Recht

E-Invoicing (Teil 2 von 2)

Über die Archivierung elektronischer Rechnungen

Nachdem in der letzten Ausgabe («KMU-Magazin» 5/12) die Grundlagen der elektronischen Rechnungsstellung thematisiert wurden, befasst sich der zweite Teil mit der Archivierung von elektronischen Rechnungen. Damit schliesst sich der Prozesskreis der elektronischen Rechnung von der Erstellung über den Versand bis zur Archivierung.
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Nach Art. 957 ff. des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) unterliegen diejenigen Unternehmungen einer Buchführungspflicht, welche verpflichtet sind, ihre Firma im Handelsregister eintragen zu lassen. Währenddem die Erfolgsrechnung und die Bilanz schriftlich und unterzeichnet aufzubewahren sind, können die übrigen Unterlagen wie Belege und Korrespondenzen auch elektronisch oder in vergleichbarer Weise geführt und aufbewahrt werden, sofern sie jederzeit lesbar gemacht werden können.

In diesem Fall kommt ihnen dieselbe Beweiskraft zu, wie wenn sie auf herkömmliche Weise geführt und aufbewahrt werden. In Verbindung mit den Bestimmungen der Geschäftsbücherverordnung (GeBüV) besteht damit die Grundlage, um eine medienbruchfreie Bearbeitung der Dokumente während ihres gesamten Lebenszyklus, einschliesslich Archivierung und Aufbewahrung, zu gewährleisten.

Anforderungen im Allgemeinen

In einem ersten Schritt stellt sich in der Praxis die Frage, welche Dokumente überhaupt archiviert werden müssen. Die Buchführungsvorschriften verpflichten die Unternehmen, alle Geschäftsdokumente aufzubewahren, die zum Verständnis und zum Nachweis der Vermögenslage und des Geschäftsergebnisses erforderlich sind. Dazu zählen Rechnungen, Quittungen, Lieferscheine und dergleichen, aber auch entsprechende Verträge, aus denen sich Verpflichtungen ergeben und allenfalls zu Beweisführungszwecken notwendig sind.

Die Integrität der aufzubewahrenden Daten muss während der gesamten Aufbewahrungsdauer sichergestellt sein, damit der Beweiswert der archivierten Unterlagen nicht infrage gestellt werden kann. Auszugehen ist dabei vom Grundsatz, dass mit Bezug sowohl auf die traditionelle als auch auf die elektronische Aufbewahrung die anerkannten Prinzipien der Vollständigkeit, Klarheit, Stetigkeit und Nachprüfbarkeit der vorhandenen Daten gelten müssen. Die GeBüV sieht neben unveränderbaren Informationsträgern (bzw. Datenträgern in Bezug auf Informationen in elektronischer Form) auch veränderbare vor, sofern zusätzliche technische Massnahmen zur Anwendung gelangen, welche die Integrität sicherstellen (Art. 9 GeBüV). Diese Voraussetzungen können z.B. mit einer elektronischen Signatur oder einem Zeitstempel erfüllt werden. Gleiches gilt für die Aufbewahrung von eingescannten Papierrechnungen.

Eine Eignung als Beweismittel erreichen diese Daten dann, wenn die Unverändertheit des Dokumentes im Prozess von der Digitalisierung bis zur Archivierung gewährleistet ist. Dies kann dadurch erfolgen, dass die entstehenden Dateien unmittelbar nach dem Scannen elektronisch signiert oder auf einem unveränderbaren Datenträger gespeichert werden. Die Signatur ermöglicht die Speicherung auf veränderbaren Datenträgern. Als unver­änderbare Datenträger kommen CD-R oder DVD-R infrage. Dagegen gelten als veränderbare Datenträger solche, bei welchen Informationen geändert oder gelöscht werden können, ohne dass dies auf dem Datenträger nachweisbar ist (z.B. Magnetbänder, Fest-/Wechselplatten, USB-Sticks).

Sodann müssen die Geschäftsbücher, die Buchungsbelege und die Geschäftskorrespondenz so aufbewahrt werden, dass sie während der gesamten Aufbewahrungsfrist von einer berechtigten Person innert angemessener Frist eingesehen und geprüft werden können. Dies setzt voraus, dass die archivierten Daten regelmässig auf ihre Lesbarkeit hin überprüft werden.

Wichtig ist, die archivierten Informationen von aktuellen Informationen zu trennen bzw. so zu kennzeichnen, dass eine Unterscheidung möglich ist. Dies bedeutet nicht, dass eine physische Trennung der Daten notwendig ist. Dem Erfordernis wird auch mit der Einräumung entsprechender Zugriffsrechte Genüge getan. Um die Einhaltung dieser Voraussetzungen zu gewährleisten, bedarf es einer klar geregelten Organisation, welche in einem entsprechenden Reglement festgehalten wird.

Die Mehrwertsteuer

Im Bereich der Mehrwertsteuer gilt es zusätzlich zu den Bestimmungen des OR und der GeBüV die Art. 122 ff. der Mehrwertsteuerverordnung (MWSTV) zu beachten. Damit elektronisch oder in vergleichbarer Weise übermittelte und aufbewahrte Daten und Informationen, welche für den Vorsteuerabzug, die Steuererhebung oder den Steuerbezug relevant sind, die gleiche Beweiskraft wie Daten und Informationen auf Papier zukommt, müssen zusätzlich die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: (i) die Authentizität, d.h. der Ursprung der Daten und (ii) die Integrität, d.h. die Unverändertheit des Inhalts sowie (iii) die Nichtabstreitbarkeit des Versands der elektronischen Rechnung müssen nachgewiesen werden können.

Ferner muss die steuerpflichtige Person sicherstellen, dass diese Daten und Informationen während der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist, d.h. bis zum Eintritt der absoluten Verjährung der Steuerforderung jederzeit lesbar gemacht werden können. Dies sind zehn Jahre nach Ablauf der Steuerperiode, in der die Steuerforderung entstanden ist (Art. 70 Abs. 2 i.V.m. Art. 42 Abs. 6 Mehrwertsteuergesetz (MWSTG)). Zu beachten ist, dass nach Art. 70 Abs. 3 MWSTG Geschäftsunterlagen, die im Zusammenhang mit der Berechnung der Einlageentsteuerung und des Eigenverbrauchs von unbeweglichen Gegenständen benötigt werden, während 20 Jahren aufzubewahren sind.

Sodann verweist Art. 125 MWSTV auf die Verordnung des Eidgenössischen Finanzdepartements über elektronische Daten und Informationen (EIDI-V), deren Bestimmungen die technischen, organisatorischen und verfahrenstechnischen Anforderungen an entsprechende Daten und Informationen regeln. So sind sowohl auf Seite des Rechnungsstellers als auch auf Seite des Rechnungsempfängers gewisse Vorgaben einzuhalten. Insbesondere hinsichtlich der Geltendmachung von Vorsteuerabzügen hat der Rechnungsempfänger die Vorgaben genau zu befolgen, ansonsten er Gefahr läuft, den Vorsteuerabzug zu verlieren. Darüber hinaus ist zu beachten, dass Art. 98 lit. e MWSTG den Erlass einer Busse androht, wenn Geschäftsbücher, Belege, Geschäftspapiere und sonstige Aufzeichnungen nicht ordnungsgemäss geführt, ausgefertigt, aufbewahrt oder auch vorgelegt werden.

Die Aufbewahrung hat in der ursprünglichen Form der Übermittlung und in ihrem ganzen Umfang zu erfolgen. Das Aufbewahren von Papierausdrucken einer elektronischen Rechnung genügt demnach nicht. Erfolgt eine Umwandlung (Konvertierung) der für die Steuererhebung relevanten elektronischen Daten in ein anderes Format, müssen beide Versionen aufbewahrt und mit derselben Systematik verwaltet werden. Die konvertierte Version ist als solche zu kennzeichnen.

Die archivierten elektronischen Rechnungen sowie deren Begleitdokumente müssen für die Zwecke der Steuererhebung jederzeit zugänglich und auch lesbar gemacht werden können.

Sowohl der Rechnungssteller als auch der Rechnungsempfänger können Aufgaben der Archivierung an Dritte delegieren. Art. 9 EIDI-V regelt die entsprechenden Anforderungen des Outsourcing. Zunächst muss zwischen der auftraggebenden Person und dem beauftragten Dienstleister ein Outsourcing-Agreement abgeschlossen werden, das die gegenseitigen Rechte und Pflichten festhält.

Sodann ist die vollständige und unveränderte Weitergabe der durch Datenfernübertragung oder durch Datenträgeraustausch er­haltenen Daten mittels Massnahmen und Kontrollen sicherzustellen. Eine allfällige Verarbeitung der Daten durch den Dienstleister muss überprüfbar bleiben und ohne unzumutbare zeitliche Verzögerung lesbar gemacht werden können.

Internationale Aspekte

Grundsätzlich ist auch hinsichtlich aus dem Ausland stammender elektronischer Rechnungen eine gesetzeskonforme Archivierung möglich. Es sind während der gesamten Aufbewahrungszeit dieselben Anforderungen wie für inländische Rechnungen sicherzustellen. Der Rechnungsempfänger ist jedoch mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass die Rechnungen allenfalls unterschiedliche Ausprägungen, insbesondere hinsichtlich der verwendeten Signatur, haben. Insofern ist ein besonderes Augenmerk auf die Signaturprüfung zu legen. Bei internationalen Konzernen empfiehlt es sich zudem, einen Signaturstandard zu wählen, welcher sowohl nach dem Recht des Landes der rechnungsstellenden Gesellschaft als auch nach dem Landesrecht der rechnungsempfangenden Gesellschaft anerkannt wird.

International tätige Unternehmen verwahren ihre Geschäftsbücher und Belege oftmals im Ausland. Vermehrt werden auch ausländische Service-Gesellschaften mit diesen Aufgaben betraut. Dabei gilt es zu beachten, dass gem. Art. 10 Abs. 4 EIDI-V die Aufbewahrung von Datenträgern im Ausland nur zulässig ist, wenn der Zugriff, die Wiedergabe und die Verfügbarkeit der für die Steuererhebung relevanten Daten jederzeit gewährleistet bleiben. Im Übrigen sind die allgemeinen Vorschriften bzgl. der Archivierung von elektronischen Daten zu beachten.

Ausblick

Um den Prozess der elektronischen Rechnung von der Erstellung über den Versand bis hin zur Archivierung in der Praxis erfolgreich umzusetzen, bedarf es eines klaren Konzeptes. Die einzelnen Phasen müssen aufeinander abgestimmt werden, sodass keinerlei Lücken bestehen, welche später z.B. bei der Steuererhebung zu Problemen oder unliebsamen Überraschungen führen können. Bei international tätigen Unternehmen empfiehlt es sich, sich auf einen konzernweiten Standard bei Signaturen zu einigen und die einzelnen Prozesse zu vereinheitlichen.

Trotz zum Teil unterschiedlicher Ausgestaltung der Anforderungen ist die Archivierung im grenzüberschreitenden Verkehr möglich. Aus Schweizer Sicht ist zentral, dass zumindest die Grundanforderungen des Schweizer Rechts erfüllt werden. Die Rahmenbedingungen der Archivierung elektronischer Rechnungen unterliegen aufgrund der technologischen Entwicklung einem stetigen Wandel.

Trotz dieser Entwicklungen bleibt entscheidend, dass bei archivierten elektronischen Rechnungen die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung während der gesamten Aufbewahrungsdauer gewährleistet bleibt und mittels eines verlässlichen Prüfpfades zwischen Leistung und Rechnung jederzeit überprüft werden kann.

In jedem Fall empfiehlt sich bei Umstellung auf die elektronische Archivierung die sorgfältige Überprüfung des Archivierungsprozesses im Hinblick auf die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen mittels Beizug von Experten.