Recht

Handelsrecht

Im EU-Parlament gescheitert – gehört ACTA jetzt zu den Akten?

Das umstrittene Urheberrechtsabkommen ACTA wurde durch das EU-Parlament abgelehnt und kann somit von der EU nicht unterzeichnet werden. Dabei stellt sich die Frage, ob dieser Entscheid im Interesse des geistigen Eigentums richtig war, weil man damit absolut berechtigte Ziele erreichen will. In der Schweiz ist der Entscheid noch offen.
PDF Kaufen

ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) sieht wirksame Durchsetzungsverfahren gegen die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums vor. Die Umsetzung in der EU wurde im Juli durch das EU-Parlament abgelehnt. Deswegen kann ACTA in der EU nicht rechtskräftig werden. 478 Parlamentarier stimmten gegen ACTA, 39 dafür. 165 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Der schwedische Abgeordnete Christofer Fjellner (EVP, SE), überzeugter ACTA-Befürworter, schlug in der letzten Debatte vor der Abstimmung vor, das Parlament sollte seine Schlussabstimmung bis zur Urteilsverkündung des Europäischen Gerichtshofes hinsichtlich der Vereinbarkeit von ACTA mit EU-Recht verschieben. Da eine Mehrheit der Abgeordneten sich diesem Vorschlag widersetzte, reagierte eine nicht unerhebliche Minderheit mit Stimmenthaltung bei der Abstimmung. Die Bereiche Produkt- und Markenpiraterie sollten nun in einem separaten Abkommen geregelt werden, meinte zuletzt eine Sprecherin der deutschen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).

Überwachung auch ohne ACTA

Die Ablehnung von ACTA ist eine Reaktion auf eine massive internationale Protestwelle. Diese bezog sich vor allem auf den – zugestanden nicht unproblematischen – Artikel 27 des Abkommens. Nach diesem können die zuständigen Behörden anordnen, dass Onlinediens­te-Anbieter einem Rechteinhaber unverzüglich die nötigen Informationen zur Identifizierung eines Teilnehmers offenlegen. Diese Vorschrift ist für die Vertragsstaaten freiwillig. In Art. 27 von ACTA wird mehrmals betont, dass diese Verfahren so anzuwenden sind, dass rechtmässige Tätigkeiten nicht behindert werden und Grundsätze wie freie Meinungsäusserung, faire Gerichtsverfahren und Schutz der Privatsphäre beachtet werden. Auf diesen Artikel 27 bezog sich der Protest. Man befürchtete Überwachung des Internets, Behinderung der Meinungsfreiheit. Von den Medien wurde dieser Punkt aufgebauscht, wozu auch beigetragen hat, dass ACTA schwerfällig und missverständlich formuliert ist. Bei der ganzen Kampagne wurde kaum beachtet, dass das Internet heute bereits unter Kontrolle steht und diese mit ACTA nichts zu tun hat. Mails, die einen Umweg über bestimmte Staaten machen, werden gespeichert und niemand weiss, was damit geschieht. Der beliebte Vorwand dafür heisst Terrorbekämpfung.

In den Medien konnte man selten lesen, dass man mit ACTA grösstenteils absolut berechtigte Forderungen durchsetzen will. Das ACTA-Abkommen soll auf internationaler Ebene die Bekämpfung der gross angelegten und kommerziell orientierten Warenfälschung und -Piraterie erleichtern und die Einfuhr gefälschter Waren verhindern. Die internationale Zusammenarbeit unter den Mitgliedsstaaten soll verstärkt werden. Das Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS) ist zum Schutz von geistigem Eigentum nicht mehr ausreichend.

Berechtigte Forderungen

Nicht alle sind begeistert davon, dass das Europäische Parlament die Umsetzung von ACTA verweigerte. «Hirnloses Einknicken der Politik vor ein paar wenigen, radikalen Vertretern einer inakzeptablen Gratiskultur» nannte Jochen Rädeker, Chef des Art Directors Club (ADC), den ACTA-Entscheid. Nach Meinung von Rädeker ist das Scheitern von ACTA ein Lehrstück für Politiker, die mit der Generation der Digital Natives nichts anfangen können und plötzlich erschrocken feststellen würden, dass diese Generation inzwischen wahlberechtigt sei. Rädeker fordert, dass statt ACTA nun Massnahmen eingeführt werden, die die Verbreitung von Inhalten über das Internet möglich machen, ohne dass Kunst und Kreation dauerhaft zum brotlosen Job werden – das ist sehr richtig.

Auch Geo-Chefredakteur und «Gruner + Jahr» Aufsichtsrat Peter Matthias Gaede bezeichnete die Argumentationen der ACTA-Gegner als «Verlogenheit derer vom Stamme Nimm». Dabei ist allerdings zu beachten, dass viele Medien auf das Internet zu spät reagiert und ihre Leistungen zu lange gratis angeboten haben. Gaede veröffentlichte einen Aufruf an Redakteure von gedruckten Zeitungen, den Wert des geistigen Eigentums zu verteidigen. Rund 60 namhafte Chefredakteure haben den Appell unterzeichnet.

Die Leistungen der Kreativen bilden die Grundlage des Internet. Gerade diese verdienen daran am wenigsten. Man kann nicht erwarten, dass die Kreativen ihre Leistungen gratis oder zu niedrigen Preisen zur Verfügung stellen. Das wäre ungerecht. Vielleicht sollte man mal einen internationalen Streik der Kreativen organisieren. Damit man nicht Privatleute kriminalisieren muss, die Musik oder Texte herunterladen, könnte man eine fixe Steuer einführen, die nach dem Prinzip der Verwertungsgesellschaften unter die Kreativen verteilt wird.

Zeichen setzen in der Schweiz

Ausserhalb der EU wurde ACTA bereits unterschrieben von: Australien, Kanada, Japan, Marokko, Neuseeland, Singapur, Südkorea und den USA. Der Schweizer Bundesrat wird sich voraussichtlich noch dieses Jahr mit ACTA beschäftigen. Wie allerdings entschieden wird, ist noch völlig offen. Hiermit sei der Bundesrat aufgefordert, ein Zeichen zu setzen. Man kann von der Schweiz aus sogar die Initiative ergreifen, um den umstrittenen Artikel 27 zu verbessern, zumal in der Schweiz geistiges Eigentum und Innovation immer schon zu den wichtigsten Wirtschaftsfaktoren gehörten. Damit kann die Schweiz der EU endlich wieder demonstrieren, dass sie ein unabhängiges Land ist. Noch wichtiger wäre, ein Zeichen zu setzen gegen den Einfuhr gefälschter Produkte sowie gegen Piraterie und Gratiskultur.