Strategie & Management

Kolumne: Unternehmenswachstum

Das persönliche Wachstum des Unternehmers

Auch und gerade für Unternehmerinnen und Unternehmer gilt: Motivation von aussen ist nicht möglich, die Motivation zum Handeln muss von innen heraus kommen.
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Was man gerne tut, macht man auch gut. Vor allem wird man immer besser darin, weil der Antrieb von innen heraus kommt, wenn man etwas tut, das man liebt. Diese innere Motivation, der von innen entstehende Handlungsdrang und die damit verbundene positive Wachstumsenergie können aber nur dann aufrechterhalten werden, wenn die Unternehmer sich nicht einfach (vermeintlichen) Verpflichtungen hingeben, sondern weiter das tun, was sie lieben.

Schritte zur erhöhten Wachstumswirkung

Natürlich ist es nicht leicht, dies im unternehmerischen Alltag durchzuhalten, denn viele, wenn nicht sogar alle Fäden laufen beim Unternehmer zusammen. Mitarbeiter kündigen, sind erkrankt, eine Maschine fällt aus, ein Streik steht bevor, die Finanzbehörden ordnen eine Betriebsprüfung an, ein Kunde springt ab, ein Lieferant fällt aus, der Vertrieb leistet nicht das Versprochene, verlangt aber höhere Provisionen, für erforder­liche Investitionen fehlen Zeit und Geld – die Liste der möglichen Unannehmlichkeiten lässt sich beliebig weiterführen. «Und nun kommt der Wachstums-Kolumnist aus dem KMU-Magazin und sagt uns, dass wir das tun sollen, was wir lieben? Bei all den Dingen, die wir tun müssen?» – Jawohl. Genannter Kolumnist ist nämlich selbst Unternehmer und weiss, wovon er spricht. Dabei sind die erforderlichen Schritte – weg vom «ich muss», hin zum «ich will» – nicht immer einfach, aber schauen wir sie uns einmal an: Was ist erforderlich, um sich lästiger Verpflichtungen zu entledigen, den Fokus stärker auf die Präferenzen und die Neigungen zu legen und damit die Wachstumswirkung der Person des Unternehmers und damit des gesamten Unternehmens deutlich zu erhöhen?

1. Erkenntnis

Sollte der geneigte Leser eine sachliche Analyse seiner verwendeten Zeit in Bezug auf seine unternehmerischen Tätigkeiten durchführen und seiner subjektiven Einschätzung zufolge zu der Erkenntnis gelangen, dass die Menge der Tätigkeiten, die er nicht liebt, die Menge der Tätigkeiten, die er zu tun liebt, übersteigt – er muss es ja niemandem sagen – ist dies der erste Schritt. Ein Indikator dafür ist im Übrigen die Verwendung des Satzbeginns «Ich muss ...» gern auch gefolgt von «... noch schnell». Dinge, die wir (vermeintlich) tun müssen, sind per se Verpflichtungen. Verpflichtungen aber haben selten die Eigenschaft, einen Sog für uns auszuüben. Wir kommen ihnen nach, weil wir meinen, es werde von uns erwartet oder weil es tatsächlich sogar von uns erwartet wird. Auch «Aufreger» im täglichen Geschäft sind ein Indikator dafür, dass wir mit Dingen beschäftigt sind, die wir vermutlich nicht gern tun. Ein dritter Indikator: Sind wir positiv energiegeladen am Abend oder sind wir ausgelaugt und fragen uns, was wir den ganzen Tag über getan haben? Ich spreche wohlgemerkt von Mustern, nicht von Einzelfällen. Die nüchterne Analyse zeigt zunächst einmal den Status.

2. Selektion

Der Erkenntnis folgt die Selektion. Die sich stellende Frage ist: Welche Tätigkeiten kann ich gut? Welche liegen mir besonders und welche vereinbaren sogar beide Eigenschaften: Kompetenz und Neigung? Die Unterscheidung ist wichtig, denn nicht alles, was wir gut können, mögen wir auch; wir tun es mitunter, weil wir es gewohnt sind, weil wir es nicht hinterfragen, weil wir meinen, dass es kein anderer kann, weil es uns zu mühsam ist, es anderen zu erklären – aber wir mögen nicht notwendigerweise alles, was wir gut können. Damit sind wir aber bei einer besonders wichtigen Frage zur Selektion, die den Dingen auf den Grund geht: Wir sind bei der «Warum»-Frage. Genauer: Bei einer Erweiterung der «Wa-rum»-Frage. Im Rahmen der Selektion gilt es, darüber nachzudenken, warum wir eine Tätigkeit überhaupt tun. Die folgenden drei Frageblöcke sind für jede Tätigkeit zu beantworten, die wir tun, aber nicht gern tun:

  1. Ist die Tätigkeit überhaupt wichtig? Wenn ja: Warum? Welchen Wertschöpfungsbeitrag leistet sie?
  2. Muss ich die Tätigkeit selbst durchführen? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum tue ich es dann?
  3. Wer ausser mir könnte die Tätigkeit übernehmen? Welche Schritte sind erforderlich, damit dies erfolgreich geschieht?

Wenn die Antwort auf den ersten Teil der ersten Frage «Nein» lautet oder ein nicht zufriedenstellendes Ergebnis hinsichtlich der Antwort auf den Wertschöpfungsbeitrag erzielt wird, ist das wunderbar, denn eine unliebsame Aufgabe kann ersatzlos gestrichen werden. Das Resultat der Selektion ist, dass diejenigen Aufgaben, die der Unternehmer besonders gut kann und auch besonders gern tut, herausgearbeitet sind und dass ein Plan entsteht, der dazu führt, die Menge dessen, was der Unternehmer liebt, zu tun, deutlich zu steigern.

3. Handlung

Nun geht es ans Handeln. Dabei darf und muss der Unternehmer zweierlei tun: Erstens muss er einen gesunden Egoismus entwickeln – jawohl, das muss auch einmal ausgesprochen werden, denn es ist sein gutes Recht, sich auf das zu konzentrieren, was er gut kann und gerne macht. Letztlich erhöht dies wieder den Wirkungsgrad des gesamten Unternehmens. Zweitens muss der Unternehmer lernen, loszulassen. Letzteres fällt erfahrungsgemäss ganz besonders schwer, denn es bedeutet, einzugestehen, dass Mitarbeiter einige Dinge möglicherweise besser können als man selbst und es bedeutet, sehenden Auges zu ertragen, dass Mitarbeiter die Dinge sicher anders machen werden als der Unternehmer selbst. Für manche Unternehmer eine haarsträubende Vorstellung.

Um den Übertragungsprozess so sicher wie möglich zu gestalten, sind Führungsgespräche er­forderlich. Gegenseitige Erwartungen sind auszutauschen und es ist über Verantwortung zu sprechen. «Wofür sind Sie bei uns verantwortlich?» hat einen ganz anderen Charakter als «Wofür sind Sie bei uns zuständig?» Die Delegation von Verantwortung für Resultate, nicht nur von einzelnen isolierten Tätigkeiten ist aber Voraussetzung für das Gelingen des hier beschriebenen Transferprozesses. Regelmässige Fortschrittsgespräche helfen, auf der Spur zu bleiben und viele werden darüber überrascht sein, dass mancher Mitarbeiter das, was der Unternehmer nicht gern tut, sehr wohl sehr gern tut. Ein klassisches Win-win-win.

Es soll nicht der Anschein erweckt werden, dass sämtliche Aktivitäten, die der Unternehmer nicht liebt, mit einem Handstreich von ihm genommen werden können. Wohl aber kann ich aus meiner Perspektive als persönlicher Berater von Unternehmenslenkern Mut machen, die Menge der präferierten Tätigkeiten und die darauf verwendete Zeit deutlich zu steigern. Wer, wenn nicht der Unternehmer, kann schliesslich selbstständig entscheiden, was er tut und was er nicht tut?

Wenn sich über die Jahre hinweg Gewohnhei­ten eingeschlichen haben, welche dem Leser die Freude am Unternehmertum rauben sollten, gilt es, diese Gewohnheiten zu entdecken, die Ursache dafür zu finden und diese konsequent abzustellen. Lassen wir es nicht zu, dass Dinge einfach «geschehen». Johann Wolfgang von Goethe schrieb «Es geschieht nur, was wir tun». Er hatte recht.

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