Im «KMU-Magazin» 03/2024 haben wir Ihnen über den Grundsatz «Schlichten vor Richten» berichtet, dem in der Schweiz eine lange Tradition zukommt. Verglichen dazu ist die Mediation in der Schweiz eine eher junge Methode der Konfliktbewältigung. Während sich die Mediation in familienrechtlichen Angelegenheiten bereits in den 1980er Jahren entwickelte, kam die Wirtschaftsmediation erst in den 1990er Jahren langsam auf.
Seit dem 1. Januar 2011 ist die Mediation allgemein als Alternative zum staatlichen Schlichtungsverfahren explizit in der Schweizerischen Zivilprozessordnung verankert. Dennoch wird in der Schweizer Wirtschaft verhältnismässig wenig mediiert. Es fragt sich deshalb: Ist die Wirtschaftsmediation ein unnötiger Umweg oder sollten Konfliktparteien auch in der Wirtschaft alles versuchen, um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden?
Worum es geht
Die im Jahre 1997 gegründete Schweizer Kammer für Wirtschaftsmediation (SKWM) definiert die Wirtschaftsmediation als «Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten in der Wirtschaft zwischen zwei oder mehreren Parteien. Der Mediator leitet das Verfahren und unterstützt die Parteien dabei, eine einvernehmliche Lösung für ihren Streit zu finden.»
In erster Linie geht es bei der Wirtschaftsmediation um Konflikte zwischen Geschäftspartnern. Diese können extern in Business-to-Business-Beziehungen aufkommen (zum Beispiel Vertragsstreitigkeiten zwischen Lieferanten und Bestellern) oder unternehmensintern (zum Beispiel zwischen Aktionären). Denkbar sind zudem Konflikte zwischen Unternehmen und Behörden oder anderen Organisationen wie Umweltverbänden.
Letztlich geht es bei der Wirtschaftsmediation wie bei der staatlichen Schlichtungsverhandlung vor der Friedensrichterin darum, einen Konflikt einvernehmlich mithilfe einer neutralen Drittperson zu lösen. Wozu also braucht es eine Mediation, wenn das obligatorische Schlichtungsverfahren ohnehin dem staatlichen Gerichtsverfahren vorangestellt ist oder die Parteien bereits vergeblich versucht haben, miteinander eine Lösung zu finden? Kommt hinzu, dass die Anwälte der Parteien oft bereits verhandelt haben und ebenfalls zu keinem Ergebnis gekommen sind. Die Mediation kostet folglich in den Augen vieler nur Geld und Zeit, ohne einen Mehrwert zu schaffen.
Verhältnismässig wenig Kosten
Die aufgezählten Einwände gegen eine Mediation sind nicht von der Hand zu weisen, dennoch greifen sie zu kurz. Korrekt ist, dass die Wirtschaftsmediation zusätzlich Geld und Zeit kostet. Der Mediator arbeitet auf Mandatsbasis und wird für seine Dienstleistung von den Konfliktparteien entschädigt. Allenfalls sind zusätzlich externe Rechtsvertreter an der Mediationsverhandlung beteiligt. Ferner entstehen interne Personalkosten für Personen, welche an der Mediation teilnehmen.
Verglichen mit dem Aufwand, der bei Durchführung eines oft Jahre dauernden Gerichts- oder Schiedsverfahrens entsteht, sind diese Kosten jedoch marginal. Aus Kostensicht ist ein Mediationsversuch somit immer zu begrüssen. Kommt hinzu, dass die Mediation selbst das Verständnis für den Konflikt fördert und somit die investierten Stunden nicht verloren sind, auch wenn es zu keiner Einigung kommen sollte. Auch der Zeitverlust ist verglichen mit einem formellen Verfahren vor Gericht oder Schiedsgericht unwesentlich. Eine Mediation dauert nicht Monate, sondern wenige Tage und bei mehreren Sitzungen allenfalls einige Wochen.
Die Rolle des Mediators
Kann der Mediator mehr als die Anwälte? Nein, der Mediator kann nicht mehr als die Parteivertreter, seine Rolle ist jedoch eine andere. Jeder Anwalt ist letztlich Vertreter der Interessen seiner Partei. Er denkt bei Vergleichsverhandlungen immer auch an den Prozess und will seiner Partei stets alle Möglichkeiten offenlassen. Dadurch können nicht alle Lösungsalternativen auf den Tisch gebracht und diskutiert werden. Zu gross ist die Befürchtung, dass die Kommunikation gewisser Informationen im Prozess zum Boomerang werden könnte.
Die Rolle des Mediators unterscheidet sich grundlegend von der Parteivertretung. Der Mediator sieht den Konflikt als neutrale Drittperson. Er setzt sich für die einvernehmliche Lösung des Konflikts ein und berücksichtigt dabei die Interessen aller Parteien. Er unterstützt alle Parteien bei den Verhandlungen und ebnet idealerweise den Weg für eine gütliche Beilegung des Konflikts. Dabei liegt der Fokus nicht primär auf der juristischen Ebene, sondern auf der Geschäfts- und Gefühlsebene. Denn letztlich entscheiden auch in Unternehmen Menschen über vorgeschlagene Vergleiche.
Kann der Mediator mehr als die staatliche Friedensrichterin? Nein, der Mediator kann grundsätzlich nicht mehr als die Friedensrichterin, aber er hat mehr Zeit und Informationen. Er kann sich mit dem Konflikt vertieft auseinandersetzen und im Austausch mit den Parteien innovative Lösungen suchen. Letztlich liegt es aber an den Parteien, ihren Konflikt zu lösen. Dem Mediator kommt wie der Friedensrichterin keine Entscheidbefugnis zu.
Wie eine Mediation abläuft
Das Mediationsverfahren kann von den Parteien nach ihren Bedürfnissen zusammengestellt werden. Die Eckpunkte zur Durchführung und Organisation der Mediation, wie die Anzahl, Ort und Zeit der Sitzungen, die Teilnehmenden, mögliche schriftliche Eingaben usw., werden am Anfang der Mediation festgehalten. Wichtig ist ferner zu definieren, wann die Mediation als beendet gilt.
Der Mediator hilft den Parteien, ihren Konflikt auf relevante Kernthemen herunterzubrechen. Im Vordergrund stehen die aktuellen und künftigen Interessen aller Parteien. Sind diese Interessen einmal evaluiert und die brennenden Themen festgelegt, ist der Weg frei für kreative Lösungen, die nicht unbedingt der Rechtslage entsprechen müssen.
Es versteht sich von selbst, dass die Vertraulichkeit ein zentraler Pfeiler der Mediation ist. Sie betrifft sowohl die Mediation selbst als auch deren Inhalt. In der Mediation gemachte Aussagen oder Vorschläge dürfen auf keinen Fall in einem späteren Gerichts- oder Schiedsverfahren verwendet werden. Damit die Parteien in der Mediation wirklich an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gehen, ist es hilfreich, wenn es dem Mediator gestattet ist, Einzelgespräche mit den Parteien zu führen (sogenannte Shuttle Mediation). Zwar ist es dem Mediator nicht erlaubt, den Inhalt von Einzelgesprächen der anderen Partei offenzulegen, jedoch sieht er dadurch mögliche Lösungen, die sonst nicht zum Vorschein kommen würden.
Wann eine Mediation endet
Idealerweise führt die Mediation zu einer Vergleichsvereinbarung, deren Eckpunkte schriftlich festgehalten werden. Den detaillierten Inhalt der Vergleichsvereinbarung können die Parteien im Anschluss zusammen mit ihren Rechtsvertretern aufsetzen. Dabei ist es wichtig, Mechanismen vorzusehen, die allen Parteien helfen, sich an die Vergleichsvereinbarung zu halten. Denn im Gegensatz zu einem gerichtlichen Urteil ist die Vergleichsvereinbarung nicht direkt vollstreckbar.
Weigert sich eine Partei, ihren Verpflichtungen aus einer Vergleichsvereinbarung nachzukommen, liegt eine Vertragsverletzung vor. Im schlimmsten Fall muss diese Vertragsverletzung gerichtlich durchgesetzt werden. Bei diesem Gerichtsverfahren geht es jedoch nicht mehr um den ursprünglichen Streit, sondern einzig um die Vergleichsvereinbarung und deren Konsequenzen.
Es ist auch denkbar, dass die Mediation scheitert, da keine Einigung zustande kommt oder eine Partei sich letztlich weigert mitzumachen. Dieses Ergebnis wird in der Regel ebenfalls schriftlich festgehalten und die Parteien können ihren Konflikt vom Gericht oder Schiedsgericht entscheiden lassen.
Fazit
Eine Mediation ist nie überflüssig, vorausgesetzt, es besteht bei allen beteiligten Parteien die Bereitschaft, sich mit dem Konflikt beziehungsweise dessen Lösung ernsthaft auseinanderzusetzen. Daher ist es ratsam, einen Konflikt nicht aufs Äusserste eskalieren zu lassen, sondern frühzeitig mit der Mediation zu starten. In diesem Fall stehen die Chancen gut, dass mithilfe einer neutralen Person der Perspektivenwechsel gelingt und der Streit einvernehmlich beigelegt werden kann. Das spart nicht nur Zeit und Geld, sondern fördert auch das gegenseitige Vertrauen in den Geschäftspartner. Eine ideale Grundlage also, um erfolgreich weiter zu «geschäften».