Recht

Mehrwertsteuer

Print- und E-Medien: ein Produkt, zwei Sätze

Gedruckte Erzeugnisse wie Zeitungen, Zeitschriften oder Bücher unterstehen dem reduzierten Mehrwertsteuersatz von 2,5 Prozent. Mit der Digitalisierung von Druckerzeugnissen verändert sich auch die mehrwertsteuerliche Qualifikation solcher Druckerzeugnisse.
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Zeitungen, Zeitschriften, Bücher und andere Druckerzeugnisse ohne Reklamecharakter unterstehen in der Schweiz dem reduzierten Steuersatz von gegenwärtig 2,5 Prozent. Dieser gelangt jedoch nur dann zur Anwendung, wenn es sich bei den Druckerzeugnissen um sogenannte gedruckte Erzeugnisse handelt d.h. physische Güter in Form von gedruckten Zeitungen, Zeitschriften, Büchern etc.

Nur bei solchen physischen Gütern spricht man von Lieferungen gemäss dem Schweizer Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, die dem reduzierten Steuersatz von 2,5 Prozent unterliegen. Klassiker dafür sind der Verkauf am Kiosk, im Buchladen oder ein Jahresabonnement mit Lieferung nach Hause in den Brief­kasten etc.

Die Welt hat sich über die letzten Jahre verändert und mit ihr die Technologie. Der technologische Fortschritt hat auch das Kundenverhalten beim Konsum von Druckerzeugnissen geändert. Vom ursprünglich physischen Produkt beim Kauf im Laden über die Onlinebestellung mit anschliessender physischer Auslieferung konsumieren Kunden heute solche Erzeugnisse immer häufiger entweder rein digital oder parallel zu physischen Exemplaren auch elektronisch, sei das am Computer zu Hause oder auf einem Tablet unterwegs. Der digitale Medienkonsum ist praktisch: Statt kiloweise Bücher in die Ferien mitzuschleppen, wird ein Kindle oder iPad eingepackt.

Mit der Digitalisierung von Druckerzeugnissen verändert sich aber auch die mehrwertsteuerliche Qualifikation solcher Druckerzeugnisse. Was bei gedruckten Zeitungen, Zeitschriften und Büchern eine Lieferung darstellt, gilt bei einer reinen digitalen Überlieferung als eine elektronisch erbrachte Dienstleistung. Die Unterscheidung zwischen Lieferung und Dienstleistung gilt auch dann, wenn die Zeitungen, Zeitschriften und Bücher sowohl gedruckt als auch digital den absolut deckungsgleichen Inhalt aufweisen.

Diese unterschiedliche mehrwertsteuerliche Qualifikation hat zur Folge, dass für ein und dasselbe Produkt zwei unterschiedliche Steuersätze zur Anwendung gelangen, lediglich abhängig davon, in welchem Format und auf welche Art und Weise ein solches «Produkt» vertrieben wird. Zeitungen, Zeitschriften und Bücher ohne Werbecharakter, die ausschliesslich digital geliefert werden und damit eine Dienstleistung darstellen, unterliegen als Dienstleistung dem Normalsatz von gegenwärtig acht Prozent, sofern die digitalen Druckerzeugnisse an Konsumenten mit Wohnsitz in der Schweiz geliefert werden.

Zurzeit ist es möglich, eine Zeitung mit einer physischen Auslieferung des Produkts in den Briefkasten zu abonnieren. Gleichzeitig erhält man auf Wunsch das gleiche Produkt im Rahmen des Abonnements auch elektronisch zugestellt. Am Abonnementspreis ändert sich dadurch nichts, da die Inhalte identisch sind. Zu welchem Mehrwertsteuersatz wird nun aber ein solches Abonnement abgerechnet? Zurzeit wird das Abonnement zum reduzierten Steuersatz besteuert. Das kann aber nicht richtig sein, da ein Buch, das nur online verkauft wird, mit dem Normalsatz abgerechnet werden muss und nur die physische Lieferung des Buchs zu einem reduzierten Mehrwertsteuersatz erfolgen kann.

Dieser Sachverhalt wirft eine Reihe von Abgrenzungsfragen auf: Muss ich als Anbieter ein solches Abonnement splitten und die eine Hälfte zum Normalsatz und die andere zum reduzierten Mehrwertsteuersatz abrechnen? Wenn das so wäre, was würde dann passieren, wenn der Kunde aus der Schweiz abreiste und seine physische Lieferung annullierte, aber die Zeitschrift im Ausland weiterhin elektronisch erhielte? Ausserdem entwickelt sich auch die Technologie weiter, so dass wir in Zukunft vielleicht nicht mehr pro Ausgabe, sondern pro Artikel elektronisch bezahlen. Was, wenn wir dann weiterhin auch physische Produkte erhalten? Der Mehrwertsteuersatz lässt sich grundsätzlich nur dann klar bestimmen, wenn die physische Lieferung aufgrund aller damit zusammenhängender Kosten wie Druck, Transport und Löhne der Zusteller in Zukunft einen bestimmten Betrag ausmacht und die digitale Lieferung lediglich einen Zehntel davon kostet. Was aber, wenn beide Varianten zu einem einheitlichen Preis geliefert werden?

Wir kommen nicht darum herum, gründlich zu überlegen, mit welchem Mehrwertsteuersatz digitale Produkte besteuert werden sollen, die in physischer Form einem reduzierten Steuersatz unterliegen. Die Motion von Dominique de Bumann vom 28. September 2012 greift dieses Thema auf und verlangt zumindest für das Kulturgut Buch den gleichen Steuersatz für die gedruckte Ausführung wie für das E-Book. Es ist diesbezüglich auch zu überlegen, wie mit E-Zeitungen und E-Zeitschriften umgegangen werden soll und mit welchem Steuersatz diese zu besteuern sind. Die Technologie und die Business-Modelle sind extrem schnell in ihrer Entwicklung. Unsere Überlegungen sollten daher nicht nur die heutige Realität beinhalten, sondern auch den Blick in die Zukunft.

Was in der Schweiz noch nicht für gros­sen Diskussionsstoff gesorgt hat, wird in der Europäischen Union (EU) bereits viel diskutiert. So wenden Frankreich und Luxemburg seit dem 1. Januar 2012 auf den digital übermittelten E-Books den reduzierten Steuersatz an, obwohl digital übermittelte E-Books nach der europäischen Mehrwertsteuer-Richtlinie – wie in der Schweiz – als auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen gelten, die dem allgemeinen und nicht dem ermäs­sigten Steuersatz unterliegen. Die Besteuerung von E-Books zum ermässigten Steuersatz – in der Schweiz wäre dies eine Gesetzesverletzung – bedeutet für die zwei Mitgliedstaaten eine Vertragsverletzung der einstimmig von allen Mitgliedstaaten angenommenen Vorschriften zur Mehrwertsteuer. Gleichzeitig haben die Verkäufe von E-Books durch die beiden Länder Frankreich und Luxemburg zum ermässigten Steuersatz zu einer Wettbewerbsverzerrung geführt, indem die Anbieter von E-Books in den übrigen EU-Mitgliedstaaten durch dieses nicht vertragsgemässe Verhalten benachteiligt werden. Die EU-Kommission, die für die Einhaltung der Verträge zuständig ist, hat die beiden Länder daher vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt, um die Anwendung der Vertragsbestimmungen im Zusammenhang mit den Vorschriften zur Mehrwertsteuer durchzusetzen und die Wettbewerbsverzerrung zu verhindern.

Die EU-Kommission hat aber auch die gegenwärtige und künftige Bedeutung der E-Books erkannt sowie ebenfalls erkannt, dass für ähnliche Gegenstände und Dienstleistungen ein und derselbe Mehrwertsteuersatz gelten und der technische Fortschritt berücksichtigt werden sollte. Deshalb ist sie mit den einzelnen EU-Mitgliedstaaten in einen Dialog getreten. Vorschläge zum Thema der ermässigten Steuersätze sind voraussichtlich Ende 2013 zu erwarten.

In der Schweiz bleibt abzuwarten, wie der Nationalrat die Motion de Bumann behandelt. Es gilt nicht nur darüber nachzudenken, wie E-Books im zunehmend digitalen Zeitalter zu besteuern sein werden, sondern auch, wie E-Books, E-Zeitungen und E-Zeitschriften definiert werden sollen, da die Seitenzahl wohl kein passendes Kriterium mehr darstellt. Ausserdem ist zu überlegen, wie sich E-Druckerzeugnisse von solchen mit Reklamecharakter abgrenzen lassen. Kurz: Die Schweiz hat sich die gleichen Überlegungen zu machen wie die EU, nämlich die Frage zu stellen und zu beantworten, ob die digitalen Pendants zu ihren traditionellen physischen Gütern dem gleichen Steuersatz unterliegen sollen und wie dabei der technische Fortschritt berücksichtigt werden soll. «

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