Mit seinem Urteil aus dem Jahre 2014 hatte das Bundesgericht die Kündigung eines älteren Mitarbeiters mit langer Dienstzeit als missbräuchlich qualifziert, da der Arbeitgeber diesen nicht rechtzeitig über die beabsichtigte Kündigung informiert, angehört und nach Lösungen für die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses gesucht hatte. In solchen Situationen träfen den Arbeitgeber erhöhte Fürsorgepflichten, die einzuhalten seien, da andernfalls eine Kündigung als missbräuchlich gelte. In seinen Urteilen aus dem Jahre 2021 hat das Bundesgericht diesen etwas «apodiktisch» ausgefallenen Entscheid aus dem Jahre 2014 korrigiert.
Einsprache- und Klagefrist
Vorab ist festzuhalten, dass bei der Geltendmachung einer missbräuchlichen Kündigung der Mitarbeitende bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Einsprachefrist zu beachten hat. Dabei muss er dem Arbeitgeber schriftlich erklären, dass er mit der Kündigung nicht einverstanden ist und er somit Einsprache erhebt. Abgesehen vom Arbeitsgericht Zürich, welches ein unterzeichnetes Schreiben verlangt, scheinen die übrigen Arbeitsgerichte auch eine Einsprache per E-Mail oder SMS zu akzeptieren. Des Weiteren ist innerhalb von 180 Tagen seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses Klage vor dem zuständigen Gericht zu erheben, andernfalls der geltend gemachte Anspruch aus der missbräuchlichen Kündigung verwirkt.
Entschädigung
Geltend gemacht werden kann im Grundsatz eine Entschädigung. Sofern die Parteien sich nicht einigen können, wird diese vom Richter unter Würdigung aller Umstände festgesetzt. Maximal kann der Anspruch auf einen Betrag in Höhe von sechs Monatslöhnen festgesetzt werden. Erfolgt die Kündigung ausschliesslich, um die Entstehung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis zu vereiteln, beträgt die Entschädigung maximal zwei Monatslöhne.
Eine Weiterführung des gekündigten Arbeitsvertrages kann zwar zwischen den Parteien vereinbart werden, ist aber in der Praxis kaum anzutreffen und auch als gesetzliche Rechtsfolge nicht vorgesehen. Mit anderen Worten endet das Arbeitsverhältnis trotz missbräuchlicher Kündigung. Eine durch das Gericht erzwungene Weiterführung des Arbeitsverhältnisses, wie es Deutschland unter gewissen Voraussetzungen nach dem Kündigungsschutzgesetz kennt, ist in der Schweiz ausgeschlossen.
Keine Abgaben
Dabei ist zu beachten, dass eine sogenannte Pönale nach Art. 5 Abs. 2 AHVG nicht als massgebender Lohn qualifiziert, das heisst, darauf sind keine Sozialversicherungsabgaben zu entrichten. Die seit Anfang 2022 angepasste Randziffer 2097 der Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO sieht zwar vor, dass von ebendiesem massgebenden Lohn nur noch die richterlich zugesprochenen Entschädigungszahlungen ausgenommen sind, hingegen nicht die unter den Parteien einvernehmlich, aussergerichtlich oder während eines Verfahrens festgesetzte Entschädigungszahlung.
Wir gehen davon aus, dass diese Revision der Wegleitung bald wieder rückgängig gemacht wird. Dies deshalb, weil bereits in diversen kantonalen und eidgenössischen Entscheiden eine Unterstellung unter den massgebenden Lohn verneint worden ist (insbesondere BGE 136 III 96 und Urteil des Kantonsgerichts Freiburg vom 2. Juni 2021). Zudem unterliegt die Zahlung nicht der Einkommensbesteuerung, sofern vom Steuerpflichtigen dargelegt werden kann, dass es sich bei der Zahlung um eine Genugtuungs- und Schadenersatzleistung gemäss Art. 336a OR handelt. In diesem Fall fliesst dem Steuerpflichtigen die Entschädigungszahlung steuerfrei zu.
Stellung des Bundesgerichts
Im eingangs erwähnten, neuen Entscheid des Bundesgerichts hat dieses klargestellt, dass ältere Mitarbeitende mit langer Dienstzeit keine spezielle Kategorie von Arbeitnehmern bilden, welche in Annäherung an das öffentliche Dienstrecht (Informations-, Anhörungsrecht und Pflicht zur Lösungssuche) durch die erhöhten Fürsorgepflichten des Arbeitgebers besonders zu schützen sei. Es bezeichnete die Formulierungen im alten Entscheid zu den erhöhten Fürsorgepflichten als «etwas apodiktisch».
Obwohl die Annäherung an das öffentliche Dienstrecht bei solchen Arbeitnehmern aus sozialpolitischer Hinsicht von gewissen Stimmen begrüsst worden war, stellte das Bundesgericht klar, dass die Beurteilung einer missbräuchlichen Kündigung einzelfallbezogen aufgrund einer Gesamtwürdigung der jeweiligen Umstände zu erfolgen habe; unabhängig davon, ob es sich um ältere oder jüngere Mitarbeitende handle. Es betonte aber auch, dass bei einem älteren Arbeitnehmer der Art und Weise der Kündigung besondere Beachtung zu schenken sei, ohne dabei zu präzisieren, was es damit meinte. Immerhin ergibt sich daraus, dass trotz der erfolgten Klarstellung weiterhin umsichtiges Handeln bei einer Kündigung angezeigt ist. Aber wann ist nun eine Kündigung missbräuchlich?