicht stehen bleibt. Man denke einmal darüber nach, wie sich über die Jahre unser Lebensstandard verändert, verbessert, ja drama-tisch entwickelt hat: Farbfernseher? Vor 40 Jahren Luxus, heute sind wir beliebig viele Technikgenerationen weiter. Ein Auto in der Familie? Früher Luxus, hart erarbeitet, heute sehen wir in Familien auch drei oder vier Autos, dem Leasing sei Dank. In den Urlaub fahren?
Ja, einmal, drei Wochen am Stück in den Sommerferien – früher. Heute: Zwei bis drei Wochen Sommerurlaub, eine Woche oder zehn Tage über Ostern oder Pfingsten, gerne auch ein verlängerter Sommer in den Herbstferien – per Flugzeug, versteht sich, alternativ auch eine Kreuzfahrt dazwischen, es ist erschwinglich geworden. Früher war das alles unerhörter Luxus, heute ist es gängiger Standard.
Zeitliche Dimensionen des Wachstums
Wir gewöhnen uns sehr schnell an Annehmlichkeiten und je mehr Demokratisierung von (früherem) Luxus stattfindet, desto höher steigt unser Lebensstandard. Dies deckt sich unmittelbar mit den Bedürfnissen unserer Kunden, besser: Mit deren Erwartungen, denn ein Kunde ist zum Beispiel nicht mehr gewillt, drei oder vier Tage auf seine online bestellte Ware zu warten, wurde er doch durch «Amazon» und andere das Online-Business vorbildlich spielende Unternehmen auf einen Tag maximale Wartezeit konditioniert.
Früher warteten wir eben zwei oder mehr Wochen auf die im Katalog bestellte Ware – heute ist das völlig undenkbar. Ein Autohersteller braucht ein Durchschnittsauto ohne Zentralverriegelung, elektrische Fensterheber, Klimaanlage ABS, ESP und andere gar nicht mehr anzubieten, zum Vergleich möge der geneigte Leser in die Ausstattungslisten früherer Automobile schauen – wer erinnert sich noch daran, dass der rechte Aussenspiegel früher meist aufpreispflichtig war?
Nein, ich habe nicht die Absicht, im Gestern zu stöbern. Ich möchte neben den inhaltlichen auch die zeitlichen Dimensionen des Wachstums verdeutlichen. Unternehmerisches Wachstum muss sich im übertragenen Sinne als Film verstehen, nicht als Schnappschuss. Schaut man sich aber manche Unternehmen an, die sich (berechtigt) rühmen, früher einmal sehr erfolgreich gewesen zu sein (nicht selten, um zu kaschieren, dass sie es heute eben nicht mehr sind), hat man das Gefühl, sie hätten damals, in den guten Zeiten, einen Schnappschuss gemacht und seitdem nichts mehr verändert, statt einen Film zu drehen, in dem permanent Bewegung stattfindet, in dem sich Situationen verändern, innerhalb dessen man Entwicklungen erkennen kann.
Unternehmen, die Wachstum eher als Projekt anstatt als Prozess verstehen, versuchen immer wieder, oft unter dem Druck der wirtschaftlichen Situation, innerhalb eines Kraftaktes auf das neue Leistungsniveau, das der Markt aktuell fordert, zu gelangen. Sie versuchen immer, auf eine neue Treppenstufe des Wachstums zu kommen, und nicht selten ist diese Stufe zu hoch für sie geworden. Dann aber erfolgt das wehleidige «Hätten wir doch ...», was nichts bringt, da die Vergangenheit nicht wiederbringbar ist.
Unternehmen, die Wachstum als Film, als Prozess verstehen, wissen, dass sich das Anspruchsniveau der Kunden quasi täglich weiterentwickelt, zunächst unmerklich, aber es ist zwingend erforderlich, sich stets täglich darüber im Klaren zu sein, dass die Kundenerwartungen sich entwickeln, und zwar immer nur in eine Richtung: Nach oben. Beispiele?