Recht

Markenrecht

Frühzeitiger Schutz vor Konkurrenz und Markenklau

Mit der nachfolgenden hypothetischen Fallstudie soll eine Situation veranschaulicht werden, wie sie in der markenrechtlichen Praxis in unterschiedlichen Varianten immer wieder anzutreffen ist. Sie zeigt, welche Vorteile es für Unternehmen hat, Markenschutz rechtzeitig zu erwirken.
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Hans Kast (sämtliche in diesem Beitrag verwendete Namen sind fiktiv) hat im Jahr 2007 nach dem unerwarteten Tod seines Vaters die Führung des Familienbetriebs Kast Hiprec AG übernommen. Die Firma Kast Hiprec AG produziert hochpräzise Sensoren, die in Medizin- und in Elektronikgeräten verwendet werden. Abnehmer dieser Produkte sind hauptsächlich Schweizer Produzenten.

In den letzten Jahren ist es der Firma Kast Hiprec AG aber gelungen, ihre Produkte zunehmend auch in Deutschland, insbesondere im grenznahen Raum, abzusetzen. Die Produkte der Firma Kast Hiprec AG werden unter der Dachmarke HIPREC vertrieben. Bei den einzelnen Produkten wird die Marke HIPREC zusätzlich mit einer Typenbezeichnung aus Buchstaben- und Zahlen ergänzt (z.B. HIPREC S100).

Das erfolgreichste Produkt der Firma Kast Hiprec AG ist ein Feuchtigkeitssensor, der unter der Marke HIPREC F500 vertrieben wird. Hans Kast plant, mit diesem Produkt in weitere Märkte zu expandieren. Die Marke HIPREC wurde bisher weder in der Schweiz noch im Ausland geschützt. Der Vater von Hans Kast war der Ansicht, dass die Marke HIPREC bereits durch den Firmennamen Kast Hiprec AG hinreichend geschützt sei und wollte unnötige Kosten vermeiden. Jedoch hat Kast am 13. Dezember 2008 den Domainnamen «hiprec.ch» eingetragen und für seine Firma einen zeitgemässen Inter­netauftritt kreiert.

Anfang 2009 wurde Kast darauf aufmerksam gemacht, dass die deutsche Firma Hiprec GmbH unter der Marke HIPREC Sensoren vertreibt, die sie offenbar von einem Konkurrenzunternehmen aus Taiwan bezieht. Das taiwanesische Unternehmen war Kast bereits früher aufgefallen, hat es doch in immer kürzeren Abständen die Neuentwicklungen der Kast Hiprec AG kopiert, jedoch bisher unter einer anderen Marke in asiatischen Märkten vertrieben.

«Verkehrte» Welt

Bei einer Nachschau auf der Webseite «www.hiprec.de» der Firma Hiprec GmbH musste Kast feststellen, dass diese Firma nicht nur die Marke HIPREC verwendet, sondern auch die einzelnen Typenbezeichnungen für die verschiedenen Sensoren übernommen hat.

Kast fordert die Firma Hiprec GmbH mit eingeschriebenem Brief umgehend auf, die Benutzung seiner Marke HIPREC sowie der Typenbezeichnungen zu unterlassen. Kurz darauf erhält Kast Post von der deutschen Anwaltskanzlei Lippe & Partner. Rechtsanwalt Lippe fordert Kast unter Hinweis auf die Rechte der Firma Hiprec GmbH an der Firma und Marke HIPREC auf, die Benutzung der Marke HIPREC in Zusammenhang mit Sensoren in der Schweiz und in Deutschland sofort zu unterlassen und allfällig noch vorhandene Produkte und Prospekte, die mit der Marke HIPREC versehen sind, zu vernichten und den Domainnamen «hiprec.ch» auf seine Mandantin zu übertragen. Gleichzeitig fordert Rechtsanwalt Lippe namens seiner Mandantin von der Firma Kast Hiprec AG Schadenersatz wegen Markenverletzung sowie die Übernahme der Anwaltskosten der Hiprec GmbH.

Abklärungen der von Hans Kast beigezogenen Patent- und Markenanwaltskanzlei Furrer & Arnold haben ergeben, dass die Firma Hiprec GmbH in der Tat für das Zeichen HIPREC über eine deutsche sowie über eine internationale Markeneintragung mit Schutzausdehnung auf die Schweiz und die EU verfügt. Diese Marken beanspruchen das Prioritätsdatum vom 1. März 2008.

Die zuständige Rechts- und Markenanwältin Arnold kann Kast vorerst teilweise beruhigen. Sie weist ihn auf das in Artikel 14 des Schweizer Markenschutzgesetzes enthaltene Weiterbenutzungsrecht hin, gemäss welchem der Inhaber einer Marke einem Dritten nicht verbieten kann, ein Zeichen, das der Dritte bereits vor der Hinterlegung der Marke gebraucht hat, im bisherigen Umfang weiterzubenutzen. Jedoch muss ihn Markenanwältin Arnold darauf hin­weisen, dass er weder in der Schweiz noch in Deutschland über eingetragene Rechte verfügt, um der Hiprec GmbH die Verwendung der Marke HIPREC zu verbieten. Insbesondere könne in der Schweiz gestützt auf die firmenrechtlichen Bestimmungen nicht gegen die Eintragung und Benutzung einer mit einer Firma identischen oder verwechselbar ähnlichen Marke vorgegangen werden.

Anwältin Arnold beurteilte das Vorgehen der deutschen Hiprec GmbH jedoch als unlauter und empfahl Kast, gestützt auf das Gesetz gegen den un­lauteren Wettbewerb gegen die Verwendung des Zeichens HIPREC durch die Hiprec GmbH in der Schweiz vorzugehen. Vor Handelsgericht konnte Herr Kast denn auch erfolgreich nachweisen, dass seine Firma die Marke HIPREC bereits seit Jahrzehnten benutzt und diese Marke im Markt für Sensoren bekannt ist. Das Handelsgericht führte in seinem Urteil aus, dass zwischen den Waren und der Firma der Kast Hiprec AG und der Hiprec GmbH eine lauterkeitsrechtlich relevante Verwechslungsgefahr bestehe und die Hiprec GmbH den Ruf der Marke HIPREC und der Firma der Kast Hiprec AG ausbeute. Es verbot der Hiprec GmbH, in der Schweiz unter der Marke HIPREC Sensoren zu vertreiben und dieses Zeichen als Firmenbestandteil zu benutzen. Gleichzeitig verfügte das Handelsgericht, dass die internationale Marke HIPREC der Hiprec GmbH in der Schweiz nichtig sei.

In Deutschland gestaltete sich das Verfahren komplizierter. Zwar kann in Deutschland ein benutztes, aber nicht eingetragenes Zeichen als sogenannte Benutzungsmarke Markenschutz geniessen, wenn es von einem massgeblichen Teil der beteiligten Verkehrskreise einem bestimmten Unternehmen zugeordnet wird. Eine kostspielige Umfrage in der Branche ergab jedoch nicht die für den Markenschutz erforderliche Bekanntheit. Die Kast Hiprec AG konnte sich aber dank der bereits vor der Hinterlegung der Marke HIPREC durch die Hiprec GmbH nachweisbaren geschäftlichen Kontakte nach Deutschland auf eine frühere Benutzung und den Schutz der Kombination «Kast Hiprec» als Firma berufen. Anders als in der Schweiz kann in Deutschland auch gestützt auf eine Firma gegen die Eintragung und Benutzung einer identischen oder verwechselbar ähnlichen Marke vorgegangen werden. Das Landesgericht wies jedoch die Klage der Kast Hiprec AG erstinstanzlich ab, da es den mit der gegnerischen Firma und Marke übereinstimmenden Firmenbestandteil «Hiprec» im Sinne von «high precision» interpretierte und als beschreibend und bloss schwach kennzeichnungskräftig einstufte. Es kam deshalb gesamthaft zum Schluss, dass der Firmenname Kast Hiprec AG nicht mit der Marke HIPREC und der Firma Hiprec GmbH verwechselbar sei.

Erst in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht gelang es der Kast Hiprec AG, ihre Rechte an der Geschäftsbezeichnung «Kast Hiprec» gegen die Hiprec GmbH durchzusetzen. Das Oberlandesgericht kam zum Schluss, dass «Hiprec» eine hinreichende und schutzfähige Abwandlung des Begriffs «high precision» sei und in der Geschäftsbezeichnung «Kast Hiprec» eine selbstständig kennzeichnende Stellung behalte. Zudem ging das Oberlandesgericht aufgrund der Übernahme auch der Typenbezeichnungen davon aus, dass die Hiprec GmbH die Marke HIPREC im Wissen um die bestehende Benutzung durch eine Konkurrentin bösgläubig hinterlegte.

Die Hiprec GmbH wurde demgemäss verurteilt, die Benutzung des Zeichens HIPREC als Marke, Geschäftsbezeichnung und Domainnamen zu unterlassen. Zudem ordnete das Oberlandesgericht die Löschung der deutschen Marke HIPREC der Hiprec GmbH an, die als Basismarke für deren internationale Marke diente. Dies führte aufgrund der gerade noch bestehenden fünfjährigen Abhängigkeit der internationalen Marke zur Löschung der gesamten internationalen Marke der Hiprec GmbH, womit die Hiprec GmbH sämtlicher Markenrechte am Zeichen HIPREC verlustig ging.

Der Kast Hiprec AG wurde vom Handelsgericht und vom Oberlandesgericht zwar eine Prozessentschädigung zugesprochen. Diese erwiesen sich jedoch später als uneinbringlich, da die Hiprec GmbH kurze Zeit später in Konkurs ging. Das Geschäft der taiwanesischen Konkurrentin wurde währenddessen in Deutschland von einer neu gegründeten Gesellschaft weitergeführt. Im Internet hatte sich die neue Gesellschaft den Domainnamen «hiprec.com» gesichert.

Da Markenanwältin Arnold nach Rücksprache mit Kast nach der ersten Konsultation die Marke HIPREC umgehend unter anderem in der Schweiz und der EU hinterlegt hatte, konnte die Kast Hiprec AG ihre Marke HIPREC jedoch bei den Zollämtern der Schweiz und der EU registrieren lassen und den Import weiterer Sensoren der taiwanesischen Konkurrentin unter der Marke HIPREC durch den Zoll verhindern lassen. Ebenfalls gestützt auf ihre eingetragene Marke konnte die Kast Hiprec AG im Rahmen eines speziellen und kostengünstigen Streitbeilegungsverfahrens erreichen, dass der Domainnamen «hiprec.com» auf sie übertragen wurde.

Hätte die Kast Hiprec AG ihre Marke HIPREC frühzeitig hinterlegt und überwacht, so wäre ihr auch die Möglichkeit offengestanden, in einem kostengünstigen markenrechtlichen Widerspruchsverfahren bereits die Eintragung der Marke HIPREC durch die Hiprec GmbH zu verhindern.

Vor Gericht wäre die Rechtslage mit einer eingetragenen Marke sowohl im In- als auch im Ausland klar und die Erwirkung eines gerichtlichen Benutzungs­Verbotes mit wenig Aufwand verbunden gewesen. Nicht zuletzt entfaltet deshalb eine Markeneintragung gegen mögliche Nachahmer auch eine abschreckende Wirkung. Die Eintragung einer Marke in den relevanten Registern ist also für den Schutz und die einfache Durchsetzung der Markenrechte unabdingbar. Bei Fehlen einer Markeneintragung kann in der Schweiz gegen die Verletzung der Marke nur bei Vorliegen von besonderen Umständen gestützt auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vorgegangen werden. Auch die Eintragung eines gleichlautenden Firmennamens im Handelsregister kann die Markeneintragung nicht ebenbürtig ersetzen.

Die Kosten für eine Markenanmeldung und die Kosten für die Durchsetzung von Markenrechten bei Fehlen einer eingetragenen Marke stehen in keinem Verhältnis, und das Fehlen einer Markeneintragung kann unter Umständen sogar zum Verlust der Marke führen. Es empfiehlt sich deshalb, periodisch zu überprüfen, ob die benutzten Produktnamen in den relevanten Produktions- und Absatzmärkten als Marken geschützt sind, und bei der Neueinführung eines Produkts abzuklären, ob die für das Produkt vorgesehene Marke schutzfähig und das Produkt patentierbar oder dem Designschutz zugänglich ist. Dazu empfiehlt es sich, eine spezialisierte Patent- und Markenanwaltskanzlei damit zu beauftragen, die nicht nur juristische, sondern auch technische Aspekte von Produkten kompetent beurteilen kann. «

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