Recht

E-Invoicing (Teil 1 von 2)

Grundlagen der elektronischen Rechnungsstellung

Der vorliegende Beitrag soll Licht ins Dunkel der elektronischen Rechnungsstellung und Archivierung bringen. Der erste Teil des Beitrages befasst sich mit den gesetzlichen Grundlagen und der elektronischen Rechnungsstellung. Der zweite Teil («KMU-Magazin», Ausgabe 6/7-12) wird sich sodann mit der elektronischen Archivierung befassen.
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Die elektronische Rechnungsstellung und Archivierung (E-Invoicing) gewinnt für Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Für die elektronische Variante sprechen Kosten- und Effizienzvorteile sowie die Möglichkeit der nahtlosen Einbindung in bestehende EDV-Prozesse. Dies wiederum ist verbunden mit einer schnelleren Zahlungsabwicklung.

Viele Anwender übersehen jedoch: Der Gesetzgeber stellt besondere Anforderungen an den elektronischen Rechnungsversand und deren Archivierung. Können diese nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, so besteht insbesondere für den Rechnungsempfänger aus mehrwertsteuerlicher Sicht die Gefahr, den Vorsteuerabzug zu verlieren.

Gesetzliche Grundlagen

Der Rechnung kommt im Geschäftsverkehr als Beleg für die Buchhaltung, für die Steuerer-hebung und den Vorsteuerabzug bei der Mehrwertsteuer eine zentrale Bedeutung zu, weshalb bei der elektronischen Rechnungsstellung und Archivierung die handels- und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen sind.

Ausgangspunkt bildet das Rechnungslegungsrecht des Schweizerischen Obligationenrechts (OR). Das OR legt in den Artikeln 957 und 962 die Pflicht zur ordnungsgemäs­sen Buchführung und Aufbewahrung im Grundsatz fest. Danach können die Bücher, die Buchungsbelege und die Geschäftskorrespondenz schriftlich, elektronisch oder in vergleichbarer Weise geführt und aufbewahrt werden, soweit dadurch die Übereinstimmung mit den zugrunde liegenden Geschäftsvor­fällen gewährleistet ist. Das Rechnungslegungsrecht wird durch die Geschäftsbücherverordnung (GeBüV) ergänzt, welche die Anforderungen an die Geschäftsbücher, Bu-chungsbelege und Geschäftskorrespondenz, welche in elektronischer Weise geführt, erfasst und aufbewahrt werden, festlegt.

Die mehrwertsteuerrechtlichen Anforderungen an die elektronische Rechnung werden durch das Mehrwertsteuergesetz (MWSTG), die Mehrwertsteuerverordnung (MWSTV) und durch die Verordnung des Eidgenössischen Finanzdepartements über elektronische Daten und Informationen (ElDI-V) definiert. Die ElDI-V regelt die technischen, organisatorischen sowie verfahrenstechnischen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit elektronische Rechnungsdaten im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug, der Steuererhebung oder dem Steuerbezug von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) als eindeutiges Beweismittel akzeptiert werden.

Begriff und Inhalt

Als Rechnung im Sinne des Mehrwertsteuerrechts gilt jedes Dokument, unabhängig von dessen Bezeichnung, mit dem gegenüber einer Drittperson über das Entgelt für eine Leistung abgerechnet wird (Art. 3 lit. k MWSTG). Die inhaltlichen Anforderungen der Rechnung werden in Art. 26 MWSTG konkretisiert (siehe Kasten «Allgemeine Rechnungsmerkmale»).

Wie eine Rechnung in Papierform hat die elektronische Rechnung die allgemeinen Inhaltsanforderungen zu erfüllen, um von der ESTV als gültige Rechnung akzeptiert zu werden. Elektronische Rechnungen unterliegen aber zusätzlichen Vorschriften, da gewährleistet werden muss, dass die Rechnung nicht im Nachhinein manipuliert werden kann, was bei elektronischen Rechnungen einfacher zu bewerkstelligen wäre, als bei Papierrechnungen.

Beweiskraft

Einer elektronischen Rechnung wird gemäss Art. 122 Abs. 1 MWSTV nur dann die gleiche Beweiskraft zuerkannt wie einer solchen in Papierform, wenn der Nachweis des Ursprungs, der Integrität und die Nichtabstreitbarkeit des Versands gewährleistet sind. Der Nachweis des Ursprungs oder Authentizität bedeutet, dass der Leistungsempfänger die Gewissheit hat, dass die Rechnung tatsächlich von demjenigen stammt, der vorgibt, der Rechnungsaussteller zu sein. Der Nachweis der Integrität ist erbracht, wenn der Leistungsempfänger feststellen kann, dass die Rechnung seit ihrer Ausstellung nicht verändert wurde.

Die Nichtabstreitbarkeit des Versands schützt den Leistungserbringer sodann davor, dass der Versand der elektronischen Rechnung nachträglich bestritten werden kann. Integrität und Authentizität der Rechnung sowie die Signaturberechtigung müssen vom Zeitpunkt der Ausstellung bis zum Ende der Dauer der Aufbewahrung, in der Regel während 10 Jahren, durch Verifikation der elektronischen Signatur geprüft werden können (Art. 3 Abs. 1 lit. c ElDI-V).

Unterscheidung E-Signaturen

Für die Gültigkeit der elektronischen Rechnung wird eine fortgeschrittene elektronische Signatur verlangt, die auf einem Zertifikat eines nach Art. 3 des Bundesgesetzes über die elektronische Signatur (ZertES) anerkannten Anbieters von Zertifizierungsdiensten basiert (Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. a ElDI-V). Im Unterschied zur qualifizierten elektronischen Signatur muss das Zertifikat, d.h. die elektronische Bescheinigung, mit welcher die Signatur einer Person zugeordnet und deren Identität bestätigt wird, nicht qualifiziert sein. Die Anforderungen sind folglich geringer als bei einer qualifizierten elektronischen Signatur, welche nur einer natürlichen Person zugerechnet werden kann und gemäss Art. 14 Abs. 2bis OR der handschriftlichen Unterschrift gleichgestellt ist. Grund dafür ist, dass auch bei Papierrechnungen keine handschriftliche Unterschrift von der Mehrwertsteuergesetzgebung verlangt wird. Selbstverständlich genügt eine qualifizierte elektronische Signatur den mehrwertsteuerrechtlichen Anforderungen ebenfalls, sofern sie keine Einschränkungen enthält, welche den Anforderungen der ElDI-V entgegenstehen.

Folgedessen werden Leistungserbringer, die Rechnungen als einfache Dateien (z.B. per E-Mail als PDF) zustellen, den Anforderungen mehrwertsteuerpflichtiger Unternehmen im Hinblick auf den Vorsteuerabzug nicht gerecht. Umgekehrt genügt eine solche Zustellung aber bei privaten Rechnungsempfängern, die keine Vorsteuer abziehen. Der Rechnungsempfänger, der den Vorsteuerabzug auf Basis der elektronischen Rechnung geltend machen möchte, hat nach abgeschlossener Übermittlung die Authentizität und Integrität der Signatur zu überprüfen. Das Resultat der Signaturprüfung ist zu dokumentieren und aufzubewahren.

Auslandsgeschäfte

Für elektronische Rechnungen vom Ausland in die Schweiz gelten aufgrund des Territorialitätsprinzips die schweizerischen Grundsätze und Formvorschriften nicht (Art. 3 lit. a und Art. 4 MWSTG). Der schweizerische Leistungsempfänger muss vom ausländischen Leistungserbringer lediglich verlangen, dass seine Rechnung einen genügenden Leistungsbeschrieb enthält, mit dem die Vorsteuerabzugsberechtigung der Leistung beurteilt werden kann. Bei der Einfuhr von Gegenständen gilt die Veranlagungsverfügung der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) als Nachweis, dass die Mehrwertsteuer bei der Einfuhr bezahlt worden ist. Beim Bezug von Dienstleistungen aus dem Ausland kann der Vorsteuerabzug in der Höhe der vom Leistungsempfänger für den Bezug deklarierten Bezugssteuer aufgrund der Gesamtheit der Belege geltend gemacht werden.

Für schweizerische Leistungserbringer, die elektronische Rechnungen an ausländische Leistungsempfänger stellen, sind die genannten gesetzlichen Bestimmungen anwendbar. Es gilt gegenüber der ESTV zu belegen, dass die elektronischen Rechnungen berechtigterweise ohne Mehrwertsteuer gestellt wurden. Bei der Ausfuhr von Gegenständen ist dieser Nachweis anhand der Veranlagungsverfügung der EZV zu erbringen (Art. 92 Zollverordnung). Damit ist aber nicht auch gesagt, dass die schweizerischen Formvorschriften für elektronische Rechnungen den ausländischen umsatzsteuerrechtlichen Anforderungen genügen.

Die Rechnungsstellungsvorschriften der EU beispielsweise waren – bis vor Erlass der Richtlinie 2010/45/EU vom 13. Juli 2010 zur Änderung der Mehrwertsteuerrichtlinie 2006/112/EG – strenger: Der Nachweis der Echtheit der Herkunft und der Unversehrtheit des Inhalts einer elektronischen Rechnung konnten in der EU bislang nur mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder dem elektronischen Datenaustausch-Verfahren (EDI) erbracht werden; mit Letzterem aber nur, wenn Verfahren vorgesehen sind, welche die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten. Mit Umsetzung der Änderungsrichtlinie 2010/45/EU in den einzelnen EU-Ländern ist die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur oder eines elektronischen Datenaustauschverfahrens für die elektronische Übermittlung nur noch optional und nicht mehr verpflichtend.

Neu können die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung durch jegliches innerbetriebliches Kontrollverfahren gewährleistet werden, das einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Leistung und Rechnung herstellen kann. Ziel der Änderung der Mehrwertsteuerrichtlinie ist es, eine Gleichstellung zwischen Papier- und elektronischer Rechnung zu bewirken und mit einer Senkung der Anforderung der vermehrten Verbreitung der elektronischen Rechnung zum Durchbruch zu verhelfen. Noch offen ist, ob auch die Schweiz diese Änderung übernehmen wird, oder, insbesondere mit Blick auf die Rechts- und Investitionssicherheit, an der fortgeschrittenen elektronischen Signatur festhält.

Ausblick

Die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Umsetzung der elektronischen Rechnungsstellung wurden geschaffen, um Unternehmen Möglichkeiten zur Optimierung und Beschleunigung von Prozessen zu geben. Die technisch und rechtlich korrekte Umsetzung erfordert zwar einen hohen Aufwand und den Einsatz von Fachkräften, was aber auf Dauer durch die erzielten Kosteneinsparungen gegenüber Papierrechnungen wettgemacht wird. Die rechtlichen Anforderungen an die elektronische Rechnungsstellung in den einzelnen Ländern sind, insbesondere was das Verhältnis CH/EU betrifft, in Bezug auf den Nachweis der Echtheit des Ursprungs, der Unverändertheit des Inhalts sowie der Lesbarkeit der Daten bis zum Ende der Aufbewahrungsfrist weitgehend angeglichen, doch sind die technischen Verfahren zum Nachweis dieser Voraussetzungen heute noch zu unterschiedlich geregelt. Insbesondere hat sich die EU mit der Änderungsrichtlinie 2010/45/EU von der expliziten Forderung eines technischen Verfahrens verabschiedet.

In Zukunft ist zu hoffen, dass die europäischen Länder die technischen und rechtlichen Anforderungen sowie Verfahren weiter harmonisieren und dadurch eine einfachere Verbreitung der elektronischen Rechnung möglich wird.

Unternehmen, welche die Umstellung auf die elektronische Rechnungsstellung in Erwägung ziehen, ist zu empfehlen, unter Beizug von Experten sorgfältig abzuklären, wie die Voraus-setzungen eines erfolgreichen E-Invoicing erfüllt werden können.