Recht

Revision Grundpfandrecht

«Teilweise zu restriktive Rechtsprechung korrigiert»

Die Anfang Jahr in Kraft getretene Revision des Immobiliarsachenrechts (Art. 641 bis 979 ZGB) enthält unter anderem neue Bestimmungen zum Bauhandwerkerpfandrecht. Im Gespräch mit dem «KMU-Magazin» erklärt Professor Rainer Schumacher, Rechtsanwalt und Titularprofessor an der Universität Freiburg (Schweiz), die wichtigsten Details.
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Herr Schumacher, warum hat man anlässlich der Revision nicht ausdrücklich ein Grundpfandrecht für die nichtmateriellen Leistungen der Architekten und Ingenieure ermöglicht? Die Formulierung «Arbeit allein» könnte durchaus auch geistige Arbeit bedeuten, auch wenn die Gerichte bisher anderer Meinung waren.

Die beiden Leistungskategorien Lieferung von «Material und Arbeit» und Leistung von «Arbeit allein» bilden seit 1912 den Urtext der Baupfandberechtigung. Sie wurden durch die Revision nicht abgeändert. Dieser Wortlaut des Gesetzes ist weit abstrakt-offen und bedarf deshalb gestützt auf Art. 1 Abs. 3 ZGB der Ermittlung des gesetzlichen Kerngehalts durch die Auslegung in Rechtsprechung und Lehre. Die Auslegung ergibt die Einschränkung des Baupfandrechts-Anspruchs für typische Bauarbeiten, die sowohl physisch als auch objektspezifisch sind.

Architekten und Ingenieure erbringen keine physischen, sondern intellektuelle Leistungen, weshalb sie nicht baupfandberechtigt sind. Wären sie baupfandberechtigt, müsste die Baupfandberechtigung auf alle Beauftragten ausgedehnt werden, die intellektuelle Beiträge für die Überbauung eines Grundstücks erbringen, z.B. auch auf Bauanwälte. Das würde zu einer fast grenzenlosen «Ausuferung» des Bauhandwerkerpfandrechts führen. Der Baupfandanspruch der Architekten und Ingenieure wurde vom Bundesrat in seinem Entwurf vom 27. Juni 2007 abgelehnt. In den Beratungen des Ständerats und des Nationalrats war dies überhaupt kein Thema.

Wie schützt man sich als Eigentümer davor, dass das Grundpfandrecht für mangelhafte oder nicht vertragsgemässe Leistungen, z.B. von Subunternehmern, in Anspruch genommen wird?

Der beste Schutz ist die Prävention. Dem Grundeigentümer stehen verschiedene effiziente Vorsorgemassnahmen zur Verfügung. Die für den Grundeigentümer sicherste und zugleich bequemste Schutzmassnahme ist die Sicherheitsleistung eines zahlungsfähigen Dritten. Eine Bankgarantie kann so gestaltet werden, dass sie ausschliesslich als Sicherheit gegen das Risiko von Baupfandrechten dient. Die andere Möglichkeit ist eine umfassende Erfüllungsgarantie, die auch das Risiko von Baupfandrechten abdeckt.

Nach Art. 368 Abs. 2 OR kann der Bauherr bei einem Werkmangel «einen dem Minderwert entsprechenden Abzug am Lohn machen.» Insoweit erlischt die Vergütungsforderung. Für andere vertragswidrige, z.B. unnötige oder unbestellte Leistungen, entsteht kein Vergütungsanspruch. Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB gewährt den Baupfandanspruch nur für existierende Forderungen. Führt der haftpflichtige Unternehmer selber Nachbesserungsarbeiten (Garantiearbeiten) aus, besitzt er dafür ohnehin keinen Vergütungsanspruch und kann deswegen auch das Bauhandwerkerpfandrecht gar nicht in Anspruch nehmen.

Kann der Schuldner zugunsten des Gläubigers ein Pfandrecht eintragen lassen?

Nur der Bauunternehmer («Handwerker oder Unternehmer») ist aktivlegitimiert, den Grundbucheintrag eines Baupfandrechts zu erwirken. Würde der Grundeigentümer selber den Grundbucheintrag eines Baupfandrechts beantragen, würden sowohl das Gericht als auch der Grundbuchverwalter den Antrag abweisen. Das dient auch zum Schutze der anderen Grundpfandgläubiger und Baupfandgläubiger. In der Praxis ist ein solches Begehren noch nie gestellt worden und wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nie gestellt werden.

ZGB Art. 836 regelt die gesetzlichen Grundpfandrechte des kantonalen Rechts. Welche Forderungen werden in der Praxis damit abgesichert?

«Die Kantone haben von der Möglichkeit, Forderungen mittels gesetzlicher Pfandrechte des kantonalen Rechts zu sichern, vor allem im Steuerrecht regen Gebrauch gemacht», so die Botschaft 07.061 des Bundesrats vom 27. Juni 2007 zum Entwurf der ZGB-Teilrevision. «Die Kantone sehen namentlich Grundpfandrechte zur Sicherung ihrer Grundstückgewinnsteuer-Forderungen und anderer grundstückbe­zogener Abgaben vor», so heisst es im Werk Sachenrecht von Jörg Schmid und Bettina Hürlimann-Kaup.

Was versteht man genau unter einem Verwaltungsvermögen? Gilt die Bestimmung von ZGB Art. 839 Abs. 4 auch für Vermögen, das von privaten Institutionen verwaltet wird, z.B. von einer Pensionskasse oder einer Versicherung? Und wie kommt in der Praxis eine Schuldpflicht des Eigentümers im Zusammenhang mit Bauarbeiten zustande, die nicht aus dessen vertraglichen Verpflichtungen erfolgt?

Der Begriff «Verwaltungsvermögen» ist stark auslegungsbedürftig. Er ist weit auszulegen. Als «Verwaltungsvermögen» gelten sowohl die öffentlichen Grundstücke, die im Gemeingebrauch wie Strassen und Plätze stehen, als auch alle öffentlichen Grundstücke, die unmittelbar der Erfüllung einer besonders wichtigen öffentlichen Aufgabe dienen. Das Baugrundstück muss unmittelbar und eindeutig einem bestimmten öffentlichen Zweck dienen, so dass eine Zweckentfremdung die Erfüllung der konkreten öffentlichen Aufgabe gefährden würde, z.B. Landesbibliothek, Kantonsspital, Gemeindeschulhaus.

Finanzvermögen ist selbst dann pfändbar, wenn es einer öffentlichen Körperschaft gehört, z.B. Bund, Kanton, Gemeinde. Erst recht sind Grundstücke pfändbar, z.B. Mehrfamilienhäuser, die einer öffentlich- oder privatrechtlichen Pensionskasse oder Versicherung gehören.

Art. 839 Ziff. 4 ZGB ist unbeholfen formuliert und nur anwendbar, wenn der Grundeigen­tümer nicht der Vertragspartner und deshalb nicht der Schuldner der unbezahlten Vergütungsforderung des Unternehmers ist. Das trifft z.B. zu, wenn der Unternehmer als Subunternehmer von einem Generalunternehmer beigezogen wurde und von diesem nicht bezahlt worden ist, z.B. wenn der Generalunternehmervertrag von einer Gemeinde für ein Schulhaus abgeschlossen wurde.

Nach ZGB 837 Abs. 1 Ziff. 2 können Miterben ihre Forderungen aus Teilung absichern. Wie wird das in der Praxis durchgeführt?

Jeder Erbe besitzt von Gesetzes wegen das Recht auf eine Grundpfandverschreibung als Sicherheit für seinen Erbteil, wenn er in einer vertraglichen oder gerichtlichen Erbteilung, eine Forderung gegenüber allen anderen oder einzelnen Miterben erhält, denen Grundstücke aus der Erbschaft zugewiesen werden. Pfandobjekte sind die Grundstücke des Nachlasses, an denen der abgefundene Miterbe zufolge der Erbteilung nicht mehr als Gesamteigentümer beteiligt ist. Das Miterbenpfandrecht kann frühestens gleichzeitig mit dem Eigentumsübergang an die Miterben im Grundbuch eingetragen werden.

Das Bundesgericht hat die kürzliche Gesetzesrevision als grundlegenden Wandel und damit als einen Paradigmenwechsel diagnostiziert, der vom Gesetzgeber verordnet worden sei.

In Tat und Wahrheit wollten Bundesrat und Bundesversammlung das Grundkonzept des Bauhandwerkerpfandrechts nicht verändern und haben es im Wesentlichen auch nicht geändert. Nach meiner Auffassung kann die Gesetzesrevision nicht als Paradigmenwechsel qualifiziert werden, weshalb ich zum Schluss gelangte: «Ausbau – kein Umbau». Soweit ich sehe, stimme ich mit der Mehrheit der Lehre überein. Das Bundesgericht ist offensichtlich verärgert, weil das Parlament seine, teilweise zu restriktive, Rechtsprechung korrigierte. Beispielsweise ist nun der Gerüstbau entgegen der hartnäckigen und gesetzeswidrigen früheren Praxis des Bundesgerichts ausdrücklich baupfandberechtigt.

Bauhandwerkerpfandrecht, auch Baupfandrecht oder Baupfand genannt, ist der Anspruch auf Eintragung eines Grund­pfandrechts im Grundbuch zulasten eines Grundstücks (ZGB Art. 837 – 841). Dieses dient als Pfandobjekt zur Sicherung einer Forderung aus bauhandwerklichen Arbeiten. Das Bauhandwerkerpfandrecht ist eine Variante der Grundpfandverschreibung, und zugleich ein gesetzliches Grundpfandrecht.

Pfandberechtigte Bestandteile müssen mit dem Grundstück auf unbestimmte Dauer fest verbunden sein. Fahrnisbauten sind nicht pfandberechtigt, z.B. Baustelleneinrichtungen, Garagenboxen usw. hingegen ist ein Eigentumsvorbehalt an Fahrnisbauten möglich.

Zur Errichtung des Bauhandwerkerpfandrechts ist ein Vertrag nicht notwendig. Das Pfandrecht entsteht erst mit der Eintragung ins Grundbuch und kann vom Bauhandwerker sogar gegen den Willen des Grundeigentümers eingetragen werden.

Die Regelungen über das Bauhandwerkerpfandrecht wurden revidiert und am 1. Januar 2012 in Kraft gesetzt.

Das Pfandrecht der Handwerker und Unternehmer kann von dem Zeitpunkt an, in dem sie sich zur Arbeitsleistung verpflichtet haben, in das Grundbuch eingetragen werden. Die Eintragungsfrist ist von drei auf vier Monate nach der Vollendung der Arbeit verlängert worden (ZGB Art. 839 Absatz 2).

Es wurde genauer beschrieben, für welche Forderungen der Handwerker oder Unternehmer man ein Bauhandwerkerpfandrecht errichten kann, z.B. ausdrücklich für Abbrucharbeiten, für Gerüstbau oder für Baugrubensicherung. Hingegen gilt das Bauhandwerkerpfandrecht weiterhin nur für Materiallieferungen und physische Bauarbeiten, nicht für Leistungen von Architekten und Ingenieuren (ZGB Art. 837 Abs. 1, Ziffer 3).

Neu wurde klar festgelegt, dass das Recht auf ein Bauhandwerkerpfandrecht auch besteht, wenn Handwerker oder Unternehmer, Mieter, Pächter oder eine andere am Grundstück berechtigte Person der Schuldner ist. Voraussetzung ist in diesen Fällen, dass der Grundeigentümer seine Zustimmung zur Ausführung der Arbeiten erteilt hat (ZGB Art. 837 Abs. 1, Ziffer 3).

Neu sind folgende Bestimmungen für das Verwaltungsvermögen (ZGB Art. 839 Abs. 4–6), siehe Interview:

  • Ergibt sich die Schuldpflicht des Eigentümers nicht aus seinen eigenen vertraglichen Verpflichtungen, so haftet er den Handwerkern oder Unternehmern für die von ihm anerkannten oder gerichtlich festgestellten Forderungen nach den Bestimmungen über die einfache Bürgschaft. Die Forderung gegenüber dem Eigentümer muss spätestens vier Monate nach Vollendung der Arbeit schriftlich unter Hinweis auf die gesetzliche Bürgschaft geltend gemacht werden.
  • Ist strittig, ob es sich um ein Grundstück im Verwaltungsvermögen handelt, so kann der Handwerker oder Unternehmer bis spätestens vier Monate nach der Vollendung seiner Arbeit eine vorläufige Eintragung des Pfandrechts im Grundbuch erwirken.
  • Steht aufgrund eines Urteils fest, dass das Grundstück zum Verwaltungsvermögen gehört, so ist die vorläufige Eintragung des Pfandrechts zu löschen. An seine Stelle tritt die gesetzliche Bürgschaft, sofern die Voraussetzungen nach ZGB Art. 839 Absatz 4 erfüllt sind. Die Frist gilt mit der vorläufigen Eintragung des Pfandrechts als gewahrt.

Wichtig: Auf alle gesetzlichen Grundpfandrechte nach Art. 837 Abs. 1 ZGB kann der Berechtigte nicht zum Voraus verzichten.

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