Dem Mitarbeiter Gestaltungsfreiräume geben, und als Arbeitgeber diese ebenfalls nutzen zu dürfen, das sind die wahren Motive für mehr Wunsch nach Arbeitszeitflexibilität. Um das erreichen zu können, kann ein Unternehmen, muss aber nicht, die Vertrauensarbeitszeit einführen. Gerade die Arbeitszeiterfassung dient nämlich hervorragend dazu, die Arbeitszeit zu gestalten und flexibel zu halten. Fragen, was denn Arbeitszeit überhaupt sei, kommen immer auf, unabhängig davon, ob die Arbeitszeit aufgezeichnet wird oder nicht.
Um Überstunden nicht ins Unermessliche wachsen zu lassen, braucht ein Unternehmen zwei Dinge. Erstens eine gute vertragliche Überstundenregelung und zweitens eine gute Arbeitszeitführung. Die reglementarische Ebene ist die Voraussetzung für die Eindämmung der Überstunden und sie muss so gewählt werden, dass sie zum Unternehmen passt. Wenn die Regeln klar sind, kann schliesslich Führungsverantwortung gelebt werden. Nur wenn ein Vorgesetzter die Arbeitszeiten seiner Mitarbeitenden kennt und darüber auch wacht, kann verhindert werden, dass unnötig viele Überstunden geleistet werden. Klar, es lässt sich einfach sagen, die Zeitwirtschaft in einem Unternehmen sei «bloss» eine Führungsfrage. Die Realität ist bekanntlicherweise immer etwas komplexer.
Elektronische Zeiterfassungssysteme bieten genug Möglichkeiten, dem Wunsch nach Arbeitszeitflexibilität zu entsprechen. Am Ende muss aber auch der Zeitsaldo immer von Menschen begutachtet werden. Immer muss ein Mensch daraus Massnahmen ergreifen, sei es, dass der Vorgesetzte seine Mitarbeitenden auffordert, mehr zu arbeiten, um ein Minussaldo auszugleichen, oder sei es, dass der Vorgesetzte seine Mitarbeitenden anhalten muss, keine Überstunden mehr zu leisten. Diese wichtige Führungsaufgabe kann nur ein Mensch übernehmen, und nur er kann erkennen, wenn ein Mitarbeitender beispielsweise überlastet ist. Um diese für das Gesamtunternehmen elementare Aufgabe wahrnehmen zu können, braucht es grundsätzlich keine Zeiterfassung. Sie dient aber sicher in der Umsetzung dieser Führungsaufgabe. Letztendlich ist es immer eine Frage der Unternehmenskultur.
Unternehmerischer Erfolg hängt nicht davon ab, wie lange die Mitarbeitenden arbeiten, sondern davon, wie sie arbeiten. Mit Spannung kann daher die Entwicklung in den nächsten Jahren beobachtet werden, wenn die junge Generation in den Arbeitsprozess einsteigt. Hier weiss man durch verschiedene Studien jetzt schon, dass junge Arbeitnehmende nicht mehr bereit sind, ganz selbstverständlich Überstunden zu machen, und sie verfügen längst nicht mehr über die Art von Arbeitgeberloyalität, wie sie heute noch verstanden und angetroffen wird. Letztendlich ist daher die Frage der Vertrauensarbeitszeit längst nicht mehr nur eine juristische oder strategische, sondern irgendwie auch eine gesellschaftliche.