Recht

Handelsabkommen

Wohin zielt das Freihandelsabkommen TTIP?

Das Transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) wird in der Öffentlichkeit stark kritisiert. Die Verhandlungen, zuletzt im Dezember 2013, sind geheim und nur selten sickern Informationen durch.
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Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) soll ein Handelsabkommen werden, das derzeit zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten ausgehandelt wird. Das Ziel ist die Beseitigung von Handelshemmnissen in einem breiten Spektrum von Branchen und damit die Erleichterung des Kaufs und Verkaufs von Waren und Dienstleistungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten. So lautet die offizielle Information der Europäischen Kommission. Die Idee eines Handelsabkommens zwischen der EU und den USA ist keineswegs neu. In den letzten Jahren gelangten die Politiker der EU und die USA zu der Auffassung, dass die Zeit dafür reif sei. Aufgrund des TTIP soll eine Transatlantische Freihandelszone (Transatlantic Free Trade Area TAFTA) nach Vorbild des europäischen Binnenmarktes entstehen.

Economiesuisse warnt

Auf dem Gebiet der Handelspolitik verhandelt die Europäische Kommission im Namen der EU und ihrer 27 Mitgliedstaaten. Es sei wirksamer, wenn eine Stimme für 500 Millionen Menschen spreche, als wenn jeder Mitgliedstaat versuchte, separat zu verhandeln.

Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten zitierten folgende Stellungnahme der Economiesuisse: «Die USA sind nach der EU der zweitwichtigste Exportmarkt der Schweiz. Wenn die EU und die USA ein Freihandelsabkommen abschliessen würden, dann könnte dies zu einer Diskriminierung von Schweizer Exportunternehmen führen.» Schweizer Unternehmen würden dann beim Zutritt zum US-Markt schlechteren Bedingungen unterliegen als ihre europäischen Konkurrenten. Jan Atteslander, Leiter Aussenwirtschaft bei Economiesuisse, meinte: «Es gibt kaum eine Branche, die nicht von dem Abkommen betroffen wäre.»

Befürworter in der Schweiz

Auch die NZZ publizierte einen kritischen Artikel des Ökonomen Heribert Dieter: «Politik und Wirtschaftsverbände sind begeistert von den Möglichkeiten eines gemeinsamen transatlanti­schen Wirt-
schaftsraums. Aber bei genauer Betrachtung ist dieses Projekt ein Irrweg. Der wirtschaftliche Nutzen ist begrenzt, der politische Schaden dagegen immens.» Viele der Präferenzabkommen seien als Schutz vor der Konkurrenz gedacht. Die Transatlantische Freihandelszone diene defensiven Zwecken. Man versuche ein Handelsregime unter Ausschluss Chinas und anderer Schwellenländer zu schaffen. Die USA und die EU würden mit der Schaffung einer Freihandelszone Verrat an ihren eigenen Idealen begehen.

«Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) – ein transatlantisches Freihandelsabkommen, das den beteiligten Handelspartnern EU und USA Zoll und Barrierefreiheit garantiert, wird hoffentlich nicht durch die Abhörpraktiken der NSA und deren politischen Auswirkungen konterkariert oder auch nur verzögert», heisst es auf der Webseite von Swiss X Trade. Die Organisation versteht sich als «Asset Manager für Risikomanagement und Renditeoptimierung im Währungs- und Zinshandel». Das Abkommen wäre die rechtliche Absicherung beider Vertragsparteien für einen ungehinderten wirtschaftlichen Austausch. Zölle und auch nichttarifäre Handelshemmnisse, wie beispielsweise Ein- oder Ausfuhrverbote, würden entfallen.

Die Dimension eines TTIP-Abkommens wäre, so ist Swiss X Trade überzeugt, unübertroffen: 50 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung bei nur 11,8 Prozent der Weltbevölkerung. Der Handel zwischen beiden Vertragspartnern würde um durchschnittlich 79 Prozent steigen. Weitere Argumente sind: Mehr Wettbewerb, günstigere Preise, neue Arbeitsplätze und höhere Einkommen in den betreffenden Ländern, siehe nachfolgende Kästen.

Auch bei der X Trade ist man sich dessen bewusst, dass vom Abkommen ausgeschlossene Drittstaaten in der EU und den USA Marktanteile verlieren würden, weil eben ihre Produkte nicht von den niedrigen Handelskosten profitieren. «Wenn die Liberalisierung zwischen den Vertragspartnern rein bilateral wirkt, dann wären die Wohlfahrtseinbussen dieser Länder beträchtlich.»

Proteste gegen das Abkommen

In der EU – nicht zuletzt auch in Deutschland – formiert sich der Protest. Die meisten Kommentare im Internet richten sich gegen das Abkommen. Campact, ein Verein, der sich für Transparenz in der Politik engagiert und Petitionen organisiert, lancierte Mitte Dezember eine Unterschriftensammlung gegen das Abkommen. Begründung: «Durchgesickerte Papiere zeigen, dass die Unterhändler die grössten Wünsche der Konzerne erfüllen wollen. Gen-Essen, privatisierte Trinkwasserversorgung, das Fracking oder der laxe Datenschutz – das Abkommen soll ungebremste Profite damit ermöglichen. Auf demokratischem Wege wäre das nie möglich. Nun soll es ein Vertrag richten, der im Geheimen ausgehandelt wird.»

Die Deutsche Piratenpartei weist auf geleakte Dokumente der NGO Corporate Europe Observatory hin. Mit der regulatorischen Kooperation soll nach dem Willen der Delegationen ein Mechanismus etabliert werden, der Konzernen, Verbänden und anderen Stakeholdern ein verbindliches Mitspracherecht bei der Erstellung von Gesetzesentwürfen noch vor dem Beginn des Gesetzgebungsprozesses einräumt. Die Piratenpartei betrachtet das als Ausknopf für die Demokratie. Aber Protest kommt auch aus den USA. «Das gesamte TTIP-Tafta-Projekt gleicht dem Monster aus einem Horrorfilm, das durch nichts totzukriegen ist», schrieb Lori Wallach, Verbraucherschützerin in den USA, für Le Monde diplomatique. «Denn die Vorteile, die eine solche Wirtschafts-Nato den Unternehmen bieten würde, wären bindend, dauerhaft und praktisch irreversibel, weil jede einzelne Bestimmung nur mit Zustimmung sämtlicher Unterzeichnerstaaten geändert werden kann ... Ein solches Abkommen würde die nationalen Regierungen bis hinunter zu den Kommunalverwaltungen verpflichten, ihre aktuelle und künftige Innenpolitik dem umfangreichen Regelwerk anzupassen.»

Ablehnung gefordert

Das Europäische Parlament hat das Ecologic Institut und BIO IS beauftragt, die möglichen Auswirkungen des sogenannten «Transatlantic Trade and Investment Partnership» (TTIP)-Abkommens auf die europäische Umwelt- und Lebensmittelsicherheitspolitik zu untersuchen. Die Autoren der Studie stellen fest, dass das Europäische Parlament die Zustimmung zu dem Abkommen verweigern sollte. Zusätzlich sollte das Europaparlament dazu beitragen, mehr öffentliches Bewusstsein bezüglich der TTIP-Verhandlungen und ihrer Auswirkungen zu schaffen und eine politische Debatte auslösen. Die Autoren empfehlen dem Europäischen Parlament, sehr genau auf die spezifische Formulierung von Regelungen zu Umwelt und Lebensmittelsicherheit sowie Investitionsschutz im endgültigen Vertragstext zu achten. Nur so liesse sich sicherstellen, dass die beiden beteiligten Parteien die Umwelt- und Verbraucherschutzstandards beibehalten können.

Die EU-Kommission bestreitet auf ihrer offiziellen Webseite, dass eine Gefahr für das Schutzniveau für Umwelt und Verbraucher besteht: «Unser hohes Schutzniveau hier in Europa steht nicht zur Debatte. Aber auch die USA nehmen den Schutz ihrer Bürgerinnen und Bürger sehr ernst. Sowohl die EU als auch die USA streben ein hohes Mass an Schutz für die Bürger an, gehen dabei aber unterschiedlich vor.» Auch die Kommission liess vor der Aufnahme der Verhandlungen eine Studie über die Folgenabschätzung durchführen. Diese beruhte unter anderem auf einem unabhängigen Bericht, den die EU beim Centre for Economic Policy Research (CEPR) in London in Auftrag gegeben hatte.

Geheim oder öffentlich?

Viel kritisiert wird, dass die Verhandlungen geheim ablaufen. «Damit Verhandlungen über den Handel erfolgreich verlaufen, bedarf es einer gewissen Vertrau­lichkeit – sonst würde man sich von den Mitspielern in die Karten schauen lassen», kann man der Webseite der EU-Kommission entnehmen. Die Kommission unterrichtet die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament über die Entwicklungen. Nach dem Abschluss der Verhandlungen wird das Abkommen durch die Vertreter der Mitgliedstaaten und das direkt gewählte europäische Parlament angenommen oder abgelehnt.

Dass die Geheimhaltung nicht der richtige Weg ist, hat die Europäische Kommission inzwischen offenbar begriffen, wie ein von der Corporate Europe Observatory (CEO) publiziertes durchgesickertes Dokument zeigt. Am 22. November 2013 organisierte die Europäische Kommission ein informelles Treffen mit den Repräsentanten der Mitgliedstaaten in Brüssel, um über Punkte bezüglich der Kommunikation zum Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen zu verhandeln. Dabei stellte man fest, dass eine überzeugende politische Kommunikation wesentlich für den Erfolg des Transatlantischen Freihandelsabkommens ist – sowohl um die Verhandlungsziele der EU zu erreichen als auch um sicherzustellen, dass das Abkommen ratifiziert wird.

Natürlich will man, dass die Öffentlichkeit einen positiven Eindruck von dem geplanten Abkommen erhält. Nicht zuletzt durch die Berichterstattung. TTIP sei «eine Initiative zur Schaffung von Wachstum und Arbeitsplätzen». Hingegen sei es kein Versuch, bestehende Regulierungen und Schutzmechanismen in Bereichen wie Gesundheit, Sicherheit und Umwelt zu unterwandern.

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