Recht

Human Resources

Was beim Zuzug von Mitarbeitenden aus dem EU-Raum zu beachten ist

Ein Arbeitnehmer aus dem EU-Raum sucht in der Schweiz eine neue berufliche Herausforderung. Hat er mit seiner Suche Erfolg und findet er eine Arbeitsstelle in der Schweiz, so drängen sich auf Seiten des neuen Arbeitgebers mannigfaltige rechtliche Abklärungen auf. Im Vordergrund stehen dabei arbeits-, aufenthalts- und steuerrechtliche Fragen sowie Überlegungen zum Sozialversicherungsrecht.
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Da sich der Wirtschaftsstandort Schweiz im internationalen Wettbewerb nur mit Leistungen im oberen und obersten Qualitätsbereich durchsetzen kann, nimmt die Nachfrage der schweizerischen Unternehmen nach qualifizierten Arbeitskräften Jahr für Jahr zu. Dieses entsprechend qualifizierte Personal ist auf dem relativ kleinen schweizerischen Arbeitsmarkt jedoch nur im ungenügenden Ausmass vorhanden, weshalb die Schweiz künftig noch mehr auf den komplementären Arbeitsmarkt der EU angewiesen sein wird.

Die Personenfreizügigkeit

Dahingehend hat sich die Einführung des Personenfreizügigkeitsabkommens zwischen der Europäischen Union (EU) und der Schweiz per 1. Juni 2002 auf den schweizerischen Arbeitsmarkt positiv ausgewirkt. So vereinfacht das Personenfreizügigkeitsabkommen die Lebens- und Arbeitsbedingungen der EU/EFTA-BürgerInnen in der Schweiz und wird zudem ergänzt durch die gegenseitige Anerkennung von Berufsdiplomen, durch das Recht auf den Erwerb von Immobilien und die Koordination der nationalen Sozialversicherungssysteme.

Die wesentlichen Grundsätze des Abkommens sind die Gleichbehandlung der EU/EFTA-Bürger mit den schweizerischen Staatsangehörigen sowie der Schutz von erworbenen Ansprüchen gegenüber den Sozialversicherungen bei Aufnahme einer Arbeitstätigkeit in einem anderen Land.

Will nun aber ein Arbeitgeber effektiv Mitarbeitende aus dem Ausland beschäftigen, so ist es, ungeachtet der vorgenannten Vereinfachung, die das Personenfreizügigkeitsabkommen mit sich bringt, für ihn oftmals schwierig zu ermitteln, welche gesetzlichen Vorgaben er befolgen muss. Entsprechend wichtig ist es für den Arbeitgeber, sich vorgängig mit den relevanten Themen wie Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungsrecht, Sozialversicherungsrecht und Steuerrecht auseinanderzusetzen.

Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf EU/EFTA-BürgerInnen. Die bewilligungs- sowie sozialversicherungsrechtlichen Besonderheiten von Drittstaatenbürgern, unabhängig von deren Wohnsitz, werden demzufolge nicht aufgezeigt.

Bewilligung notwendig?

Was den bewilligungsrechtlichen Aspekt betrifft, so gilt es für den Arbeitgeber als Erstes zu klären, ob für den Stellenantritt des ausländischen Mitarbeitenden eine Arbeits- oder Aufenthaltsbewilligung einzuholen ist. Dabei existieren aus bewilligungsrechtlicher Sicht in der Schweiz verschiedene Kategorien von ausländischen Mitarbeitenden, wobei bei den europäischen Staatsangehörigen zwischen Bürgern der EU-25-Staaten und Bürgern von Bulgarien und Rumänien (EU-2) unterschieden wird.

Staatsangehörige der EU-25-Staaten benötigen keine fremdenpolizeiliche Arbeitsbewilligung. Innerhalb von 14 Tagen nach Ankunft in der Schweiz und vor Stellenantritt müssen sich die zukünftigen Arbeitnehmenden jedoch bei ihrer Wohngemeinde anmelden und in der Regel eine Aufenthaltsbewilligung beantragen, wobei bei Vorliegen eines Arbeitsvertrages Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung besteht. Grundsätzlich ist es dabei Sache der Arbeitnehmenden, sich nach ihrer Ankunft in der Schweiz bei der Einwohnerkontrolle ihres Wohnsitzes zu melden und ihren Aufenthalt zu regeln. Es ist in vielen Fällen aber empfehlenswert, das Gesuch bei der zuständigen Behörde, frühzeitig und vor Stellenantritt, durch den Schweizer Arbeitgeber einzureichen.

Keiner Aufenthaltsbewilligung bedürfen hingegen Arbeitnehmende, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, welches maximal 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr dauert. Diesfalls genügt es, dass der Arbeitgeber – im Rahmen eines Meldeverfahrens – den Mitarbeitenden vor Beginn der Tätigkeit bei der kantonalen Arbeitsmarktbehörde online anmeldet. Die Meldung hat sodann acht Tage vor dem vorgesehenen Arbeitsantritt in der Schweiz zu
erfolgen.

EU-2-Staaten

Mangels vollständiger Ausdehnung der Perso­nenfreizügigkeit auf alle EU-Staaten benötigen Arbeitskräfte aus Bulgarien und Rumänien nach wie vor eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung. Im Rahmen der Bewilligungserteilung werden dabei Zulassungsbeschränkungen wie der Inländervorrang sowie die Einhaltung der orts- und branchenüblichen Löhne geprüft. Zudem unterliegen Arbeitskräfte aus den EU-2-Staaten in der Regel einer Kontingentierung.

Das Gesuch um Arbeitsbewilligung hat der Arbeitgeber einzureichen und zwar bei der zuständigen Behörde in dem Kanton, in welchem sich der Einsatzort des Mitarbeitenden befindet. Der Arbeitgeber hat insbesondere darzulegen, dass er das Prinzip des Inländervorrangs beachtet hat, indem er aufzeigt, dass seine Rekrutierungsbemühungen auf dem inländischen Arbeitsmarkt erfolglos waren und keine entsprechenden Arbeitskräfte gefunden werden konnten. Diese sogenannten arbeitsmarktlichen Beschränkungen können von der Schweiz bis spätestens am 31. Mai 2016 weitergeführt werden.

Abschliessend sei darauf hingewiesen, dass sowohl die ausländischen Mitarbeitenden als auch die Schweizer Arbeitgeber mit einem Strafverfahren rechnen müssen, wenn die Mitarbeitenden ohne gültige Arbeits- und/oder Aufenthaltsbewilligung einer Erwerbstätigkeit nachgehen.

Sozialversicherungen

Sind die bewilligungsrechtlichen Rahmenbedingungen erfüllt und können demnach Arbeitskräfte aus dem Ausland beschäftigt werden, ist als einer der nächsten Schritte zu prüfen, welchem Sozialversicherungssystem der neue Mitarbeitende untersteht. Dabei gilt, dass Arbeitnehmer grundsätzlich nur dem Recht eines einzigen Staates unterstehen, auch wenn sie in mehreren Staaten arbeitstätig sind. In der Regel sind Arbeitnehmer in dem Land versichert, in welchem sie arbeiten (Erwerbsorts­prinzip). Ist die Person jedoch in mehreren Ländern gleichzeitig erwerbstätig, untersteht sie dem Versicherungssystem ihres Wohnsitzlandes, wenn sie auch dort arbeitet. Dabei wird das gesamte Einkommen erfasst, welches sowohl im Wohnsitzstaat als auch in den übrigen Erwerbsstaaten erzielt wird. Wohnt der Arbeitnehmende hingegen in keinem der Länder, in denen er erwerbstätig ist, erfolgt die Unterstellung in dem Land, in welchem er die Haupttätigkeit ausübt oder in welchem sich der Hauptsitz des Arbeitgebers befindet.

Für entsandte Mitarbeitende sowie für Personen, die in zwei oder mehreren Staaten gleichzeitig eine selbstständige/- und eine unselbstständige Tätigkeit ausführen, gelten wiederum andere Bestimmungen. Um abschliessend zu klären, in welchem Land die Sozialversicherungen der neuen Arbeitskraft tatsächlich abzurechnen sind, stellen sich für den Arbeitgeber somit folgende Fragen:

  • Nationalität des Arbeitnehmers? (EU/EFTA-Bürger oder Drittstaatsangehöriger)
  • Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers resp. der Familienangehörigen?
  • Erwerbstätigkeitsstaat(en) des Arbeitnehmenden?
  • Selbstständige oder unselbstständige Tätigkeit?

Folgt aus den Abklärungen, dass der Mitarbeitende dem schweizerischen Sozialsystem untersteht, so hat der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine Sozialversicherungsnummer zu beantragen und analog zu einem schweizerischen Mitarbeiter eine Anmeldung für die AHV, die berufliche Vorsorge und die Unfallversicherung vorzunehmen.

Fällt der Arbeitnehmende hingegen nicht unter das Sozialversicherungssystem der Schweiz, betrifft dies sämtliche obligatorischen Sozialversicherungszweige (AHV/ALV/IV/EO/MSE, FAK, BVG, UV BU/NBU). Grundsätzlich müsste sich der Arbeitgeber sodann bei der ausländischen Sozialversicherung als Arbeitgeber erfassen lassen und nach ausländischem Recht die Beiträge abrechnen. Es kann jedoch mit dem Arbeitnehmer vereinbart werden, dass dieser die Beiträge in seinem Wohnsitzstaat selber abrechnet. Die EU-Koordinationsregeln sehen jedoch vor, dass dem Arbeitnehmenden zusätzlich zum Lohn die Arbeitgeberbeiträge nach ausländischem Recht zu entrichten sind. Das Formular E-101 definiert, mit welchem Staat die Sozialversicherungsbeiträge abzurechnen sind.

Krankenversicherung

Im Gegensatz zu den hiervor bereits behandelten Themen ist der Arbeitgeber von Gesetzes wegen nicht verpflichtet, sich um die Krankenversicherung seiner Arbeitskräfte zu kümmern. Er hat auch keinerlei Informations- bzw. Kontrollpflicht.

Meist ist es aber auch im Interesse des Arbeitgebers, dass seine Arbeitnehmer korrekt versichert sind. Es wird deshalb begrüsst, wenn der Arbeitgeber seine Mitarbeiter über die Krankenversicherungspflicht in der Schweiz informiert. Dies umso mehr, als dass die krankenversicherungsrechtliche Zuordnung für Personen mit Wohnsitz in einem EU/EFTA-Land recht komplex ist. Zu diesen Informationen gehört auch der Hinweis, dass die obligatorische Krankenversicherung in der Schweiz zwar eine umfassende Grundversorgung bietet, bei vorübergehendem Auslandsaufenthalt eines der schweizerischen Versicherung unterstellten EU/EFTA-Bürgers allerdings nur Notfallleistungen gedeckt sind. Für weitergehende Leistungen sind dann Zusatzversicherungen erforderlich.

Familienzulagen

Eltern, die in der Schweiz erwerbstätig sind, haben grundsätzlich unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft Anspruch auf Familienzulagen; dies selbst dann, wenn die Kinder im Ausland wohnen. Arbeitet hingegen einer der beiden Elternteile im gleichen Land, wie das Kind lebt, so besteht in erster Linie Anspruch auf die Familienzulagen dieses Landes. Fällt die schweizerische Leistung jedoch höher als die ausländische aus, haben die Eltern zusätzlich einen Anspruch auf den entsprechenden Differenzbetrag (Differenzzulage).

Ungeachtet der Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers besteht in Fällen, wo dessen Ehegatte mit den Kindern im Ausland wohnt, für den Arbeitgeber oftmals die Schwierigkeit, die
notwendigen Informationen und Angaben einzuholen.

Quellensteuer

Im Rahmen der vorliegend andiskutierten Themen stellt sich für den Arbeitgeber nun noch die Frage, welche Vorkehrungen in steuerrechtlicher Hinsicht zu treffen sind.

Verfügt der Arbeitnehmer über keine Niederlassungsbewilligung, sind sämtliche Leistungen, die dieser aufgrund seiner Erwerbstätigkeit erhält, mit der Quellensteuer abzurechnen. Ebenfalls zu beachten ist, dass der un-beschränkt steuerpflichtige Mitarbeiter am Wohnort und nicht am Arbeitsort steuerpflichtig ist. Auf die Ausgestaltung der Tarife wirken sich neben dem Wohnkanton zudem auch die Familien- und Erwerbseinkommensverhältnisse aus.

Der Arbeitgeber ist in der Folge verpflichtet, periodisch ein Abrechnungsformular zu erstellen und die Steuerlast für die Mitarbeitenden aufgrund der vorliegenden Umstände einzuzahlen. Für dessen Mitwirkung kann der Arbeitgeber eine Bezugsprovision (2 – 4 %) von der jeweiligen Steuerlast in Abzug bringen.

Bei Verletzung der Verfahrenspflichten erfolgt eine Ermessenseinschätzung und es ist eine Busse zu entrichten. Der Arbeitgeber und nicht der Arbeitnehmende haftet, analog der AHV, für die korrekte Abrechnung der Quellensteuer und muss somit diese bei Falschberechnung nachzahlen. Hier kann insbesondere nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder bei Wegzug des Mitarbeitenden eine allfällige Rückforderung von Quellensteuern vom Mitarbeitenden unter Umständen problematisch werden.

Ein weitsichtiger Arbeitgeber weist seine Mitarbeiter zudem auf die Möglichkeiten einer Tarifkorrektur, beispielsweise bei Alimentenzahlungen, Beiträgen an Säule 3a oder Einkäufe in die Pensionskasse hin.

Fazit

Als Arbeitgeber von Mitarbeitenden aus dem EU-Raum stellen sich unterschiedliche Fragen, insbesondere aus arbeitsbewilligungs-, sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht, auf welche nur selten eine Patentlösung zu finden ist. Es empfiehlt sich, die individuelle Situation eines neuen Mitarbeiters frühzeitig abzuklären, damit allenfalls entstehende ungünstige Konstellationen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorgängig erkannt und optimal behoben werden können.