Recht

Energie und Umwelt

Umstrittene Erhöhung der CO²-Abgabe

Die Schweiz hat bis zum Jahr 2012 ihr CO²-Verminderungsziel nicht ganz erreicht. Deshalb wird 2014 die CO²-Abgabe auf Brennstoffen von heute 36 auf 60 Franken pro Tonne CO² erhöht. Verschiedene Industriezweige melden aber Erfolge bei der Reduktion des CO²-Ausstosses, und ihre Vertreter bezweifeln, dass Abgabenerhöhung sinnvoll ist.
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Die CO²-Abgabe wird ab dem Jahr 2014 von 36 auf 60 Franken pro Tonne CO² erhöht. Dies entspricht einem Anstieg von 9,5 auf 16 Rappen pro Liter Heizöl extraleicht resp. von 7 auf 12 Rappen pro Kubikmeter Erdgas. Mit der Erhöhung der CO²-Abgabe stehen ab 2014 zirka 260 Millionen Franken pro Jahr für das Gebäudeprogramm zur Verfügung. Weitere rund 480 Millionen Franken werden an Bevölkerung und Wirtschaft zurückverteilt.

Begründet wird die Abgabenerhöhung mit der CO²-Statistik vom 3. Juli 2013. Im alten CO²-Gesetz von 1999 war festgelegt, dass die CO²-Emissionen aus der energetischen Nutzung fossiler Brennstoffe um 15 Prozent und diejenigen aus fossilen Treibstoffen in Bezug auf den Wert von 1990 um 8 Prozent zu reduzieren seien. Massgebend ist der Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012.

Die CO²-Emissionen aus Treibstoffen waren 6,6 Prozent tiefer als 1990, das Ziel von 8 Prozent wurde nicht erreicht. Dabei wurden ausländische Emissionszertifikate im Umfang von zirka drei Millionen Tonnen pro Jahr angerechnet, die die Stiftung Klimarappen erworben hat. Die CO²-Emissionen von Brennstoffen lagen zwischen den Jahren 2008 und 2012 um 14,7 Prozent tiefer als 1990. Das Ziel von 15 Prozent wurde also knapp verfehlt. Auch im Brennstoffbereich wurden Emissionszertifikate angerechnet.

Erreicht wurde hingegen das Gesamtziel des alten CO²-Gesetzes, eine Reduktion von mehr als zehn Prozent der Brenn- und Treibstoffe. Das Gesamtziel im CO²-Gesetz wurde weniger streng festgelegt als die Summe der beiden Teilziele. Ob die Schweiz ihre im Kyoto-Protokoll gesetzten internationalen Ziele erreicht hat, lässt sich erst 2014 abschliessend beurteilen.

Neue Zwischenziele

Nach dem revidierten CO²-Gesetz von 2011 Art. 4 sollten sich die Treibhausgas­emissionen im Inland bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990 gesamthaft um 20 Prozent vermindern. Der Bundesrat kann sektorielle Zwischenziele festlegen und das Reduktionsziel in Einklang mit in­ternationalen Vereinbarungen auf 40 Prozent erhöhen. Diese zusätzlichen Re­duktionen der Treibhausgasemissionen dürfen maximal zu 75 Prozent durch im Ausland durchgeführte Massnahmen erfolgen.

In der neuen Verordnung wurden folgende sektoriellen Zwischenziele bis 2015 festgelegt:

› im Sektor Gebäude: höchstens 78 Prozent der Emissionen des Jahres 1990

› im Sektor Verkehr: höchstens 100 Prozent der Emissionen des Jahres 1990

› im Sektor Industrie: höchstens 93 Prozent der Emissionen des Jahres 1990

Wird ein sektorielles Zwischenziel nicht erreicht, beantragt das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) nach Anhörung der Kantone und der betroffenen Kreise dem Bundesrat weitere Massnahmen.

Swissmem meldete Erfolge bei der Reduktion des CO²-Ausstosses bei den Swissmem-Mitgliedsfirmen. 2011 habe sich dieser gegenüber dem Vorjahr um 14,1 Prozent reduziert. Diese Reduktion wurde durch freiwillige Massnahmen erzielt und ist weit höher, als vom CO²-Gesetz vorgesehen. Seit 1990 konnten die Swissmem-Mitgliedsunternehmen ihre CO²-Emissionen um 55,4 Prozent senken.

Im Positionspapier zur Klimapolitik weist Swissmem darauf hin, dass ihre Industrie ausgesprochen exportorientiert ist und im harten internationalen Wettbewerb steht: «Eine nachhaltige Klimapolitik muss Wettbewerbsverzerrungen vermeiden und strategisch wichtige Schweizer Standortvorteile erhalten.» Die CO²-Intensität der Schweiz ist im internationalen Vergleich gering. Die Weiterführung der Befreiung von der CO²-Abgabe durch den Abschluss einer Verpflichtungsvereinbarung wird positiv beurteilt. Die Industrie habe bisher den grössten Beitrag zur Reduktion der CO²-Emis­sionen geleistet: «Um dieses Engagement fortzuführen, ist sie auf eine wirtschaftsnahe Umsetzung der CO²-Ver­ord­nung angewiesen, die ihre Leistungen angemessen honoriert, administrative Hürden abbaut und die unternehmerische Freiheit gewährleistet.»

Die Vereinigung der Schweizer Automobil-Importeure «auto-schweiz» meldete im Juni 2013, dass der durchschnittliche Treibstoffverbrauch aller im Jahr 2012 eingelösten neuen Personenwagen von 6,39 (2011) auf 6,21 Liter gesunken ist, also 2,8 Prozent. Im gleichen Zeitraum reduzierten sich auch die CO²-Emissionen um 2,6 Prozent: «Diese Zahlen erstaunen umso mehr, als dass das durchschnittliche Leergewicht mit 1510 kg (2011: 1483 kg) erneut gestiegen ist.» Die Hersteller seien daran interessiert, immer effizientere Motoren und Antriebstechniken zu produzieren. Beliebt sind in der Schweiz aber immer noch relativ grosse und schwere Fahrzeuge. «Die aktuellen Verbrauchszahlen beweisen, dass sich der motorisierte private und gewerbliche Strassenverkehr auf dem richtigen Weg befindet», heisst es auf der Webseite von auto-schweiz. Andererseits müssten die Politiker und die Behörden endlich anerkennen, «dass dem motorisierten Individualverkehr eine zentrale volkswirtschaftliche Bedeutung zukommt.»

Die Interessengemeinschaft Energieintensive Branchen IGEB ist Gründungs- und Trägerorganisation der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW), siehe Kastentext, und zeigt damit umweltpolitisches Engagement. Bei der IGEB vertritt man die Meinung, dass die energieintensiven Betriebe wählen sollten, ob sie ihre CO²-Emissionsminderungsanstrengun­gen wie bisher im Rahmen der freiwilligen Massnahmen nach dem geltenden CO²-Gesetz erbringen wollen (Zielvereinbarungen) oder ob sie sich dem europäischen Emissionshandelssystem (EU-ETS) anschliessen wollen.

Hingegen plädiert man bei der IGEB dafür, die energieintensiven Betriebe von Energieabgaben und -steuern aller Art, die namentlich auf dem Energieträger Strom erhoben werden, zu befreien: «Es braucht kurzfristig eine Befreiung der stromintensiven Betriebe von der Überwälzung der Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV)». Eine ökologische Steuerreform wird von der IGEB abgelehnt: «Die Schweiz verfügt schon heute über zahlreiche Steuern und Abgaben im Energie- und Umweltbereich: Mineral­ölsteuern, LSVA, CO²-Abgabe, VOC-Abgabe, KEV, Automobilsteuer, Wasser­zinsen, Motorfahrzeugsteuer etc. Eine Verteuerung der Energie auf diesem Wege ohne internationale Abstimmung bedroht die Existenz der energieintensiven Industrie.»

Das Unternehmen SwissElectricity beurteilt die Leistungen der EnAW kritisch: «Im Jahre 2012 standen um die zwanzig Unternehmen aus unseren Kundengruppen in Verbindung mit der EnAW, doch oftmals wurde eine enttäuschende Leistungserbringung der EnAW beklagt.» Aus diesem Grunde bietet die SwissElectricity erstmalig die Erstellung einer Universalzielvereinbarung mit dem Bundesamt für Umwelt an: «Die Struktur unserer Kundengruppen ermöglicht bei der Teilnahme an dieser Zielvereinbarung die gleichen Vorteile…. Und das bei geringeren Kosten wegen der Synergie mit den gleichzeitigen Aktivitäten auf den Märkten für Strom und Gas.»

Die Erdölvereinigung kritisiert die erhöhte CO²-Abgabe: Man ist bei der Erdölvereinigung der Ansicht, dass der Kli­maschutz eine Erfolgsgeschichte ist: «Während im Jahr 1990 noch 25,33 Millionen Tonnen CO² durch Brennstoffe emittiert wurden, waren es 2012 noch 20,89 Millionen Tonnen, Tendenz sinkend.» Die Datenerhebung in Bezug auf den CO²-Ausstoss ist komplex und Genauigkeit ist schwer zu erreichen. Es sei willkürlich, Wirtschaft und Bevölkerung als Klimasünder zu bestrafen, weil die CO²-Reduktion nur 14,7 Prozent statt die erwünschten 15 Prozent betrage.

Beim Hauseigentümerverband (HEV) Schweiz hält man die Erhöhung der CO²-Abgabe für eine «Geldbeschaffungsrunde durch den Staat». Man begründet diese Kritik ebenfalls damit, dass die Zielvorgaben nur knapp verfehlt wurden. Eine Abweichung von 0,3 Prozent sei deutlich unter der Genauigkeitsgrenze der Berechnungsmöglichkeiten. Eine Erhöhung der Abgaben, basierend auf dieser kleinen Differenz, sei eine Farce. Hauseigentümer und Mieter hätten ihre Verantwortung wahrgenommen und einen stat­tlichen Beitrag an der Gesamtreduktion geleistet. Die Energie-Agentur der Wirtschaft EnAW bietet Konzepte und Beratung für Zielvereinbarungen an sowie Informationen über Förderbeiträge. Das KMU-Modell lohnt sich für Unternehmen ohne eigenen Energiebeauftragten mit jährlichen Energie­kosten ab 20 000 Franken. «

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