Recht

Handelsrecht

Massnahmen zum Schutz geistigen Eigentums

Das neue – in der Schweiz noch nicht ratifizierte – «Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen» (ACTA) soll die internationale Zusammenarbeit gegen Fälschung und Piraterie intensivieren. Bisherige Bestimmungen, wie das Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS), reichen offenbar nicht aus, und doch ist das Abkommen nicht unumstritten.
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ACTA ist die Abkürzung für «Anti-Counterfeiting Trade Agreement»; zu Deutsch «Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen». ACTA soll in den Vertragsstaaten wirksame und einheitliche Regelungen zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums fördern, wie Marken und Urheberrecht fördern. Dabei sind die Bestimmungen besonders über den Internet-Bereich sehr umstritten.

ACTA fördert die internationale Zusammenarbeit unter den Mitgliedsstaaten im Bereich der Bekämpfung der Fälschung und Piraterie und bietet diesen Staaten ein Forum für den entsprechenden Informations- und Erfahrungsaustausch. Das Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS) enthält ebenfalls Bestimmungen zur Rechtsdurchsetzung für geistiges Eigentum. Seit dem Inkrafttreten von TRIPS vor über 15 Jahren haben aber Fälschung und Piraterie stetig zugenommen. Deswegen sind die Bestimmungen von TRIPS nicht mehr ausreichend. ACTA ist in einigen Bereichen radikaler als TRIPS.

Faire Verfahren

In zivilrechtlichen Verfahren sollen die Gerichte gegenüber einer Partei anordnen können, dass sie eine Rechtsverletzung unterlässt. Oder das Gericht sorgt dafür, dass rechtsverletzende Waren nicht in die Vertriebswege gelangen. Dazu dienen auch schnelle und wirksame einstweilige Massnahmen. Dazu muss man die Möglichkeit bieten, die Beweise zu sichern.

Es sind angemessene, aber abschreckende Strafen in Fällen vorsätzlicher Verletzungen von Marken-, Urheber- oder verwandten Schutzrechten sowie Strafverfolgung von Amtes wegen in schweren Fällen vorzusehen. In der Schweiz können bereits heute vorsätzliche Verletzungen eines Immaterialgüterrechts bestraft werden.

Verfahren und Massnahmen müssen fair und gerecht und nicht unnötig kompliziert sein und gewährleisten, dass die Rechte der Betroffenen angemessen geschützt werden. Die Verfahren sind so anzuwenden, dass die Errichtung von Schranken für den rechtmässigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist.

Zollmassnahmen

Am Zoll soll nicht nur die Ein-, sondern auch die Ausfuhr erfasst werden, was in der Schweiz seit 1. Juli 2008 in allen Immaterialgüterrechtsgesetzen vorgeschrieben ist.

Für Einfuhr- und Ausfuhrwarensendungen sollen die Zollbehörden von Amts wegen tätig werden und verdächtige Waren zurückhalten. Die Rechteinhaber können bei den zuständigen Behörden einen Antrag zustellen, dass man die Freigabe verdächtiger Waren verhindert. Diese Massnahmen können auch für Transitwaren vorgeschrieben werden.

Wer ein Zurückhaltungsverfahren beantragt, hat eine angemessene Kaution oder eine gleichwertige Sicherheitsleistung zu erbringen, die ausreicht, um den Antragsgegner und die zuständigen Behörden zu schützen und einem Missbrauch vorzubeugen. Diese Sicherheitsleistung soll aber nicht zu stark abschrecken.

Die Zollmassnahmen sind auch auf Kleinsendungen von Waren mit gewerblichem Charakter anzuwenden. Hingegen enthält ACTA keine Verpflichtung für die Zollbehörden, im Reisegepäck von Privatpersonen nach gefälschten Markenprodukten zu suchen. Im Gegenteil: Das Abkommen stellt es den Mitgliedsstaaten ausdrücklich frei, nicht-gewerbliche Handlungen von Privatpersonen von den Zollhilfemassnahmen auszunehmen.

Die Staaten können die zuständigen Behörden ermächtigen, einem Rechteinhaber Informationen über bestimmte Warensendungen, einschliesslich der Beschreibung der Waren und Angaben zu ihrer Menge, zur Verfügung zu stellen, um die Identifizierung rechtsverletzender Waren zu erleichtern.

Schadenersatzberechnung

Für die Berechnung des Schadenersatzes können die Gerichte den Marktpreis der von der Verletzung betroffenen Ware oder Dienstleistung oder den empfohlenen Verkaufspreis berücksichtigen sowie jedes vom Rechteinhaber vorgelegte legitime Wertmass, mit dem man die entgangenen Gewinne berechnen kann.

  • Zumindest bei Verletzung des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte und bei Markennachahmung sollen die Gerichte anordnen dürfen, dass der Verletzer dem Rechteinhaber den aus der Rechtsverletzung erwachsenen Gewinn herausgibt. Eine Vertragspartei kann vermuten, dass dieser Gewinn der Höhe des Schadenersatzes entspricht.
  • Zumindest bei Verletzung des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte, mit denen Werke, Tonträger und Darbietungen geschützt werden, sowie bei Markennachahmung soll ein bestimmtes Entschädigungssystem eingeführt oder aufrechterhalten werden. Dieses kann Schadenersatz­beträge im Voraus festsetzen.

Die Vertragsstaaten können auch bestimmen, dass die Berechnung des Schadenersatzes auf der Grundlage von Vermutungen möglich ist. Dies sollen die Geschädigten als Alternative zu den oben genannten Methoden wählen können. Dabei lassen sich folgende Faktoren berücksichtigen:

  • Berechnung des Schadenersatzes aufgrund der Menge der rechtsverletzenden Waren, die tatsächlich an Dritte übergegangen sind, multipliziert mit dem Betrag des Gewinns je Einheit der Waren, die vom Rechteinhaber verkauft worden wären, wenn keine Verletzungshandlung stattgefunden hätte.
  • eine angemessene Lizenzgebühr
  • ein Pauschalbetrag, der mindestens der Vergütung oder Gebühr entspricht, die der Verletzer für die Erlaubnis zur Nutzung des betreffenden Rechts zu bezahlen hätte.

Zumindest im Fall von Urheberrechtsverletzungen sollen die Gerichte auch zusätzliche Schadenersatzleistungen anordnen können. Die unterlegene Partei hat der Gegenpartei die Gerichtskosten sowie angemessene Anwaltshonorare oder sonstige nach dem Recht dieser Vertragspartei vorgesehene Kosten zu erstatten.

ACTA im IT-Bereich

ACTA schützt ausdrücklich das geistige Eigentum im digitalen Umfeld, und zwar im Bereich von Zivil- und Strafrecht. Dafür sind verschiedene Massnahmen vorgesehen, z.B. Eilverfahren zur Verhinderung von Verletzungshandlungen und Rechtsbehelfe zur Abschreckung.

Die Bestimmungen von ACTA im IT-Bereich sind sehr umstritten, vor allem Art. 27 des Abkommens. Nach diesem können die zuständigen Behörden anordnen, dass Online-Diens­teanbieter einem Rechteinhaber unverzüglich die nötigen Informationen zur Identifizierung eines Teilnehmers offenlegen. Dazu muss der Rechteinhaber die Verletzung eines Marken-, Urheber- oder verwandten Schutzrechts rechtmässig geltend machen und sollte die Informationen nur dazu benützen, um seine Rechte zu schützen oder durchzusetzen. Diese Vorschrift ist für die Vertragsstaaten fakultativ.

In Art. 27 von ACTA wird mehrmals folgende Formulierung verwendet, so dass es fast wie eine Beschwörung wirkt: «Diese Verfahren sind so anzuwenden, dass rechtmässige Tätigkeiten, einschliesslich des elektronischen Handels, nicht behindert werden und dass Grundsätze wie freie Meinungsäusserung, faire Gerichtsverfahren und Schutz der Privatsphäre beachtet werden.» In einer Fussnote – diese muss man in ACTA auch gründlich lesen – heisst es: «Dies umfasst beispielsweise eine Regelung zur Beschränkung der Haftung von Internet-Diensteanbietern oder Rechts­behelfe gegen Internet-Diensteanbieter bei gleichzeitiger Wahrung von rechtmässigen Interessen der Rechteinhaber.»

Wichtig für den IT-Bereich sind die Vorschriften über die Umgehung wirksamer technischer Vorkehrungen, die zum Urheberrechtschutz dienen, z.B. Zugangskontrollen Kopierschutz, einen Schutzmechanismus wie Verschlüsselung oder Verzerrung oder einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung. Das ist in der Schweiz bereits Standard.

ACTA ist auch im Bereich des Internets mit dem Schweizer Recht vereinbar und es sind keine Gesetzesänderungen nötig. Urheberrechte sind jetzt schon im Internet durchzusetzen. ACTA enthält auch keine Verpflichtung zur Einführung einer sogenannten abgestuften Sanktion oder einer Sperrung des Internetzugangs im Falle wiederholter Urheberrechtsverletzungen. Auch die Verwendung urheberrechtlich geschützter Inhalte zum Privatgebrauch ist weiterhin möglich.

ACTA in der Schweiz

In der Schweiz ist als Erstes ein Vernehmlassungsverfahren durchzuführen. Die Unterzeichnung ist vom Bundesrat zu beschliessen und das Abkommen muss von der Bundesversammlung genehmigt werden. Erst nachher könnte ACTA von der Schweiz ratifiziert werden. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, das fakultative Staatsvertragsreferendum zu ergreifen.

In der Schweiz wird ACTA keine Gesetzesänderungen zur Folge haben. Die Schweiz verfügt seit der jüngsten Revision der Immaterialgüterrechtsgesetze per 1. Juli 2008 über wirkungsvolle und zeitgemässe Instrumente für die Rechtsdurchsetzung. Die Bestimmungen in ACTA sind mit dem bestehenden Schweizer Recht vereinbar. In einigen Bereichen geht das Schweizer Recht sogar weiter als ACTA.

ACTA steht den Verhandlungsparteien offen zur Unterschrift bis zum 1. Mai 2013. ACTA wurde am 1. Oktober 2011 durch eine erste Gruppe von Staaten ratifiziert, darunter Australien und Kanada. In den USA, die nach offiziellen Informationen schon unterschrieben haben, findet nun eine Diskussion statt, ob der Kongress noch zustimmen muss.

Hickhack in der EU

Die EU-Mitgliedsstaaten haben die Europäische Kommission ermächtigt, das Abkommen zu unterzeichnen. Diese hat am 22. Februar 2012 beschlossen, vom Europäischen Gerichtshof beurteilen zu lassen, ob Verletzungen europäischer Grundrechte im Abkommen enthalten sind. Dieses Vorhaben wurde wieder aufgegeben. Nach Pressemeldungen von Anfang April hat sich der Ausschuss für Internationalen Handel des Europäischen Parlaments dagegen ausgesprochen, ACTA vom Europäischen Gerichtshof prüfen zu lassen. So kann das EU-Parlament im Sommer über ACTA abstimmen.

Ende März wurde ein Sachstandsbericht der Europäischen Kommission bekannt. Darin heisst es, dass ACTA nicht scheitern dürfe, da dadurch die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union gefährdet werde. Auf keinen Fall dürfe man dem Druck der Internetgemeinde nachgeben. Sämtliche Einwände gegen ACTA seien unbegründet.

Der deutsche Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. hält Nachbesserungen an ACTA für erforderlich und betont, dass Verbraucher nicht durch ACTA kriminalisiert werden dürfen. Urheberrechtsschutz sei notwendig, darf aber nicht einseitig auf Kosten der Verbraucher, der Unternehmen der digitalen Wirtschaft oder der Vielfalt und Freiheit im Netz erfolgen. Der BVDW regt daher eine grundsätzliche Weiterentwicklung des Urheberrechts für einen modernen Rechtsrahmen an. Dieser muss Kreativität, Vielfalt und Freiheit in einen angemessenen Ausgleich bringen und insbesondere die Position der Kreativen stärken.

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