Strategie & Management

Aus- und Weiterbildung

Corporate Education: Betriebsinterne Weiterbildung nach Mass

Eine starke Mehrheit der Schweizer KMU ist regelmässig weiterbildungsaktiv. Dabei sind neue Weiterbildungsformen gefragt, die nicht isoliert erfolgen, sondern Teil einer übergeordneten Initiative sind. Denn der Mehrwert einer massgeschneiderten betriebsinternen Weiterbildung, der sogenannten Corporate Education, ist erkannt.
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«Was meint ihr? Was ist der Kapitalbedarf, und wie sieht es mit dem Return on Investment aus?» Die Frage kommt nicht unerwartet seitens des Finanzchefs, nachdem dieser sich die Präsentationen gespannt angehört hatte. Anstelle des Adressaten antwortet der Geschäftsleiter reflexartig: «Komm, lass uns erst mal über das strategische Potenzial sprechen, bevor wir gleich wieder in den Controlling-Modus fallen …» Die Gruppe lacht; die Situation ist entspannt. Die Stimmung ist gut, man verhält sich kollegial.

Interne Potenziale nutzen

Die Anwesenden, eine kleine Gruppe von Mitarbeitenden verschiedenster Abteilungen, nehmen gerade an einem internen Trainingsprogramm teil. Dass die Geschäftsleitung vorbeikommt und sich die Ideen anhört, wird von ihnen äusserst geschätzt. Die Überschrift des Anlasses lautet «Gemeinsam in die Zukunft». Zunächst haben die Teilnehmenden über die Ausgangslage in ihrem Bereich reflektiert und wurden in das Thema «Business Modelling» eingeführt. Dies geschah unter der Leitung eines externen Dozenten. Danach folgte der Auftrag, in Gruppen konkrete Geschäftsideen zu entwickeln. Die Bedingung dafür lautete: «Bestehende Ausrichtung des Unternehmens berücksichtigen und den innovativen Charakter der Idee aufzeigen».

Man mag sich fragen: «Lohnt es sich, solche Anlässe auf Kosten wertvoller Arbeitszeit durchzuführen?» und «Was passiert mit diesen Ideen? Ist das nicht zu weit weg von unserem Tagesgeschäft?». Dass jedes Unternehmen mit einer immer dynamischeren und unsicheren Umwelt konfrontiert ist und einen steten Anpassungs- und Innovationsdruck verspürt, ist keine Neuigkeit. Diese Herausforderungen stellen hohe Ansprüche an die Mit­arbeiterentwicklung: Interne Potenziale gilt es besser zu nutzen sowie stärker auf die Werte und Strategie auszurichten.

Die Erfahrungen aus zahlreichen betriebsinternen Weiterbildungen zeigen: Neue Formen sind gefragt, die nicht isoliert erfolgen, sondern Teil einer übergeordneten Initiative sind. Immer mehr Schweizer Unternehmen erkennen die Vorteile eines massgeschneiderten betriebsinternen Trainingsprogramms, der sogenannten Corporate Education. Diese Form vervollständigt bereits etablierte standardisierte Weiterbildungsmöglichkeiten, verfolgt neue Ziele und stellt andere Anforderungen an das Unternehmen als bisher.

Weiterbildungskultur schaffen

Die Schweiz gilt als Weiterbildungsland. Gemäss der nationalen Erhebung des Bundesamts für Statistik steigt die allgemeine Nachfrage nach Weiterbildungen. Dies gilt nicht nur für Grossunternehmen (ab 250 Beschäftigte). Auch 96 Prozent der mitt­leren Unternehmungen (50 bis 249 Beschäftigte) und 80 Prozent der Kleinun­ter­nehmen (10 bis 49 Beschäf­tig­te) sind regelmässig weiterbildungsaktiv. Bei so hohen Investitionen stellt sich die Frage nach der Relevanz und Wirkung der erworbenen Kompetenzen. Führen die Investitionen zu einer Weiterbildungskultur? Und wieso ist eine Weiterbildungskultur wichtig? Studien zeigen, dass Unternehmen mit einer ausgeprägten Weiterbildungskultur seltener Rekrutierungsprobleme haben. Weiterbildungsmassnahmen haben dort einen positiven Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und Produktivität der Mitarbeitenden. Mit dem Ergebnis, dass Nachwuchskräfte langfristig gebunden werden können.

Je ausgeprägter die strategische Verankerung, je mehr Ressourcen und je systematischer die Vorgehensweise, umso stärker ist die Weiterbildungskultur. Werden nur punktuell Kurse angeboten und sind dabei vor allem die aktuelle Situation und ein spezifischer Bedarf ausschlaggebend, ist das in der Regel keine «richtige» Weiterbildungskultur. Obwohl die Finanzierung von Weiterbildungen einzelner Personen als eine Zukunftsinvestition gewertet wird, bleibt dies eine isolierte Massnahme: Das extern erworbene Wissen des Mitarbeitenden geht verloren, wenn er die Firma verlässt. Umso wichtiger ist es, dass die Nähe zum Unternehmen eben auch im Rahmen der Trainings gefordert wird.

Systematisch zum Ziel

Neu entdecken Unternehmen die Weiterbildung als ein Instrument zur Verfolgung übergeordneter Ziele. Gemäss Befragungen werden Trainings genutzt, um Werte zu etablieren und die Organisationskultur zu stärken, Geschäftsstrategien in konkreten Projekten aufzuzeigen und umzu­setzen sowie Veränderungsprozesse zu gestalten und zu begleiten. Sogenannte Corporate Universities beziehungsweise Academies werden vermehrt eingeführt. Der Begriff ist aber mehr als ein Trend. In Anlehnung an die Begriffsklärung einer deutschen Studie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung kann darunter eine firmeninterne Initiative verstanden werden, die die Ziele der Personal- und Unternehmensentwicklung eng miteinander verknüpft und daraus strategisch relevante Massnahmen ableitet.

Die Bezeichnungen «University» beziehungsweise «Academy» lassen auf eine bestimmte Grös­se schliessen, welche in den meisten KMU nicht gegeben ist. Deshalb wird im Folgenden der Begriff «Corporate Education» verwendet, ohne den Grundgedanken einer systematischen und institutionalisierten betriebsinternen Weiterbildung zu verlieren. Somit kann Corporate Education für die Etablierung einer Weiterbildungskultur entscheidend sein. Beispiele aus der Unternehmenspraxis zeigen mögliche Zielsetzungen der Corporate Education (siehe Box).


Sobald die strategische Relevanz einer Weiterbildung gegeben ist, rückt automatisch die Frage der Effektivität in den Vordergrund. Je zielgerichteter und massgeschneiderter, umso grösser ist die Wirkung von Trainings. Dies bedingt eine Bedarfsanalyse, Konzeption und Einsatzplanung. Es braucht also Ressourcen und Geld dazu. Wie ist das in schwierigen Zeiten zu gewährleisten? Interessanterweise machen sich hier wieder die Unterschiede in der Unternehmenskultur bemerkbar: Während einige Firmen als Erstes bei Weiterbildungen sparen würden, setzen andere genau auf dieses Instrument zur Vermeidung von Personalabgängen. So beklagen weiterbildungsaktive Unternehmen meist nur die fehlenden Kapazitäten und die Zeitfaktoren als Hindernis und beziehen sich seltener auf die Kosten. Deshalb suchen sie meist einen externen Partner. Mit diesem wird dann die Zielsetzung der Corporate Education bestimmt. Der Partner muss in der Lage sein, sich in das Unternehmen hineinzuversetzen, die inhaltliche Expertise zu liefern und geeignete didaktische Formate bereitzustellen. Je näher die Weiterbildungsthemen an der Strategie und den Kernprozessen liegen, umso mehr Abstimmung und Anwendungsorientierung sind notwendig.

Die massgeschneiderten Trainings sind bedarfs- sowie zielgruppengerecht und fokussieren auf unternehmensrelevante Themen. Nur der aktive Beitrag seitens der Firma kann dies sicherstellen. Mit Vorteil werden sogar Schlüsselpersonen aus dem Unternehmen als «Dozierende» miteinbezogen. Die Expertise in inhaltlicher und didaktischer Hinsicht liegt aber beim Partner, der über einen entsprechenden akademischen Leistungsausweis und Praxiserfahrung verfügen muss.

Kooperation mit Hochschulen

Gemäss Bundesamt für Statistik und Untersuchungen aus Deutschland prüfen weiterbildungsaffine Unternehmen einen Partner, der sich in qualitativer Hinsicht auszeichnet. Dieser muss nicht der teuerste sein, aber über eine gewisse Reputation und ein Qualitätslabel verfügen. Die internationale Ausrichtung und die Anerkennung scheinen dabei eine immer wichtigere Rolle zu spielen. Darum werden in zunehmendem Masse Kooperationen mit Hochschulen gesucht, die entsprechend akkreditiert sowie praxisnah sind. Das kann auch mit den gestiegenen  Ansprüchen der Auszubildenden (beziehungsweise der Mitarbeitenden) zu tun haben. Ein zusätzlicher Mehrwert kann deshalb entstehen, wenn die Weiterbildung zu einem von der Hochschule anerkannten oder verliehenen Zertifikat führt. Das wäre der Attraktivität der Weiterbildung und der Unternehmung als Arbeitgeber noch zuträglicher.

Zurück zu unserem Beispiel am Anfang: Die Geschäftsleitung wollte mit der bewussten Gruppendurchmischung den Wissens- und Ideenaustausch im Unternehmen fördern. Die Resultate waren verblüffend. Einige Ideen konnten in
konkreten Projekten umgesetzt werden. Nebst diesem Erfolgserlebnis erzielte sie aber wertvolle zusätzliche Effekte: Stärkung des «Wir»-Gefühls, Förderung des Engagements und des gesamtunternehmerischen (Mit-)Denkens. Dies will das Unternehmen mit systematischen Weiterbildungen aufrechterhalten und auch den Führungsnachwuchs nachhaltig aufbauen. Und das ganz nach dem Verständnis der Corporate Education – Verknüpfung von Personal- und Unternehmensentwicklung.

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