Recht

Arbeitsrecht I

Zeiterfassung: Die neuen Regelungen

Um das Arbeitsgesetz wirtschaftlichen Realitäten anzupassen und mehr Flexibilität bei der Arbeitszeiterfassung zu ermöglichen, hat der Bundesrat die Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz revidiert. Die neuen Regelungen sind am 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Eine Übersicht.
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Bereits vor einigen Jahren stellte der Gesetzgeber fest, dass das Arbeitsgesetz, welches eine lückenlose und detaillierte Erfassung der geleisteten Arbeitszeit vorschreibt, mit der realen Arbeitswelt nicht mehr übereinstimmt. Die örtliche und zeitliche Flexibilität zahlreicher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfordert auch mehr Spielraum bei der Arbeitszeiterfassung. Diesem Bedürfnis der Wirtschaft trug das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) Rechnung, indem es auf den 1. Januar 2014 eine neue Weisung zur Arbeitszeiterfassung erliess. In der Zwischenzeit hat der Bundesrat die Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz den Realitäten angepasst. Die neuen Regelungen sind am 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Die Weisung des Seco vom 1. Januar 2014 gilt noch bis Ende 2016, jedoch nur für Betriebe, die die Weisung bereits umgesetzt haben.

Arbeitnehmerkategorien

Die Einhaltung der Arbeitszeiterfassung wird durch die Vollzugsbehörden des Arbeitsgesetzes – auf Bundesebene durch das Seco und im Kanton Luzern durch die Dienststelle für Wirtschaft und Arbeit (wira) – überprüft. Die Unternehmen trifft diesbezüglich eine Dokumentationspflicht. Die Arbeitszeit muss jedoch nicht von allen Arbeitnehmenden gleich erfasst werden. Wie die Weisung des Seco sieht auch die neue Regelung drei Kategorien von Arbeitnehmenden vor:

  1. Arbeitnehmende ohne Arbeitszeiterfassung
  2. Arbeitnehmende mit vereinfachter Arbeitszeiterfassung
  3. Arbeitnehmende mit vollständiger Arbeitszeiterfassung

Arbeitnehmende ohne Arbeitszeiterfassung

Von der Erfassungspflicht befreit sind zunächst Arbeitnehmende, die aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen nicht in den Anwendungsbereich des Arbeitsgesetzes fallen. Es handelt sich hierbei lediglich um Topkadermitglieder. Darunter sind Mitarbeitende zu verstehen, die aufgrund ihrer Stellung und Verantwortung über weitreichende Entscheidungsbefugnisse verfügen und / oder Entscheide von gros­ser Tragweite massgeblich beeinflussen können.

Mit Einführung der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz per 1. Januar 2016 können weitere Arbeitnehmende von der Pflicht, ihre Arbeitszeit zu erfassen, ausgenommen werden. Dazu müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer muss bei der Arbeit über gros­se Autonomie verfügen und die Arbeitszeit mehrheitlich, das heisst zu mindestens 50 Prozent, selbst festsetzen können. Es genügt dabei nicht, gleitende Arbeitszeiten zu haben, vielmehr ist individuell zu schauen, inwiefern zwingende Präsenzzeiten die Autonomie einschränken.
  • Zusätzlich muss das Bruttojahresgehalt mindestens 120 000 CHF (einschliesslich Boni) betragen. Bei Teilzeitangestellten wird dieser Betrag anteilsmäs­sig reduziert.
  • Ferner muss über den Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung eine schriftliche Vereinbarung mit jeder betroffenen Arbeitnehmerin und jedem betroffenen Arbeitnehmer bestehen. Diese individuelle Vereinbarung kann jährlich auf Ende Jahr widerrufen werden.
  • Der Verzicht auf eine Arbeitszeiterfassung muss schliesslich in einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) vorgesehen sein. Um das Risiko einer übermässigen Arbeitsbelastung zu reduzieren, ist im GAV der Bezug von Pausen und Ruhezeiten zu regeln. Zudem muss das Unternehmen verpflichtet werden, eine interne Anlaufstelle für Fragen zur Arbeitszeiterfassung zu bezeichnen.

Die soeben aufgelisteten Kriterien zeigen, dass die Ausnahmen von der Arbeitszeit­erfassung sehr eng umschrieben sind. Dies führt dazu, dass wahrscheinlich weniger als zehn Prozent der Arbeitnehmenden neu auf die Arbeitszeiterfassung verzichten können.

Arbeitnehmende mit vereinfachter Arbeitszeiterfassung

Bereits die Weisung des Seco kannte die vereinfachte Arbeitszeiterfassung. Teilweise haben sich jedoch die Bedingungen geändert, unter denen eine vereinfachte Arbeitszeiterfassung zulässig ist. Vereinfachte Arbeitszeiterfassung bedeutet, dass grundsätzlich nur die geleistete tägliche Arbeitszeit erfasst werden muss. Einzig bei Nacht- und Sonntagsarbeit sind zusätzlich der Anfang und das Ende des Arbeitseinsatzes zu dokumentieren. Dazu müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin muss die Arbeitszeit zu einem namhaften Teil, das heisst zu mindestens 25 Prozent, selbst festsetzen können. Damit sind die Anforderungen an die Autonomie der Arbeitnehmenden weniger hoch als für den gänzlichen Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung, jedoch gilt auch hier, dass gleitende Arbeitszeiten alleine nicht genügen.
  • Zudem muss eine Vereinbarung über die vereinfachte Arbeitszeiterfassung mit der Arbeitnehmervertretung oder, wo keine solche besteht, mit der Mehrheit der Arbeitnehmenden eines Betriebs bestehen. Ein Gesamtarbeitsvertrag ist jedoch nicht notwendig. Hat ein Unternehmen weniger als 50 Arbeitnehmende, kann eine entsprechende Vereinbarung auch zwischen den einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber direkt abgeschlossen werden. Die Vereinbarung hat schriftlich zu erfolgen und es ist auf die geltenden Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen hinzuweisen. Zusätzlich muss jährlich ein Endjahresgespräch zur Arbeitsbelastung geführt und dokumentiert werden.
  • Schliesslich hat der Arbeitgeber ein geeignetes Instrument zur Verfügung zu stellen, um jenen Arbeitnehmenden, welche trotz der vereinfachten Arbeitszeiterfassung ihre Arbeitszeit vollständig registriert haben wollen, dies auch zu ermöglichen.

Arbeitnehmende mit vollständiger Arbeitszeiterfassung

Wie bis anhin haben auch nach dem Inkrafttreten der Neuerungen sämtliche Arbeitnehmenden, welche die zuvor genannten Voraussetzungen nicht erfüllen  – und das ist die grosse Mehrheit der Angestellten – eine umfassende Arbeitszeit­erfassungspflicht.

Die Dokumentationspflicht

Die neuen Regelungen wirken sich auch auf die Dokumentationspflicht der Arbeitgeber aus. Damit die Vollzugsbehörden kontrollieren können, dass das Arbeitsgesetz eingehalten wird, müssen die Arbeitgeber die einzelnen Voraussetzungen, die es ihnen erlauben, von der regulären Arbeitszeiterfassung abzuweichen, dokumentieren.

Konkret heisst das, dass bei einem Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung der Gesamtarbeitsvertrag vorgelegt werden muss, in welchem ein solcher Verzicht vorgesehen ist. Darüber hinaus ist ein Verzeichnis mit den Bruttolohnangaben jener Arbeitnehmenden zu führen, die auf die Arbeitszeiterfassung verzichtet haben. Und schliesslich sind auch die individuellen Vereinbarungen mit den betroffenen Arbeitnehmenden zur Verfügung zu stellen.

Wird in einem Betrieb die Arbeitszeit vereinfacht erfasst, muss der Arbeitgeber die Gesamtdauer der täglich geleisteten Arbeit sowie die Vereinbarung mit der Arbeitnehmervertretung beziehungsweise den Arbeitnehmenden vorlegen können. Dort, wo individuelle Vereinbarungen mit den Arbeitnehmenden getroffen werden, muss zusätzlich eine Dokumentation der Endjahrsgespräche zur Arbeitsbelastung vorhanden sein.

Bei all jenen Arbeitnehmenden, welche die Arbeitszeit vollumfänglich zu erfassen haben, muss die  Dokumentation  des Arbeitgebers das Folgende enthalten: den Anfang sowie das Ende jeder Arbeitsphase, die Lage und die Dauer sämtlicher Pausen, die eine halbe Stunde oder länger dauern sowie die Ruhe- und die Ersatzruhetage.

Fazit

Nach der Weisung des Seco kommt es mit der neuen Regelung zu einer weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeiterfassung. Aufgrund der zahlreichen gesetzlichen Vorgaben und den unterschiedlichen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um von der vollständigen Arbeitszeiterfassung abweichen zu können, dürfte die konkrete Umsetzung jedoch für viele Arbeitgeber weiterhin eine Herausforderung bleiben. Bei Fragen rund um die neuen Möglichkeiten der Arbeitszeiterfassung kann es darum sinnvoll sein, einen Experten zu Rate zu ziehen.

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