Strategie & Management

Case Study: Managementsysteme

Auf dem Weg zur Excellence mithilfe eines Operating Systems

Ein «Operating System» soll helfen, Produktivität und Gewinn zu steigern. Der Beitrag beschreibt anhand eines Praxisbeispiels die Zielsetzung, die Einführung und die wesentlichen Merkmale dieses ganzheitlichen Systems.

«Wir müssen produktiver werden und den Gewinn steigern.» Das war die Forderung. Daraufhin begannen wir mithilfe der eigenen Mitarbeiter, flächendeckend an allen Standorten gleichzeitig, ein firmenspezifisches «Operating System» zu implementieren. Basis hierfür war das «Toyota Production System», das auf die Standortrahmenbedingungen angepasst wurde. Nach mehr als zwei Jahren können wir festhalten, dass die Einführung des Operating Systems ein Erfolg ist.

Die Ziele in Bezug auf Sicherheit, Qualität, Performance, Produktivität und Ebit wurden erfüllt. Wie die Darstellung zeigt (siehe Abbildung), wurde die Produkti­vität als Gross Income per Full-Time Employee (FTE) definiert, wobei Gross Income = Net Sales – Material Cost – External­ Services ist. Dieser Wert wurde in den Abteilungen, Standorten und auf Business-Unit-Ebene ermittelt. Der Gesamtwert der Produktivität für die Business Unit steigerte sich in den zwei Jahren um 20,2 Prozent. Die Ebit-Marge stieg in diesem Zusammenhang sogar um 110,5 Prozent.

Die Zielsetzung

Das Operating System ist ein ganzheitliches System, welches die Firma oder den Konzern wie ein Regenschirm umspannt und die Firmenkultur verändert, weil es den Kunden in den Mittelpunkt rückt. Unternehmensziel ist es, sich für die nächsten 20 Jahre einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Der Erfolg des Operating Systems ist nur möglich, wenn dieser Ansatz von der obersten Führung nachhaltig unterstützt wird. Am Anfang ist sicher Hartnäckigkeit gefordert und über Jahre hinweg eine erhebliche finanzielle sowie personelle Investition notwendig. Nur so ist es möglich, eine kontinuierliche Verbesserung der Firma zu initiieren. Es wird mehrere Jahre dauern, bis alle «Elemente» des Systems nachhaltig eingeführt sind, aber das interne Optimieren, um die Kundenanforderungen bestmöglich zu erfüllen, wird niemals beendet sein.

Die Einführung

Startpunkt der Einführung des Operating Systems war eine motivierende Informationsveranstaltung der Konzernleitung, bei der alle Führungskräfte eingeladen wurden. Einige Mitglieder der Unternehmensleitung hatten zuvor in Schulungen die Inhalte des Toyota Production Systems erlernen können. Des Weiteren wurden auch weltweit Firmen mit vergleichbarer Industrie besucht, welche bereits ähnliche Systeme implementiert haben. Anschliessend wurde mit der Unterstützung des Boards beschlossen, auch ein firmenspezifisches Operating System einzuführen. In der Implementierungsphase wurden zunächst die Führungskräfte über die Notwendigkeit eines firmen­spezifischen Operating Systems von der Konzernleitung informiert. Einigen Führungskräften wurden sofort externe Lean-Expert- oder Black-Belt-Weiterbildungen und Firmenbesichtigungen angeboten. Basierend auf diesen Erfahrungen und den internen Herausforderungen wurden dann die ersten Schulungen abgehalten.Anschliessend wurden die zwölf «Elemente» des firmenspezifischen Operating Systems definiert und dann schrittweise eingeführt. Diese Elemente sind in drei Gruppen zusammengefasst:

  • Management-Infrastruktur: visuelles Management, Kommunikationsplan, Change Management sowie Tier-Reporting-Struktur
  • Techniken: Master-Produktionsplanungssystem, Gemba Walk, sieben Verschwendungsarten und kontinuierliche Verbesserung
  • Einstellung, Verhalten sowie Fähigkeiten: Softskill-Training, standardisierte Führungsarbeit, Führen durch Coaching und durch die Förderung der Mitarbeitenden

Entscheidend für den Erfolg ist, dass die vorgegebenen Elemente des Operating Systems, wie zum Beispiel Tier-Meetings, Gemba Walk und visuelles Management von den Mitarbeitern individuell angepasst werden.

Dies geschieht in den Teams von den Produktionsmitarbeitern hin zum Management. Wir haben uns entschieden, abgesehen von spezifischen Schulungen, auch auf die Unterstützung von externen Be­ratern zu verzichten. Ein Teil des Ope­rating Systems ist ein «Key Performance Indicator»-Cockpit, welches die richtigen Kennzahlen für den Standort beinhaltet und auf täglicher Basis gemessen wird. Die Ergebnisse werden mit allen Fakultäten diskutiert mit dem Schwerpunkt auf «Safety, Quality und Performance». Anschliessend werden entsprechende Massnahmen mit Verantwortlichkeiten definiert und konsequent verfolgt.

Veränderte Firmenkultur

Das Operating System fokussiert auf das Tagesgeschäft und ermöglicht die Transparenz innerhalb der Teams und zwischen den Abteilungen. Dadurch verändert sich die Kultur des Unternehmens mit dem Effekt, die Ergebnisse auf täglicher Basis zu messen, Herausforderungen offen anzusprechen und konsequent abzuarbeiten. Die Kundenanforderungen stehen im Vordergrund der gesamten Ausrichtung der Firma. Kundenfeedback und kritische Aufträge werden in den Tier-Meetings durch Mitarbeiter der Sales- beziehungsweise Customer-Support­Organisation dargestellt. Diese Abteilung misst und kommuniziert auch die aktuelle Kundenzufriedenheit.

Die Basis für das Operating System ist der operative Bereich, weil hier die Leistung erbracht wird. Konsequenterweise beginnt hier auch in den Arbeitsgruppen am frühen Morgen das Messen der Ergebnisse und die Festlegung der Ziele. Die kurzen Besprechungen an den Tafeln mit den Ergebnissen bezeichnen wir als Tier-Meetings, die zeitversetzt über mehrere Stufen hin zum Standort-Tier-Meeting stattfinden. Das Standort-Tier-Meeting mit dem Standortleiter und seinem Führungsteam findet auch in der Produktion statt, um den Mitarbeitern zu signalisieren, dass sie vom Führungspersonal unterstützt werden und schnelle Rückmeldungen erhalten. Durch die Tier-Meeting-Struktur werden sämtliche Informationen schnell über die verschiedenen Hier­archieebenen zur Standortleitung und von dort aus in die Konzernleitung transportiert. Das Management und die Standortleitung haben somit auf täglicher Basis einen Überblick über die Ergebnisse sowie die Herausforderungen und können rasche Entscheidungen treffen. In allen Hierarchieebenen werden die Mit­arbeitenden durch ihre Manager mittels Coaching geführt. Das soll die Kreativi­tät der Belegschaft fördern, die es wiederum ermöglicht, die Kundenaufträge mit möglichst wenig Verschwendung und in der vorgegebenen Zeit und Qualität zu bearbeiten. Das Operating System setzt aber bei der Strategieentwicklung an und wird auch für die Zieldefinition effektiv genutzt.
 
Zu Beginn der Implementierung werden zwei Workshops, nämlich «Supply Chain Base Line» mit anschliessender «Orga­nisational Development Base Line», ab­gehalten. Hierbei werden die Haupt­produkte durch die Mitarbeitenden der operativen- sowie Supportbereiche entsprechend den Kundenanforderungen optimiert und anschliessend die notwendigen organisatorischen Veränderungen durchgeführt.

Erfahrungswerte

Durch die Erfahrung der Einführungen eines firmenspezifischen Operating Systems in verschiedenen Firmenkulturen und Ländern scheinen uns folgende Hinweise sehr wichtig, um das System erfolgreich einzuführen:

  • Die oberste Firmen- beziehungsweise die Konzernleitung muss 100 Prozent hinter der Idee stehen.
  • Um einen hohen Level bei der Einführung sämtlicher Elemente zu erreichen, wird es sicher fünf Jahre benötigen.
  • Hohe Investitionen für Schulungsbedarf, Dokumentationen und für freigestellte Mitarbeiter sind notwendig.
  • Eine absolute Notwendigkeit ist die Kommunikation auf allen Ebenen, welche auf einem Kommunikationsplan basieren sollte.  
  • Das firmenspezifische Operating System sollte durch die eigene Belegschaft entwickelt werden, weil nur dadurch die Mitarbeiter das System annehmen und weiterentwickeln werden.

Eine Firmenkultur der Transparenz und offenen Kommunikation, bei welcher tägliches Messen der Kundenanforderungen Pflicht ist sowie die Aktionen verantwortungsvoll und die Vorgaben konsequent umgesetzt werden, sind die Basis für den Erfolg bei der Einführung eines Operating Systems.