«Wir müssen den Verlauf und den Erfolg der Changemassnahmen und -projekte in unserer Organisation evaluieren – unter anderem damit wir den Prozess steuern können und hieraus für die Zukunft lernen.» So lautet eine selbstverständliche Forderung aller Organisationsentwickler und Projektmanager. Doch was heisst Evaluation eigentlich?
Bewerten und lernen
Evaluation bedeutet, ein oft komplexes Gefüge von Ergebnissen zu beurteilen oder zu bewerten. Dabei wird das Erreichte anhand von Kriterien und Massstäben mit den Zielen verglichen. Und in grossen, häufig bereichs- und nicht selten sogar unternehmensübergreifenden Projekten? In ihnen werden in der Regel bereits im Laufe des Prozesses die Zwischenergebnisse regelmässig erfasst und beurteilt sowie bewertet, damit Zielabweichungen früh erkannt sowie steuernde Massnahmen ergriffen werden können.
Die Wirkungsdimensionen
Beim Bewerten von Changeprozessen stehen zwei zentrale Wirkungs- und Nutzendimensionen im Vordergrund: die ope-rative sowie die strategische Wirkung. Operative Wirkung meint, inwieweit die Changemassnahmen dazu beitragen, die (Unternehmens- / Bereichs-)Ziele zu erreichen und die prognostizierten Risiken zu reduzieren. Im Zusammenhang mit einem Merger kann die Frage nach der operativen Wirkung zum Beispiel lauten: Gelang es, alle Keyplayer an Bord zu halten und die Mitarbeiter so für ihre neuen Aufgaben zu motivieren, dass die Produktivität schnell wieder stabil ist?
Bei der strategischen Wirkung geht es um die Nachwirkung der Massnahmen im Hinblick auf künftige Veränderungsprozesse. Diese Wirkungsdimension ist oft nicht ausdrücklicher Bestandteil der Projektziele. Deshalb wird sie beim Bewerten des Projekterfolgs häufig vernachlässigt und ihre Bedeutung somit unterschätzt. Ist den Führungskräften und Mitarbeitern eines Unternehmen, jedoch zum Beispiel bewusst, dass die umfassende Einbindung der Betroffenen der Schlüssel dafür war, dass die Keyplayer blieben und die Mitarbeiter motiviert sind, dann wirkt diese Erfahrung auch bei der Planung und Gestaltung künftiger Vorhaben nach.
Die Schwierigkeiten
Es scheint selbstverständlich zu sein, dass eine Bewertung der Zielerreichung zum professionellen Abschluss eines jeden Projekts, also auch von Changeprozessen, gehört. Warum erfolgt sie in der Praxis trotzdem zuweilen nicht und häufig nur partiell? Dafür gibt es eine Reihe von Gründen.
Eine «ehrliche», umfassende Bewertung des Veränderungsvorhabens ist zuweilen unerwünscht.
Oft registriert man in Unternehmen folgendes Verhaltensmuster: Zum Beispiel, die lang vorbereitete und unter grossen Anstrengungen bewältigte IT-Migration ist endlich abgeschlossen. Doch noch immer sind viele Anwender zu Recht mit dem neuen System unzufrieden. Und die Produktivität? Sie sank. Und Kunden beschweren sich über einen schlechteren Service. Trotzdem wird das Projekt-Ergebnis positiv bewertet, denn das wesentliche Ziel IT-Migration wurde erreicht. Die Frage, inwieweit bei einer anderen Projektgestaltung eventuell die (vorübergehenden) Produktivitätseinbrüche minimiert sowie die Kundenbeschwerden hätten vermieden werden können, wird nicht gestellt. Denn sowohl für die Auftraggeber als auch Projektmanager stehen die langfristig-strategischen Ziele des Projekts im Fokus; zudem wollen sie ihren Erfolg nicht schmälern. Das Beispiel zeigt: klare Ziele, Kriterien und Massstäbe allein genügen nicht für eine «ehrliche» Bewertung. Ebenso wichtig ist eine Unternehmenskultur, die einen offenen Umgang mit «Fehlern» zulässt und hierin Lernchancen sieht.
Evaluation verursacht Aufwand und Kosten.
Ist der Kostendruck in einer Organisation hoch, dann wird gerne auch an Evaluationsprozessen gespart, denn gute Evaluationen kosten durchaus Zeit und Geld. Dennoch sollten solche Massnahmen von Beginn an eingeplant werden und sich nicht auf eine Bewertung der Zwischenergebnisse beschränken.
In der Organisation dominieren ein «Insel-Denken» und ein kurzfristiges Erfolgsdenken.
Besonders schwierig wird es, wenn bei der Evaluation eines Projektes dessen Auswirkungen auf die Gesamtorganisation erfasst werden sollen. Für viele Projekte gilt: Sie betreffen scheinbar nur einen Ausschnitt des Unternehmens – also zum Beispiel ein, zwei Bereiche in einem bestimmten Zeitraum. Deshalb überwiegen bei der Projektplanung und Durchführung deren (Partial-)Interessen und Einschätzungen, Entsprechend sind nicht selten die Ergebnisse. Das Projekt erreicht möglicherweise sein Ziel, doch was ist mit den Schnittstellen zu anderen Prozessen? Was geschieht nach Projektabschluss? Wie wird die gewünschte Nachhaltigkeit der Ergebnisse erreicht? Das wird bei der Evaluierung oft nicht oder kaum bedacht.