Strategie & Management

Human Resources

Bewerbungsinterviews erfolgreich führen

Die Einstellung von neuem Personal ist keine Glückssache, sondern das Ergebnis eines systematischen Prozesses. Im nachfolgenden Beitrag werden die wichtigsten Aspekte für ein erfolgreiches Bewerbungsinterview beschrieben.
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Um ein Einstellungsgespräch souverän führen zu können, sind die genauen Anforderungen an die zu besetzende Arbeitsstelle die wichtigste Voraussetzung für die Planung des Interviews. Denn nur wer genau weiss, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, um die ausgeschriebene Tätigkeit erfolgreich ausführen zu können, kann die richtigen Fragen stellen. Werden die richtigen Fragen gestellt, können auch die Antworten entsprechend bewertet werden.

Die Tauglichkeit eines Einstellungsinterviews hängt in allergröbster Verdichtung von diesen zwei Prinzipien ab: «1. Man muss die richtigen Fragen stellen» und «2. Man muss die Antworten richtig bewerten» (Schuler, 2002, S. 281). In der Praxis haben sich in den letzten Jahren strukturierte Interviews bewährt.

Im nachfolgenden Artikel werden die wichtigsten Schritte und deren Abfolge für ein sinnvoll strukturiertes Bewerbungsinterview beschrieben.

Schuler empfiehlt für ein gut strukturiertes Interview acht verschiedene Elemente (Schuler 2002). Dies sind:

1. Gesprächsbeginn (Begrüssung, «Small Talk» und Vorstellen des Verfahrens).

2. Selbstvorstellung der Bewerberinnen und Bewerber (beruflicher und persönlicher Hintergrund, Informationen über Ausdrucksweise und Einstellungen).

3. Freier Gesprächsteil (offene Anschlussfragen an die bisher im Interview erhaltenen Informationen oder Fragen zu den von den Bewerbenden eingereichten Unterlagen).

4. Berufsinteressen (Fragen zu den Interessen an der künftigen Tätigkeit, zum Fachwissen, zur Berufserfahrung sowie zu den Beweggründen für den Stellenwechsel).

5. Biografiebezogene Fragen (Fragen zu vergangenem Verhalten, zu den beruflichen Erfolgen und zu persönlichen Eigenschaften).

6. Realistische Tätigkeitsinformation (Informationen zu den Tätigkeiten, zum Betriebsklima und zur möglichen Weiterentwicklung).

7. Situative Fragen (Fragen zum Verhalten in einer erfolgskritischen Situation).

8. Gesprächsabschluss (Beantworten von Fragen der Kandidatinnen und Kandidaten sowie Festlegen des weiteren Vorgehens).

Im Wesentlichen folgt die Struktur des Interviews dem trimodalen Ansatz, welcher die theoretische Grundlage bildet (Schuler 2002). Wie das Wort «trimodal» bereits sagt, handelt es sich dabei um drei verschiedene Ansätze, die aus der Berufseignungsdiagnostik stammen. Dies sind: «Persönliche Eigenschaften», «Verhalten» und die «erzielten Ergebnisse» der Kandidaten und Kandidatinnen. Durch diese Kombination von verschiedenen Ansätzen erfährt das Interview eine höhere Validität. Unter Validität wird in der Eignungsdiagnostik die Gültigkeit von Ergebnissen verstanden.

Die von Schuler (2002) empfohlene Struktur beinhaltet zudem im Teil der biografiebezogenen Fragen die Technik des «Behaviour Description Interviewing», abgekürzt BDI (Janz 1982). Mit dieser Technik werden den Kandidaten konkrete Fragen zu vergangenem Ver­halten in unterschiedlichen Situationen gestellt. Dies können Fragen zum Arbeiten unter Zeitdruck, zu einem Projekt mit Zeitverzug oder auch Fragen zu einer Konfliktsituation am Arbeitsplatz sein. Damit können Erkenntnisse darüber gewonnen werden, wie sich Kandidaten typischerweise verhalten. Vergangenes Verhalten sagt viel über künftiges aus, denn vergangenes Verhalten ist eine der besten Vorhersagen über künftiges Verhalten (Janz 1982).

Situative Fragen (Situational Interview nach Latham, Saari, Pursell & Campion 1980) im Teil 6 des strukturierten Interviews basieren auf einer kurzen Schilderung einer erfolgskritischen Situation durch die interviewführende Person. Dabei kann es sich durchwegs um eine hypothetische Situation handeln. Die Kandidaten werden dann gezielt gefragt, wie sie sich in einer solchen Situation konkret verhalten würden. Ein Beispiel für eine solche Frage ist: «Sie sind verantwortlicher Projektmanager in einem ERP-Projekt. Es ist abends um 18.00 Uhr. Sie haben gerade einen Anruf des Geschäftsführers der Firma Ihres Kunden erhalten, dass die Produktpreise nicht stimmen und somit das Verkaufspersonal am nächsten Morgen nicht arbeiten kann. Ihr zuständiger IT-Mitarbeiter hat ab heute Abend drei Tage frei. Wie lösen Sie das Problem für Ihren Kunden?»

Um möglichst die richtigen Informationen von den Bewerberinnen und Bewerbern zu erhalten und um den Gesprächsverlauf zielgerichtet zu steuern, sind Kenntnisse verschiedener Fragetypen notwendig. Wie die Fragen gestellt werden, ist im Interview besonders wichtig, denn die Bewerbenden sollen sich im Gespräch wohlfühlen. Nachfolgend werden drei wichtige Fragetypen, die in Bewerbungsinterviews Anwendung finden, kurz beschrieben.

Offene Fragen werden auch W-Fragen genannt, weil diese meist mit dem Buchstaben «W» beginnen. Offene Fragen fordern eine ausführliche Antwort und geben dem Interviewpartner einen grossen Handlungsspielraum (Schuler 2002). Typische W-Fragen beginnen mit:

› Was?

› Wo?

› Wie?

› Wofür?

Geschlossene Fragen können mit Ja oder Nein beantwortet werden und eignen sich, um gezielte Informationen zu erhalten. Sie sind aber nicht geeignet, einen Redefluss anzuregen. Ein Beispiel für eine geschlossene Frage ist: «Möchten Sie gerne einen Kaffee»?

Es gibt noch einige andere Fragetypen, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen wird. Ein spezieller Fragetyp soll aber noch vorgestellt werden, da er vor allem auch in Vorstellungsgesprächen gut eingesetzt werden kann und dabei hilft, vorgespurte Denkmuster aufzubrechen. Dabei handelt es sich um die Methode der zirkulären Fragestellung.

Zirkuläre Fragen sind eine Methode, die vor allem in Coachings und Beratungsgesprächen eingesetzt wird. Zirkuläre (lat. Circulus: Kreisbahn) Fragen sind hypothetische Fragen an die Kandidaten, welche «eigentlich» von bekannten Personen aus ihrem Umfeld beantwortet werden sollten. Damit zwingen Sie die Kandidaten zu einem Perspektivenwechsel und sich selbst zu reflektieren. Anstatt dass Sie die Bewerbenden direkt nach ihrem Führungsverhalten fragen, lautet die entsprechende «zirkuläre Fragestellung»: «Wie würden Ihre Mitarbeitenden Ihr Führungsverhalten beschreiben»?

In einem Bewerbungsverfahren ist die Bewertung der Kandidaten eine der schwierigsten Aufgaben. Ein bekannter Bewertungsfehler (Wahrnehmungsfehler) ist der Haloeffekt. Dabei werden die Beurteilenden durch positive Eigenschaften wie eine sehr elegante Kleidung oder durch das Aussehen geblendet. Durch diesen Effekt werden dann solche Bewerbenden automatisch besser beurteilt als andere Kandidatinnen oder Kandidaten.

Um eine möglichst neutrale Bewertung vorzunehmen, soll wie folgt vorgegangen werden:

1. Festlegen aller Kriterien, die für eine Einstellung wichtig sind. Für die zu bewertenden Kriterien soll im Vorfeld eine geeignete Punkteskala (ähnlich dem Schulnotensystem) mit den Bedeutungen der einzelnen Skalenwerte definiert werden. Gut dafür geeignet sind Skalen mit vier oder fünf Werten. Bei einer Intensitätsskala (Bortz & Döring, 2006) mit fünf Werten ergeben sich folgende Zuordnungen:

1 = Anforderung «gar nicht» erfüllt

2 = Anforderung «kaum» erfüllt

3 = Anforderung «mittelmässig» erfüllt

4 = Anforderung «ziemlich» erfüllt

5 =Anforderung «ausserordentlich» erfüllt

2. Dem Gespräch genau zuhören und dabei auch auf Emotionen achten.

3. Laufendes Festhalten der relevanten Informationen (noch nicht bewerten).

4. Bewerten der Bewerberinnen oder Bewerber mit den entsprechenden Skalenwerten, und die Bewertungen sollen falls möglich mit einer weiteren Person, die beim Gespräch anwesend war, verglichen werden.

5. Vergleichen der verschiedenen Kandidatinnen und Kandidaten.

6. Den Entscheid für die gewünschte(n) Person(en) fällen.

Die Bewerbungsunterlagen und das strukturierte Interview bilden für die Bewertung und die anschliessende Auswahl des neuen Personals eine gute Ausgangslage. Bei der Einstellung von Kader­­personal empfiehlt sich der zusätzliche Einsatz einer beruflichen Eignungsdiagnostik oder auch der Einbezug eines «Mini-Assessments». Bei der Auswahl geeigneter diagnostischer Verfahren ist darauf zu achten, dass diese möglichst aktuellen wissenschaftlichen Grundlagen entsprechen und gute Validitäten aufweisen. So erfüllt zum Beispiel das BIP, «Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeits­­beschreibung» (Hossiep & Paschen) diese Anforderungen sehr gut. «

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