Strategie & Management

Projektmanagement

Auf der Suche nach der «richtigen» Methode

Die Etablierung von Projektmanagement (PM) in KMU unterschiedlicher Grössenordnung ist ein aktuelles Thema. Unternehmen aus den verschiedensten Branchen haben bereits Projekte mit Erfolg durchgeführt. Und festgestellt: Eine Professionalisierung des firmeninternen PM kann ein erfolgversprechendes Nutzenpotenzial bringen.
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Entscheider in den KMU stehen vor der Fragestellung, welcher der einfachste und damit auch kostengünstigste Weg zur Implementierung von nachhaltig erfolgreichem Projektmanagement ist. Hier wollen gern Softwarehersteller in die Bresche springen, die ihre Tools marketingwirksam anbieten. Das Top-Management ist sich jedoch meist bewusst, dass die Einführung von PM sowohl ein methodischer als auch ein kultureller Veränderungsprozess ist, welcher in der Regel nicht allein durch die Einführung einer Software initiiert und aktiv begleitet werden kann. Die Frage hinsichtlich des optimalen Einführungswegs ist also noch offen.

Viele Möglichkeiten

Die Suche führt schnell zu den weltweit verankerten PM-Institutionen: PMI, IMPA, ... Landesspezifisch existiert darüber hinaus in der Schweiz z.B. HERMS (Informatiksteuerungsorgan des Bundes ISB) als Projektführungs­instrument.

Sämtliche Organisationen stellen ein Framework zur Verfügung, welches vermeintlich leicht von den einzelnen Unternehmen adaptiert werden kann. Dabei stehen unterschiedliche Vorgehensmodelle zur Initiierung, Planung, Durchführung und zum Abschluss von Projekten zur Wahl. Strukturell kann man Vorgehensmodelle in die beiden Kategorien «empirisch» bzw. «konzeptionell» differenzieren. In der empi­rischen Variante wird stark an der existierenden Situation orientiert. Basierend auf detaillierten Analysen wird eine Vielzahl von «kleinen» Einzellösungen (Verbesserungen) erarbeitet. In der konzeptionellen Variante verfolgt man einen deutlich radikaleren Weg, in dem der Fokus verstärkt auf die Entwicklung neuer Lösungen und weniger auf das Erheben der bestehenden Situation gelegt wird.

Grundlegend kann man weitergehend zwischen den klassischen Modellen, wie Phasenorientiertes Modell, Haubentauchermodell, Prototyping, Versionenkonzept, Rational Unified Process (RUP), Systems Engineering, V-Modell XT, Spiralmodell, PRINCE2 und vielen weiteren, sowie den «neuen» agilen PM-Verfahren, wie z.B. SCRUM, XP, ... unterscheiden. Gemeinsam bei den klassischen Modellen ist, dass die Initiierung eines Einzelprojektes durch eindeutige Prozesse geregelt ist, welche durch das unternehmensweite Portfolio-management definiert sind. Dabei werden zunächst die Stakeholder identifiziert, um anschliessend die Projektziele festzulegen. Dabei liegt der Fokus stärker auf der Zielorientierung als auf der Lösungsorientierung.

Ist die Entscheidung getroffen, ein Projekt durchzuführen, stehen eine oder mehrere Planungsphasen an. Hierbei wird häufig vom Groben ins Detail geplant bzw. von der Breite in die Tiefe. Im Anschluss an die Planungstätigkeiten erfolgt eine Freigabe durch die das Projekt steuernde Instanz (Projektlenkungsausschuss). Nun beginnt die Realisierung der geplanten Inhalte. Ist das gewünschte Produkt erstellt, wird die Abnahme des Ergebnisses durchgeführt und es kann mit der Einführung bzw. Erhaltung begonnen werden.

Trends aus der IT

Aus der Produktentwicklung heraus werden in der IT-Branche vermehrt iterative (sich schrittweise in wiederholten Rechengängen der exakten Lösung annähernde) Vorgehensmodelle favorisiert. So werden zum Beispiel bei dem Rational Unified Process (RUP) zunächst auch verschiedenen Phasen wie «Inception», «Elaboration», «Construction» und «Transition» durchlaufen. Diese wiederum können in mehreren Iterationen durchlaufen werden und sind durch einen oder mehrere Meilensteine strukturiert.

Zu dieser Kategorie gehört auch das Spiral­modell aus der Softwareentwicklung, welches jedoch zusätzlich noch eine detaillierte Risikobetrachtung beinhaltet. Risiken, welche das Projekt gefährden, werden identifiziert und bewertet. Ausgehend von der Priorisierung dieser Projektrisiken werden Wege gesucht, die Bedrohungen für das Projekt vermeiden. Die zyklische Wiederholung einzelner Phasen, also das inkrementelle bzw. iterative Vorgehen führt dazu, dass sich die Projektergebnisse mit zunehmendem Projektfortschritt den Zielen annähern. Dabei können Zielergänzungen bzw. -korrekturen entsprechend «einfach» berücksichtigt werden.

Agile Modelle

Enterprise 2.0-Unternehmen oder solche, welche sich auf dem Weg dorthin glauben, interessieren sich zunehmend für die agilen Modelle des Projektmanagements. Unter «agil» ist hierbei «die Kunst des Machbaren» zu verstehen. Die agile (Software-)Entwicklung ist eine Gegenbewegung zu den oft als schwergewichtig und bürokratisch angesehenen traditionellen Entwicklungsprozessen wie dem Rational Unified Process oder dem V-Modell. Anfang 2001 haben sich die führenden «Denker» zu diesem Thema zusammengesetzt und gemeinsam ein agiles Manifest formuliert. Wesentliche Aussagen sind:

  • Menschen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge
  • Funktionierende Software ist wichtiger als umfassende Dokumentation
  • Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlungen
  • Eingehen auf Veränderungen ist wichtiger als Festhalten an einem Plan

Grundzug dieser agilen Verfahren ist das Abweichen vom Prinzip, dass zunächst das gesamte, umfängliche Projektergebnis geplant und definiert sein muss. Wesentliche Grundsätze der agilen PM-Verfahren sind effiziente Kommunikation, eigenverantwortliches Handeln und gegenseitiges Vertrauen. Zusätzlich steht die zeitnahe und aktive Einbindung des Kunden bzw. Begünstigen des Projektes in die Projektarbeit im Vordergrund. Dieser soll zeitnah die ersten Ergebnisse begutachten können und erhält in kurzen Abständen jeweilige «kleine» Teilergebnisse. Somit kann er frühzeitig erkennen, ob der (interne) Auftragnehmer ihn auch in seinem Sinne verstanden hat und die benötigten Ergebnisse in der gewünschten Qualität generiert.

Agile Modelle versuchen mit einem geringen bürokratischen Aufwand, wenigen ausgewählten Regeln und meist einem iterativen Vorgehen auszukommen. Selbst wenn diese Gedanken im Wesentlichen auch aus der Softwareentwicklung stammen, werden sie vermehrt auch auf organisatorische Fragestellungen adaptiert. 

Diese Verfahrensweisen sind hinsichtlich der klassischen PM-Modelle durchaus provokant, stellen sie doch bewährte Grundlagen infrage, doch sind sie die Basis für einen kundenorientierten, pragmatischen Ansatz.

Agile Modelle:

  • Adaptive Software Development (ASD)
  • Crystal
  • Extreme Programming (XP)
  • Feature Driven Development (FDD)
  • Pragmatic Programming
  • Scrum
  • Usability Driven Development (UDD)

Aus den oben aufgeführten Prozessen/Modellen hat Scrum in vielen Unternehmen bereits Einzug gehalten. In diesem Vorgehensmodell werden zunächst drei wesentliche Rollen, das Team, der Scrum Master und der Product Owner definiert. Diese zusammen stehen in der Gesamtverantwortung. Ein klassischer Projektleiter existiert nicht. Es gilt das Prinzip der Selbstverantwortung für das Scrum-Team. Dieses Verfahren hat zum Ziel, die wesentlichen Geschäftsanforderungen in möglichst kurzer Zeit zu realisieren. Die Methode ermöglicht die Erstellung des Ergebnisses in kurzer Zeit und damit die Möglichkeit, dieses Ergebnis zeitnah zu inspizieren. Dabei können diejenigen, welche die Ergebnisse produzieren, selbstverantwortlich festlegen, wie sie vorgehen. Allein die Priorisierung erfolgt durch das Business. Der Auftraggeber gibt die Einzelergebnisse frei oder initiiert deren Modifizierung.

Agile PM-Modelle stellen keine Erfolgsgarantie für Projektergebnisse dar. Jedoch bieten sie eine erhöhte Transparenz und aufgrund der zeitnahen (Produkt-)Lieferungen werden zeitnah Hemmnisse und Schwierigkeiten erkannt, welche dann ggf. sehr flexibel nachgebessert werden können. Weiter ist der Nachweis offen, ob agile Modelle auch bei Grossprojekten erfolgreich eingesetzt werden können. Es erfordert im Unternehmen eine ausgeprägte Bereitschaft, sich kulturellen Veränderungsprozessen offen gegenüberzustellen.

Welche Methode passt?

Sämtliche etablierten Vorgehensmodelle sind in hinreichender Ausführlichkeit dokumentiert und es bieten sich zahlreiche Beratungsunternehmen an, solche Modelle in den KMU zu implementieren. Welches ist jedoch für das individuelle Unternehmen das «richtige» Modell? Diese Frage ist meist für das Unternehmen selbst kaum fachlich fundiert richtig zu entscheiden. Somit versucht man dies bereits im Rahmen eines Projektes herauszufinden. Dabei werden unter Umständen klassische Bewertungstechniken wie z.B. SWOT-Analysen, Nutzwertanalysen, Kosten-Wirksamkeitsanalysen eingesetzt. Es ist jedoch auch von immanenter Bedeutung, die Veränderungsfähigkeit und den Veränderungswillen im Unternehmen zu berücksichtigen. Der kulturelle Wechsel von klassischen PM-Vorgehensmodellen zu agilen Methoden ist signifikant und sollte aktiv durch die Unternehmensentwicklung begleitet werden.

Steht die Wahl fest, ein unternehmensverbindliches Modell zu implementieren, wird man feststellen, dass sich aufgrund der vermeintlich besonderen Umgebung eine Implementierung nach der jeweiligen reinen Lehre nicht ergibt. So legt man sich auf ein prinzipielles Vorgehen fest und führt dann einzelne Komponenten aus den ähnlichen Verfahren zusammen. Das bedeutet nicht, dass das Rad immer neu erfunden wird, sondern zeigt eher, dass man sich nicht streng an einen «am grünen Tisch» festgelegten Standard festhalten möchte, sondern die vermeintlichen unternehmensspezifischen Besonderheiten abgebildet haben möchte. Jedoch sollte die Grundphilosophie des ausgewählten Modells nicht grundlegend verändert werden.

Die Wahl des Vorgehensmodells ist jedoch alleine noch nicht ausreichend, um dieses im Unternehmen erfolgreich einzusetzen. Sämtliche firmenindividuellen Anpassungen müssen entsprechend integriert werden. Für diese Tätigkeiten muss es einen firmeninternen Verantwortlichen geben. Kann ein KMU dabei auf ein bereits real existierendes Projekt Management Office (PMO) zurückgreifen, ist der Aufwand durchaus überschaubar.

In PMO sind hoch qualifizierte PM-Spezialisten beschäftigt, deren originäre Aufgabe die Pflege und Weiterentwicklung des internen PM obliegt. Ist eine solche Institution noch nicht im Unternehmen eingeführt, könnte der Wunsch nach der Einführung eines PM-Modells eine sehr gute Initialzündung für den Aufbau eines PMO sein.

Fazit: Ein richtiges Modell gibt es nicht, KMU sollten sich zwischen den grundsätzlichen Modellen entscheiden und dann sowohl die strukturellen und insbesondere auch die kulturellen Veränderungsprozesse aktiv bearbeiten.