Strategie & Management

Mobilität und Flottenmanagement II

Automatisiert in die mobile Zukunft

Digitales Autofahren wird in den nächsten Jahrzehnten immer wichtiger. Für den Individualverkehr ist eine immer höhere Vernetzung der Fahrzeuge zu erwarten und sogar das automatische Auto. Weiter wird der öffentliche Verkehr durch automatische Fahrzeuge individueller.
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Im Bericht des Bundesrates «Automa­tisiertes Fahren – Folgen und verkehrs­politische Auswirkungen Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats Leutenegger Oberholzer 14.4169 ‹Auto-Mobilität› ging man schon 2016 davon aus, dass automatisierte Fahrzeuge innerhalb der nächsten zehn bis 20 Jahre einen beträchtlichen Anteil der zugelassenen Strassenfahrzeuge ausmachen würden. Mit der Einführung der automatisierten Fahrzeuge könne der Strassenverkehr noch sicherer und komfortabler werden, und sie könnten neuen Nutzergruppen wie Betagten, Menschen mit ­Behinderungen und Kindern einen ein­facheren Zugang zur (Auto)-Mobilität ­ermöglichen. 

Leitbild Mobilität

Aufgrund gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Trends wie der Zunahme von Homeoffice, der weitergehenden Urba­nisierung und der Alterung der Bevöl­kerung wächst der Verkehr weniger stark als die Bevölkerung. Dies zeigen die Verkehrsperspektiven 2050 des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek). Mit dem «Leitbild Mobilität» legt das Uvek die Grundsätze für die Bedeutung und den Umgang mit den neuen technologischen Möglichkeiten auf na­tionaler Ebene fest. Beispielsweise sollen «intelligente» Verkehrsinfrastrukturen wie ein effizientes Verkehrsma­na­ge­ment oder sogenannte Smart Roads ent­wickelt werden. 

Ein Bundesgesetz über Pilotprojekte für Kantone, Städte oder Gemeinden ist geplant. Diese sollen örtlich und zeitlich begrenzte Pilotprojekte, die eine Abgabepflicht vorsehen, durchführen, diese wird «Mobility Pricing» genannt. So werden Erkenntnisse zur gezielten Beeinflussung der Verkehrsnachfrage und des Mobilitätsverhaltens im motorisierten Individualverkehr sowie im öffentlichen Verkehr gewonnen. Der Bund soll Pilotprojekte ­finanziell unterstützen. 

Evolution oder Revolution?

In Zusammenhang mit der Entwicklung von automatisierten Fahrzeugen werden derzeit zwei grundsätzliche Entwicklungsmöglichkeiten diskutiert:

  • Das «evolutionäre Szenario» geht von einer stetigen Weiterentwicklung der Fahrassistenzsysteme bis hin zum autonomen Fahren aus. Der Fahrer kann die Kontrolle über das Fahrzeug auch weiterhin jederzeit übernehmen. Dabei stehen der Komfortgewinn und die Erhöhung der Sicherheit im Vordergrund. Der Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, dass sich diese Fahrzeuge in einem sukzessiven Prozess an das Umfeld, die Nutzer und die Betreiber der verschiedenen Infrastrukturen und Dienste anpassen können.
  • Dem steht das «revolutionäre Szenario» gegenüber. Dieses sieht einen direkten Sprung vom heutigen Verkehrsgeschehen mit «herkömmlichen» Fahrzeugen zu den fahrerlosen Fahrzeugen vor. Im Vordergrund stehen die Ver­meidung von Unfällen, die möglichst optimale Nutzung der verschiedenen Verkehrsangebote und die Reduktion der CO₂-Emissionen. Dazu sollen die Fahrzeuge umfassend vernetzt und die weiteren Möglichkeiten der digitalen Welt konsequent genutzt werden.

Die «Metastudie»: «Die Mobilität von morgen, eine Herausforderung für die ­Automobilindustrie» kann man beim ­Unternehmen Salesforce herunterladen. Die Studie enthält eine Zusammenstellung aus verschiedenen Quellen und besagt, dass Automobilhersteller und Zu­lieferer mit der digitalen Transformation und massiven Veränderungen in der ­Mobilität zu kämpfen haben. Die Ver­braucher verlangen immer mehr digitale Dienstleistungen. 

Auch nach dieser Studie gibt es unterschiedliche Erwartungen an die zukünftige Entwicklung. Die einen Experten, zum Beispiel Deloitte, erwarten, dass die Branche sich auf natürliche Weise und schrittweise zu einem modernen Mobilitätssystem entwickelt. Nach der dis­ruptiven Sichtweise wird es ein neues Zeit­-alter mit elektrifizierten, hochauto­ma­tisierten Fahrzeugen geben, die den Kunden bei Bedarf zugänglich sind, wobei der Wandel unaufhaltsam sein wird.

Die Coronakrise wird laut dieser Studie wohl die Autoindustrie beeinflussen. Das Institut für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt ging nach Umfragen in April 2020 davon aus, dass der Individualverkehr durch die Coronakrise gefördert wird. Das private Auto gilt in Pandemiezeiten als sicherer als öffentliche Verkehrsmittel und Carsharing-Dienste. Doch die Coronakrise könnte auch neue Potenziale für das Teilen von Autos zur Folge haben. 

2030 werden mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung um die Jahrtausendwende geboren sein und dementsprechend sind ihre Erwartungen, meint man bei PwC. Diese Menschen erwarten, dass ihre Mobilität individuell steuerbar ist und auf Wunsch zur Verfügung steht. 47 Prozent der europäischen und 79 Prozent der chinesischen Verbraucher er­wägen, ihr eigenes Auto aufzugeben, sobald wettbewerbsfähige Robotertaxis verfügbar sind. 

Automatisierte Techniken

Die Norm SAE J3016 beschreibt die verschiedenen Stufen des automatisierten Fahrens, von nicht automa­tisiert bis hoch- und sogar vollautoma­tisiert. Schon heute führen teilautomatisierte Systeme beim Parken sowohl das Lenken als auch das Beschleunigen und das Bremsen automatisch durch, sodass der Lenker diese nur noch überwachen muss. 

Eine Weiterentwicklung dieses Systems ist das sogenannte Valet-Parking, damit kann man am Fahrtziel das Fahrzeug verlassen und es an einem vorgegebenen Parkplatz eigenständig einparken lassen. Mit einer weiterentwickelten Technik des autonomen Fahrens gelangt das Fahrzeug zu einem beliebigen freien Parkfeld in der Nähe des Zielortes und holt den Fahrer von dort aus auch wieder ab. 

Autos könnten die kompletten Fahrfunktionen auf den Autobahnen übernehmen, sodass der Fahrer nur noch dann eine Kontrollfunktion wahrnehmen muss, wenn das System ihn mit einer ausreichenden Zeitreserve dazu auffordert. Wäre er dazu nicht in der Lage, zum Beispiel eingeschlafen, nimmt das Fahrzeug einen sicheren Zustand ein. In einer weiteren Entwicklungsstufe wäre eine Kontrollfunktion durch den Fahrer erst am Ende der Autobahn oder in kritischen Situationen nötig. Ist dies nicht möglich, führt das System das Fahrzeug an einen sicheren Ort und bringt es dort eigenständig zum Stehen. Die höchste Stufe der Entwicklung sind Fahrzeuge, Auto, Bus, Lastwagen, die jederzeit alle Fahrfunktionen übernehmen: Sie fahren, parkieren und beschaffen selber die notwendige Energiezufuhr.

Apropos Energiezufuhr, dazu präsentiert die 2020 gegründete Firma «sun2wheel AG» intelligente Lade- und Speicherlösungen für Elektroautos. Viele Elektrofahrzeuge stehen viele Stunden in Garagen. Die riesigen Akkus dieser Fahrzeuge haben eine weitaus grössere Speicherkapazität, als im Normalfall für die tägliche Mobilität benötigt wird. 

Die Gründer von «sun2wheel» haben es sich zum Ziel gesetzt, dieses Potenzial nutzbar zu machen. Es wurde ein System namens bidirektionales Laden entwickelt. Damit kann der vor Ort produzierte Strom, zum Beispiel von der Photovol­taikanlage vom Dach, im Elektroauto in der Garage gespeichert und direkt im ­Gebäude wieder genutzt werden (V2H). Auch heute ist es noch nicht so einfach, Energie zu speichern. Es ist sinnvoll, Autobatterien dazu zu verwenden. 

Mobile Paketstationen 

Schon 2017 präsentierte die Rinspeed AG «Oasis», ein selbstfahrendes E-Mobil für Stadt und Umland. Rinspeeds modulares Fahrzeug «CitySnap», eine mobile Paketstation, wurde 2021 in vierter Generation entwickelt. Die Studie einer der weltweit führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften hat das ­Rinspeed «CitySnap»-Auslieferungskonzept im Kontext der wachsenden Logistiknachfrage und der Entwicklungen im urbanen Raum beleuchtet. 

Der weltweite Online-Handel hat in den vergangenen fünfzehn Monaten um 30 Prozent zugenommen. In jeder Sekunde werden heute weltweit ungefähr 3250 Pakete versandt. Ein Ende des exponentiellen Wachstums ist nicht abzusehen. Eine zeitgemässe Zustelllösung sollte kontaktlos und hygienisch sein. Der Einsatz der automatischen Lieferfahrzeuge könnte die Anzahl der benötigten Lieferfahrzeuge um bis zu 50 Prozent verringern. 

Schon 2016 hatte die Schweizer Post ein ähnliches Experiment mit selbstfahrenden Lieferrobotern durchgeführt, um deren Eignung für die Warenzustellung auf der letzten Meile zu prüfen. Die Liefer­roboter fuhren auf Gehsteigen und in Fussgängerzonen im Schritttempo und sollten autonom zu ihrem Ziel navigieren und Hindernissen und Gefahrenstellen automatisch ausweichen. Auf den Testfahrten werden die Lieferroboter durchgehend von einer Person begleitet und überwacht. 

Das Experiment wurde aufgegeben. Grund war laut eines Berichtes der Handels­zeitung eine Vorschrift, wonach die Roboter nur in Begleitung eines mensch­lichen Aufpassers durch die Stadt fahren dürfen, was natürlich nicht der Sinn der Sache ist. 

Vernetzung von Fahrzeugen

Der Fahrzeugnutzer kann sich mittels Vernetzungstechniken (Connected Car) zusätzliche Komfortfunktionen wie Kartenaktualisierungen, Netflix-Abonnements oder Sprachsteuerung freischalten lassen. Weiter können Sicherheitslücken an Steuergeräten geschlossen werden oder die neuesten Versionen des Info­tain­ment­systems (Zusammenführung von Autoradio, Navigationssystem, Freisprech­ein­richtung, Fahrerassistenzsysteme und weiterer Funktionen in einer zentralen Bedieneinheit) installiert werden. Wie ­alles hat auch die Vernetzung der Fahrzeuge Vor- und Nachteile.

Das Infotainmentsystem ist normalerweise mit der Firma des Herstellers verbunden. Diese können zum Beispiel über das Display des Infotainmentsystems die Autofahrer auf eine notwendige Wartung aufmerksam machen und sie mittels Navigationsgerät zur nächsten Vertragswerkstatt lotsen. Dazu erfahren Hersteller durch die Vernetzung Informationen über das Nutzerverhalten. 

Die Begründung der Firmen für solche Systeme ist regelmässig, dass man die Kundenkommunikation und die Angebote verbessern will. Wünscht ein Kunde das nicht, muss er darauf achten, dass man den Kontakt zum Hersteller und/oder anderen Firmen blockieren kann. Jedenfalls sollte man immer die Datenbestimmungen der Anbieter studieren. Weitere Möglichkeiten:

  • Bei den neuen Connected Cars – Autos, deren SIM-Karte dauerhaft aktiv und mit dem Internet verbunden ist, lassen sich zum Beispiel im Falle eines Diebstahls jederzeit Informationen zur aktuellen Position ermitteln.
  • Fahrzeuge mit einem einheitlichen Kommunikationsstandard können miteinander vernetzt werden, was «Platooning» genannt wird. Diese Fahrzeuge folgen einander in minimalem Abstand und werden vom Fahrzeug an der Spitze gesteuert. Das wäre für den strassengebundenen Personenverkehr sinnvoll und für den Gütertransport wirtschaftlich.
  • Durch den Austausch sicherheitsre­levanter Daten zwischen allen Fahr­zeugen, beispielsweise über Brems­vorgänge, könnte die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer noch einmal substanziell erhöht werden. Die Abstände zwischen den Fahrzeugen könnten minimiert und so die Kapazität einer Strasse verbessert werden.
  • Durch die Kommunikation mit Wlan zwischen Fahrzeug und Infrastruktur könnten die bestehenden Strassen ef­fizienter genutzt werden. 
  • Fahrzeuge könnten automatisch über freie Parkfelder informiert werden. 

Nicht nur die Autofirmen bieten Vernetzungsmöglichkeiten an, sondern auch andere, zum Beispiel die Firma Autosense AG. Zu ihren Produkten gehört die Autosense-App, mit der man Tankvorgänge komplett digital abwickeln kann. Der Vorgang ist ganz einfach: App runterladen, ­registrieren, Kreditkarte hinterlegen. Die Autosense-App kann an rund 307 Migrol-Tankstellen eingesetzt werden. Weitere Apps dienen unter anderem zum War­tungs­management, als digitales Fahrtenbuch oder für Kontakte zu Partnerfirmen.

Individuell nutzbarer ÖV

Selbstfahrende Fahrzeuge in Kombination mit weiteren Aspekten der digitalen Welt ermöglichen eine flexiblere und individuellere Ausgestaltung der ÖV-An­gebote. Das Prinzip der intermodalen ­Mobilität zielt darauf ab, Mobilität als abrufbare Dienstleistung (Mobility as a Service = MaaS) zu etablieren. 

Der Sinn besteht zum einen darin, den Verkehr effizienter zu machen, und zum anderen darin, die Klimabelastung durch CO₂-Emissionen zu verringern. Damit das Modell MaaS aber in unserer Ge­sellschaft akzeptiert wird, sollte es drei wesentliche Voraussetzungen erfüllen: Es muss komfortabel und vernetzt sein und der Wechsel von einem Verkehrsmittel zum anderen soll unkompliziert sein.

Es ist denkbar, dass zukünftig fahrerlose Fahrzeuge ohne fixen Fahrplan und ohne vordefiniertes Liniennetz verkehren werden. Die in Echtzeit eingegangenen Bestellungen der Nutzer bestimmen den Zeitpunkt und die Route der Fahrt. Diese werden von einem übergeordneten Rechner koordiniert, optimiert und gesteuert. Auch das Teilen von Autos (Car-Sharing und Car-Pooling) könnte durch die Kombination von fahrerlosen Fahrzeugen noch attraktiver werden. 

Das Mobility Hub

Ein Mobility Hub, auch «Mobilpunkt» oder «Mobilitätsstation» genannt, ist nach einhelliger Definition ein Ort, an dem verschiedene Verkehrsmittel und Mobilitätsservices räumlich zusammenkommen. Der Reisende soll ankommen, bequem auf ein anderes, geeigneteres Verkehrsmittel umsteigen und weiter­fahren können. Üblicherweise weist eine Mobilitätsstation folgende Komponenten auf:

  • Abstellmöglichkeiten für Individualverkehrsmittel, insbesondere für Autos und Fahrräder
  • Infrastruktur für Elektrofahrzeuge zum Aufladen der Batterien
  • Angebote für die Nutzung von Sharing-Mobility (Car-/Bike-Sharing) und von Leihfahrzeugen, Fahrrädern, E-Rollern usw.
  • Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln, zum Beispiel ein sogenannter Park&Ride-Parkplatz
  • Allenfalls auch Läden, Restaurants usw.