Recht

Arbeitsrecht

Zur Entlassung älterer Mitarbeitender

Steht die Entlassung älterer Mitarbeitender an, stellen sich die Arbeitgeber oft die Frage, ob und in welchem Umfang sie die Betroffenen finanziell unterstützen können. Eine gute Aufklärung und Beratung der Mitarbeitenden ist unabdingbar, damit sie die Entscheidung zwischen Arbeitgeberkündigung und vorzeitiger Pensionierung fällen können.
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Ältere Mitarbeitende sprechen oft davon, dass sie bald «pensioniert werden». Pensionierung meint die Berentung einer Person infolge Erreichung des ordentlichen Pensionsalters. Diese Redewendung kann aber zu falschen Schlüssen führen. Denn erstens wird ein Arbeitsverhältnis nicht allgemein mit dem Erreichen des Pensionsalters beendet und zweitens kann der Mitarbeitende selber ein Stück weit mitentscheiden, ob und wann er «pensioniert wird». 

Keine automatische Beendigung

Umgangssprachlich wird mit der Pensionierung zwar meistens die Beendigung der Erwerbstätigkeit gemeint, das Erreichen des Pensionsalters und die Aufgabe der Erwerbstätigkeit können aber durchaus zeitlich auseinanderklaffen. Schliesslich ist das Erreichen des Pensionsalters auch kein automatischer Beendigungsgrund eines Arbeitsverhältnisses. Zwar ist auch diesbezüglich die Meinung weit verbreitet, dass mit der Rentenberechtigung das Arbeitsverhältnis beendet sei. 

Das ist aber genau nicht so, es sei denn, das Arbeitsverhältnis sei auf diesen Zeitpunkt hin befristet gewesen oder aber die Anstellungsbedingungen sehen eine automatische Beendigung vor. Ist das aber nicht vorgängig geregelt, muss das Arbeitsverhältnis zwingend aufgelöst werden. Ob dies einseitig durch eine Kündigung oder gemeinsam mittels Aufhebungsvereinbarung erfolgt, hängt von den Umständen ab. Es kommt durchaus vor, dass der Arbeitgeber den Mitarbeitenden anweist, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Das ist zwar juristisch korrekt, wird aber von den Mitarbeitenden verständlicherweise als herabwürdigend empfunden. 

Nicht ohne Vorankündigung

Auch wenn politisch viel diskutiert, gilt aktuell für ältere Mitarbeitende kein besonderer gesetzlicher Kündigungsschutz. Vor fünf Jahren hat aber das Bundesgericht mit seiner Rechtsprechung faktisch eine Sozialpflichtigkeit der Kündigung bei älteren Mitarbeitenden eingeführt. So wurde entschieden, dass nicht nur die Kündigungsgründe an sich eine Missbräuchlichkeit darstellen können, sondern auch die Umstände einer Kündigung oder die wirtschaftlichen Folgen einer Kündigung diese an sich zu einer missbräuchlichen Kündigung machen. In der Praxis bedeutet dies, dass die Kündigung eines älteren Mitarbeitenden nicht ohne eine Vorankündigung erfolgen darf. Der Arbeitgeber muss den Mitarbeitenden rechtzeitig über die beabsichtige Kündigung informieren und ihn dazu anhören. Idealerweise verbindet man diese Information mit einer Aufklärung, welche Möglichkeiten dem Mitarbeitenden offenstehen. Insbesondere die finanzielle Situation einer vorzeitigen Pensionierung sollte dem Mitarbeitenden dargelegt und erläutert werden. Die Thematik ist komplex – wer sich noch nicht definitiv mit dem Thema vorzeitige Pensionierung befasst hat, wird Abklärungen führen müssen und Bedenkzeit benötigen.

Letztendlich ist aber eine Kündigung vor der Pensionierung an sich nicht unmöglich – auch dann nicht, wenn diese missbräuchlich ist. Missbräuchlichkeit ermöglicht dem Gekündigten lediglich eine Entschädigungszahlung, nicht aber die Ungültigkeit der Kündigung geltend machen zu können. Die Höhe der Entschädigungszahlung kann bis zu sechs Monatslöhne betragen und wird je nach den konkreten Umständen vom Gericht festgelegt. 

Vorzeitige Pensionierung 

Ab wann eine vorzeitige Pensionierung möglich ist und unter welchen Bedingungen, gibt nicht der Arbeitgeber, sondern die Pensionskasse vor. In eine vorzeitige Pensionierung, also den Bezug der Pensionskassenrente, muss der Mitarbeitende einwilligen – sie kann ihm nicht gegen seinen Willen aufgezwängt werden. Ob man sich eine vorzeitige Pensionierung leisten kann, hängt von den persönlichen Verhältnissen ab. Arbeitgeber, die älteren Mitarbeitenden kündigen müssen, bieten oft freiwillige Zahlungen an, die einen Teil der Einbussen ausgleichen sollen. Für den betroffenen Mitarbeitenden bedeutet dies, dass er sich zwischen Arbeit­geberkündigung mit allfälligen Sozialplanleistungen und der einvernehmlichen Vertragsauflösung im Zusammenhang mit der vorzeitigen Pensionierung entscheiden muss. Der Arbeitgeber tut gut daran, die Möglichkeiten vorgängig mit der Pensionskasse abzuklären und dem Mitarbeitenden ein konkretes, mit einer individuellen Berechnung hinterlegtes Angebot zu unterbreiten. 

Wird im Rahmen einer Massenentlassung den älteren Mitarbeitenden die Möglichkeit einer vorzeitigen Pensionierung geboten und wird bei dessen Annahme das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst, sind diese Arbeitsverhältnisse, nach herrschender Lehrmeinung, in die Quoten der Massenentlassung miteinzurechnen, auch wenn vorgängig keine Kündigung ausgesprochen wurde. Anders wäre es lediglich dann, wenn die vorzeitige Pensionierung auf Wunsch des Mitarbeitenden gewählt wurde. Ordentliche Pensionierungen innerhalb der Phase der Massenentlassung sind dagegen nicht einzurechnen.

Interessant ist auch die Frage, ob im Falle einer vorzeitigen Pensionierung der Sperrfristenschutz ebenfalls gilt. Vom Grundsatz her löst eine Arbeitsunfähigkeit nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages keine Sperrfrist aus. Es sei denn, der Aufhebungsvertrag sei ausschliesslich zu diesem Zweck geschlossen worden. Dies trifft meines Erachtens bei der vorzeitigen Pensionierung nicht zu. Ist diese vom Mitarbeitenden selbst gewählt, fehlt der Schutztatbestand. Ist dagegen die vorzeitige Pensionierung vom Arbeitgeber initiiert worden und zahlt er in diesem Zusammenhang freiwillige Leistungen, so fehlt es auch in diesem Fall am Schutzinteresse. Deshalb gilt meines Erachtens bei vorzeitiger Pensionierung kein Sperrfristenschutz. 

Sozialversicherungen 

Und schliesslich darf beim Austritt eines Mitarbeitenden infolge einer vorzeitigen Pen­sionierung nicht vergessen werden, ihn hinreichend über die Deckung und die Übertrittsmöglichkeiten betreffen Unfall- und Krankentaggeldversicherung zu informieren. 

Eine vorzeitige Pensionierung lässt dem Mitarbeitenden immer noch verschiedene Optionen offen. Spricht man von einer vorzeitigen Pensionierung, ist in der Regel der vorzeitige Bezug von Altersleistungen in Form einer Rente gemeint. Doch auch der Austritt aus der Pensionskasse durch Bezug der Freizügigkeits­leistung ist möglich. Ob sich ein Versicherter für die Rente oder das Kapital entscheidet, hängt von seiner persönlichen Sit­u­ation ab und weniger davon, welche freiwilligen Leistungen der Arbeitgeber bietet. Vorzeitig Pensionierte können überdies auch Arbeitslosenentschädigung beantragen. 

Bei einem gleichzeitigen Rentenbezug ist das aber nur dann möglich, wenn der Versicherte nicht freiwillig in die vorzeitige Pensionierung ging. Dies ist dann der Fall, wenn jemand aus wirtschaftlichen Gründen oder aufgrund zwingender
Regelungen im Rahmen der beruflichen Vorsorge vorzeitig pensioniert wurde.

Die Altersleistung wird dann mit der Arbeitslosenentschädigung verrechnet und dem Versicherten wird die Differenz bezahlt. Gleichwohl muss sich der Versicherte bei dieser Variante um eine neue Stelle bemühen, wenn er den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung nicht verlieren will. 

Die Bezugsdauer ist übrigens vier Jahre vor Erreichen des AHV-Alters sogar verlängert und beträgt insgesamt 640 Taggelder, anstatt der ordentlichen 520. Erhält der Mitarbeitende vom Arbeitgeber eine einmalige Austrittsentschädigung, dann gilt hinsichtlich der Arbeitslosenkasse ein Freibetrag von 148 200 CHF (Stand 2019), in dessen Umfang der Anspruchsbeginn der ALK-Taggelder nicht hinausgeschoben wird. Demgegenüber werden Abgangsentschädigungen, welche vom Arbeitgeber in die Pensionskasse des Mitarbeitenden einbezahlt werden, bis maximal 85 320 CHF (Stand 2019), nicht als Lohnersatz behandelt. 

Je nach Höhe der Austrittsentschädigung des Arbeitgebers, erstreckt sich also die Anspruchsberechtigung aus Arbeits­losenentschädigung. Austrittsentschädigungen, welche einen Vorsorgecharakter haben, werden übrigens nicht als Einkommen besteuert.

Frühzeitige Pensionierung und Bezug der AHV-Rente sind getrennt voneinander zu betrachten. Es entscheidet der Mitarbeitende, wann er die AHV-Rente beziehen will. Er kann diese vorbeziehen oder den Bezug hinausschieben, ganz unabhängig davon, ob er (vorzeitig) pensioniert wird. 

Die Konditionen einer vorzeitigen Pensionierung und die Zuschüsse des Arbeitgebers sind sehr unterschiedlich. Beide Parteien – Arbeitnehmer und Arbeitgeber – müssen gut prüfen, ob die vorzeitige Pension finanzierbar ist. Allen Fällen gemeinsam ist der hohe Informations­bedarf. Der aktive Beizug der Pensionskasse und die Vorlage konkreter Berechnungsmodelle sind daher immer von grosser Wichtigkeit.

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