Strategie & Management

Beschaffungsmanagement

Administration und Strategie im Einkaufsprozess optimieren

Längst nicht alle administrativen Aufgaben im Einkauf können von einem Sekretariat erledigt werden. Übernimmt der strategische Einkäufer jedoch zu viele solcher Arbeiten, entsteht das Dilemma, dass er aus Zeitmangel strategisch wichtige Aufgaben nicht mehr ausreichend erfüllen kann. Wie dieser Zielkonflikt zu lösen ist, zeigt folgender Beitrag.
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Administrative Tätigkeiten sind wenig strategisch, werden aber häufig mit hohen Entscheidungsträgern in Unternehmen assoziiert, weil diese einen admini­strativen Assistenten beschäftigen, der sich auch um den Terminkalender sowie die Reiseplanung des Vorgesetzten kümmert. Deshalb fällt vielen Mitarbeitenden sowie deren Managern in Unternehmen zum Thema «Assistenz im Einkauf» nur die Sekretärin des Einkaufsleiters ein. Dass aber auch im strategischen Einkauf eine Vielzahl von administrativen Aufgaben anfällt, die längst nicht alle von einem Sekretariat erledigt werden können, bleibt dabei aber oftmals unberücksichtigt.

Die Problematik

Stattdessen wird darauf verwiesen, dass die Problematik der unterschiedlichen strategischen und operativen Anforderungen im Einkauf bereits durch eine organisatorische Trennung in einen operativen (Bestellprozess) und einen strategischen Einkauf (Sourcing und Lieferantenmanagement) gelöst wurde. Dass  eine solche Trennung zielführend ist, steht hierbei ausser Frage. Was jedoch gerne übersehen wird, ist, dass einige administrative Tätigkeiten (zum Beispiel das Erfassen von Kontaktdaten für Lieferantenlisten bei Ausschreibungen einer bestimmten Warengruppe im Rahmen des Sourcing-Prozesses) in vielen Unternehmen durch «strategische» Einkäufer ausgeführt werden. Dies führt gleich zu zwei Problemen, weil entweder

  • strategisch wichtige Aufgaben nicht (vollständig) erledigt werden, weil es an Zeit dafür fehlt
  • oder administrative Tätigkeiten nicht konsequent abgearbeitet werden.

Ein eindrucksvolles Beispiel für strate­gische Aufgaben, die aufgrund der notwendigen administrativen Aufgaben zu kurz kommen, ist das Einbeziehen neuer Lieferanten in die Ausschreibungen. Hat sich der strategische Einkäufer dazu entschlossen, eine umfassende Marktbetrachtung durchzuführen und hierfür eine Vielzahl von Lieferanten für seine Ausschreibung zu berücksichtigen, um den Wettbewerb zu fördern, fehlt es ihm dann oftmals an Zeit und an der Motivation, bei allen angeschriebenen Lieferanten persönlich anzurufen und diese zu einer Preisabgabe im Rahmen der Ausschreibung zu ermutigen.

Tatsächlich kann eine hohe Teilnahmequote in den meisten Ausschreibungen nur durch persönlichen Kontakt gewährleistet werden. Das hier bereits erkennbare Dilemma wird dadurch, dass bis zu einem Drittel der Aufgaben im strategischen Einkauf administrativer Art sind, noch deutlicher. Kurz: Es besteht Handlungsbedarf. Dies führt zur Frage, wie es Unternehmen schaffen können, dass ihre strategischen Einkäufer sich tatsächlich nur mit strategischen Aufgaben beschäftigen, anstatt im Tagesgeschäft «in administrativen Aufgaben unterzugehen».

Eine Lösung

Eine Lösung ist das «Herausschneiden» aller administrativen Tätigkeiten im strategischen Einkauf und die Bündelung dieser Aufgaben in der Abteilung «Administration». So kann das Ziel erhöhter Effizienz sowie Effektivität des strategischen Einkaufs erreicht werden. Der Ef­fizienzvorteil zielt darauf ab, dass die vorher von einem strategischen Einkäufer erledigten administrativen Aufgaben nun von einer kostengünstigeren und auf administrative Aufgaben spezialisierten Assistenzkraft erledigt werden.

Der Effektivitätsvorteil ergibt sich daraus, dass im Regelfall die administrative Aufgabe durch die Assistenz motivierter und verlässlicher durchgeführt wird als durch den strategischen Einkäufer. Der wiederum kann sich seinen eigentlichen Aufgaben ohne Unterbrechung widmen und mehr bewirken. Um so weit zu kommen, sind die administrativen Aufgaben genau zu definieren und die zu ihrer Erledigung notwendigen Qualifikationen in einem Anforderungsprofil zusammenzufassen. Allen Betroffenen, sowohl dem Einkaufsstrategen als auch dem administrativen Mitarbeiter und ihren Kollegen, hilft ein Praxisbeispiel, die veränderte Aufgabe zu verstehen.

Administration im Prozess

Im Zuge des strategischen Einkaufs fallen in allen fünf Prozessschritten administrative Aufgaben an. In der Abbildung werden die administrativen Aufgaben am Beispiel des ersten und vierten Prozessschritts dargestellt (siehe Abbildung).

  • Im ersten Schritt des strategischen Einkaufsprozesses (Bedarfsanalyse) kann die Assistentin durch kontinuierliche Spezifikationspflege einen wertvollen Beitrag zur Effizienzsteigerung leisten. Diese selbstverständlich erscheinende Aufgabe wird in der Praxis, insbesondere in Warengruppen, deren Spezifikationen sich häufig in Details ändern (zum Beispiel in Verpackungswarengruppen), meistens nicht ausreichend wahrgenommen.
  • Im vierten Schritt (Lieferantenanalyse und -auswahl) übernimmt die Assistentin im Rahmen einer Ausschreibung den telefonischen Kontakt mit sämtlichen Lieferanten der Anbieterliste. Einen weiteren Beitrag zur Zeitersparnis liefert die Assistenz durch die Koordination interner und externer Termine, zum Beispiel für die Verhandlungen mit den Lieferanten.

So kann sich der strategische Einkäufer besser auf die wirklich wichtigen Lieferanten und Angebote konzentrieren. Dies erweist sich vor allem bei grossen Ausschreibungen mit vielen Lieferanten als vorteilhaft.

Profil der Einkaufsassistenz

Sobald sich Assistenz und strategische Einkäufer zu einem eingespielten Team entwickelt haben, sparen die strategischen Einkäufer viel Zeit gegenüber ihrer bisherigen vielfältigen Tätigkeiten ein.Dazu müssen zunächst Aufgaben und Verantwortungen klar abgegrenzt sein und ein Anforderungsprofil für die Assistenzkraft erstellt werden. Zu den wichtigsten Punkten eines solchen Anforderungsprofils gehören:

  • Sehr gute Kommunikationsfähigkeiten
  • Zuverlässige und strukturierte
  • Arbeitsweise
  • Gute PowerPoint-/Word-Kenntnisse
  • Basiskenntnisse in Excel
  • Sekretariatserfahrung

Folgende Qualifikationen wären ebenfalls von Vorteil:

  • Erfahrung im Einkauf
  • Adäquate kaufmännische Ausbildung (zum Beispiel Bürokauffrau)
  • Basis SAP-Kenntnisse

Praxisbeispiel

Für einen renommierten Nahrungsmittelproduzenten wurde eine grosse Ausschreibung für strategisch wirksame Verpackungen durchgeführt. Neben dem Geschmack, dem Preis und der Platzierung im Regal ist die Verpackung (Material, Form und Gestaltung) ein wichtiger Verkaufshebel für Lebensmittel.

Entsprechend wichtig war es, qualitativ hochwertige Angebote zu erhalten, die im Wettbewerb mit den derzeitigen Lieferanten bestehen beziehungsweise bestehen würden. Gleichzeitig war der Anreiz für einen alternativen Produzenten vergleichsweise gering, da die notwendigen Investitionskosten (der Bau von Werkzeugen für die Produktion) sehr hoch waren. Daher musste die Vergabe eines bestehenden Sortiments an einen neuen Lieferanten gut überlegt sein. Um trotzdem Wettbewerb in diesem Markt zu erzeugen, wurde die neue Ausschreibung an mehr als 50 Lieferanten in ganz Europa versendet.

Alle Anbieter erhielten damit die Möglichkeit, im Rahmen der Ausschreibung anzukreuzen, welche Artikel sie als Muster zugesendet bekommen möchten.

Um diesen Service zu gewährleisten und mit allen Lieferanten in ständigem Kontakt zu bleiben, kam der Assistenz eine wichtige Rolle zu. Die per E-Mail eingetroffenen Musterbestellungen mussten zum einen zeitnah ans Lager weitergegeben werden, zum anderen musste eine Übersichtsdatei gepflegt werden, aus der hervorging, welche Artikel wie oft an­gefordert wurden. Das ermöglichte bereits vor Erhalt des ersten Angebots eine Prognose darüber, welche Artikel für alter­native Lieferanten von besonderem Interesse waren. Darüber hinaus war es die Aufgabe der Assistenz, den (telefonischen) Kontakt mit allen Anbietern zu halten und Rückfragen – soweit diese keinen spezifisch technischen Hintergrund hatten – direkt zu beantworten.

Fazit

Als Ergebnis hatte die Ausschreibung – trotz der hohen Investitionskosten auf der Seite der Lieferanten – eine Rücklauf­quote von über 50 Prozent. Nur durch die klare Trennung zwischen den strategischen und den administrativen Aufgaben konnten die Effizienz und die Effektivität beim Durchlaufen des strategischen Einkaufsprozesses beim einkaufenden Unternehmen deutlich gesteigert werden. Jene Unternehmen, die Einsparungen und/oder Verbesserungen erzielen wollen, sollten deshalb erwägen, ob sich ein ähnliches Vorgehen nicht vielleicht auch für sie lohnen würde.

Porträt