Recht

Internationale Steuerabkommen (Teil 2 von 2)

Fit für die kommende Dividendensaison?

Wegen der zunehmenden Internationalisierung der Investoren in Schweizer KMU werden die internationalen Steuerabkommen immer wichtiger. Auch im zweiten Teil dieses Beitrags beleuchten die Autoren mit Blick auf die Dividendensaison verschiedene Fragen, die für KMU mit internationalem Aktionariat von Bedeutung sind.
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Im ersten Teil («KMU-Magazin», Ausgabe 4 /14, Seite 56) dieses zweiteiligen Beitrags wurden auf dem Gebiet der Verrechnungssteuer und deren Rückerstattung lauernde Fussangeln beschrieben. In Teil zwei wird aufgezeigt, dass die mit Grossbritannien und Österreich abgeschlos­senen Quellensteuerabkommen im Zu­sammenhang mit den Dividendenaus­­schüttung­en auch für Schweizer KMU von Bedeutung sein können, und das in alltäglichen Situationen.

Die Quellensteuerabkommen

Die Schweiz hat mit Österreich und Grossbritannien je ein Quellensteuerabkommen abgeschlossen. Der primäre Zweck dieser Abkommen ist vereinfacht gesagt sicherzustellen, dass natürliche Personen in Grossbritannien und Österreich auch in Zukunft Gelder anonym bei Schweizer Banken halten können und trotzdem deren Besteuerung im Wohnsitzstaat gewährleistet ist. Gemäss Abkommenstext sind sich die Vertragsstaaten einig, dass die Abkommen «in ihrer Wirkung dem automatischen Informa­tionsaustausch im Bereich der Kapitaleinkünfte dauerhaft» gleichkommen sollen. Da die internationalen Organisationen, wie beispielsweise die OECD, den automatischen Informationsaustausch als neuen Standard propagieren, ist offen, ob dem Konzept der Quellensteuerabkommen eine rosige Zukunft vorausgesagt werden kann.

Solange aber die Quellensteuerabkommen mit Österreich und Grossbritannien in Kraft sind, entfalten sie ihre Wirkung. In der allgemeinen Wahrnehmung stehen vor allem Banken in der Pflicht. Wie aber sogleich gezeigt wird, können auch Schweizer KMU im Zusammenhang mit der Ausschüttung von Dividenden betroffen sein.

Die Funktionsweise der Quellensteuerabkommen

Betroffen von den Quellensteuerabkommen sind in erster Linie alle in Österreich oder Grossbritannien wohnhaften natürlichen Personen mit einem direkt oder indirekt gehaltenen Bank- oder Wertschriftendepot in der Schweiz. Die Schweizer Zahlstellen ziehen für Kapitaleinkünfte und Erbschaften eine Quellensteuer ab («Altlasten» mussten mit Wirkung auf 31. Dezember 2012 bereinigt werden). Anschliessend überweisen die Schweizer Zahlstellen den abgezogenen Steuerbetrag der Eidgenössischen Steuerverwaltung («ESTV»), welche ihrerseits die Gelder an die zuständige österreichische oder britische Steuerbehörde weiterleitet. Mit der Zahlung der Quellensteuer haben die natürlichen Personen mit Wohnsitz in Österreich und Grossbritannien ihre Steuerschuld gegenüber ihrem Wohnsitzstaat anonym erfüllt beziehungsweise abgegolten. Alternativ zur Quellenbesteuerung steht ihnen die freiwillige Meldung offen, das heisst, die erzielten Kapitalgewinne und Erträge werden den zuständigen Steuerbehörden im Ausland gemeldet.

Achtung – Steuerfalle für KMU!

Auf den ersten Blick scheinen die Quellensteuerabkommen nur Schweizer Banken, nicht aber die KMU zu tangieren. In Tat und Wahrheit können die Quellensteuerabkommen jedoch sehr rasch relevant für ein KMU werden, und zwar wenn das KMU einen Bruttodividendenbetrag von mehr als 1 Million Franken ausschüttet und sich unter den Aktionären natürliche Personen mit Wohnsitz in Österreich oder Grossbritannien befinden. Das folgende Beispiel zeigt dies:

Die Generalversammlung einer AG mit Sitz in der Schweiz beschliesst eine Dividendenausschüttung von 1,5 Millionen Franken. Die AG zahlt die Bardividende direkt an die Aktionäre aus. Zum Aktionärskreis gehört unter anderem eine natürliche Person mit Wohnsitz in Österreich. In diesem Fall qualifiziert sich die AG als sogenannte Schweizer «Zahlstelle» und ist gestützt auf das Quellensteuerabkommen mit Österreich verpflichtet, von der Bruttodividende ihres Aktionärs mit Wohnsitz in Österreich eine Quellensteuer von 25 Prozent in Abzug zu bringen und der ESTV innert 30 Tagen wei­terzuleiten oder eine entsprechende Meldung zu machen.

Überdies hat sich die AG unaufgefordert bei der ESTV als Zahlstelle anzumelden. Unterlässt sie die Anmeldung, kann sie mit einer Busse von bis zu 20 000 Franken bestraft werden, sofern sie die Durchführung des Quellensteuerabkommens gefährdet. Begeht die AG gar eine Hinterziehung, indem sie die Quellensteuer nicht erhebt, kann die Busse bis zu 250 000 Franken und im Falle von Fahrlässigkeit bis zu 100 000 Franken betragen.

Was muss das KMU mit wem abrechnen?

Wie hat das KMU nun die Quellensteuer, die Verrechnungssteuer und das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Österreich zu kombinieren? Zahlt ein Schweizer KMU an ihren in Österreich wohnhaften Aktionär eine Dividende aus, hat das KMU in einem ersten Schritt wie immer gestützt auf das innerstaatliche Schweizer Recht die Verrechnungssteuer von 35 Prozent von der (gesamten) Bruttodividende in Abzug zu bringen und der ESTV zu überweisen.

Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Österreich sieht vor, dass die Verrechnungssteuer betreffend des in Österreich wohnhaften Aktionärs in einem zweiten Schritt im Umfang von 20 Prozent von der ESTV zurückfordern kann. Gestützt auf das Quellensteuerabkommen erfolgt die Rückforderung der Verrechnungssteuer ausnahmsweise direkt durch die Zahlstelle (KMU) und nicht wie sonst üblich durch den Aktionär selbst. Die verbleibenden 15 Prozent erstattet die ESTV nicht. Sie stellt eine definitive Steuerbelastung dar (auch Residual- oder Sockelsteuer genannt).

In einem dritten Schritt ist nun die Höhe der geschuldeten Quellensteuer zu berechnen: Der Quellensteuersatz beträgt gemäss dem Quellensteuerabkommen mit Österreich für Dividenden 25 Prozent. Dabei muss aber beachtet werden, dass im Quellensteuerabkommen festgehalten ist, dass die Verrechnungssteuer der Quellensteuer vorgeht. Soweit also eine Verrechnungssteuer erhoben wird, ist die Quellensteuer entsprechend zu kürzen. Die effektive Verrechnungssteuerbelastung (Sockelsteuer) beträgt im Verhältnis zu Österreich 15 Prozent (Verrechnungssteuer von 35 Prozent ./. rückforderbare Verrechnungssteuer von 20 Prozent). Die Quellensteuer von 25 Prozent ist folglich um die Verrechnungssteuer von 15 Prozent zu kürzen. Die definitiv geschuldete Quellensteuer beträgt 10 Prozent (= Quellensteuer von 25 Prozent ./. Verrechnungssteuer 15 Prozent) und ist vom Unternehmen der ESTV zu überweisen.

Im Ergebnis hat das KMU also der ESTV bezüglich des in Österreich wohnhaften Aktionärs den gesamten von den Bruttodividenden einbehaltenen Abzug von 25 Prozent an die ESTV abgeliefert. Davon behält die ESTV 15 Prozent und überweist die Quellensteuer von zehn Prozent an den österreichischen Fiskus. Die Erhebung der Quellensteuer unter Berücksichtigung der Verrechnungssteuer und dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen wird noch anspruchsvoller, wenn ein KMU anstelle von Dividendenausschüttungen Zinszahlungen leistet. Neben dem Quellensteuerabkommen (im Falle eines Wohnsitzes der natürlichen Person in Österreich oder Grossbritannien), der Verrechnungssteuer und dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen ist in diesem Fall auch noch das Zinsbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft zu berücksichtigen. Ausführungen dazu würden jedoch den Umfang des vorliegenden Beitrags sprengen.

Weitere bürokratische Hürden für KMU

KMU, welche sich als Schweizer Zahlstelle im Sinne der Quellensteuerabkommen qualifizieren, sind verpflichtet, ihre Bücher so einzurichten und zu führen, dass sich aus diesen die für die Steuerpflicht und Steuerbemessung massgebenden Tatsachen ohne besonderen Aufwand zuverlässig ermitteln und nachweisen lassen.

Solche KMU sind unter anderem auch verantwortlich für die Identifikation der betroffenen Personen mit Wohnsitz in Österreich und Grossbritannien, die Erhebung und Abführung der Quellensteuern sowie dem Erstellen und Einreichen von Meldungen, falls der Aktionär anstelle der Quellenbesteuerung eine freiwillige Meldung wünscht.

Das KMU muss auch die notwendigen Bescheinigungen zuhanden der Aktionäre per 31. Dezember ausstellen und diese im Falle von Österreich bis spätestens zum 31. März beziehungsweise im Falle eines Wohnsitzes des Aktionärs in Grossbritannien bis 30. Juni ausstellen.

Was kann ein KMU machen?

Damit ein KMU nicht in die Steuerfalle tappt, ist es unerlässlich, dass es seine Aktionäre kennt. Das heisst, ein KMU muss wissen, in welchem Land die Aktionäre ihren Wohnsitz haben. Dabei gilt es unter Umständen, den Blick nicht nur auf den direkten im Register eingetragenen Aktionär zu richten, sondern auch auf die Person dahinter. Halten nämlich Aktionäre mit Wohnsitz in Österreich oder Grossbritannien ihre Beteiligung an einem Schweizer KMU indirekt über Zwischengesellschaften oder über sonstige Strukturen, muss das KMU prüfen, ob sich diese als sogenannte Sitzgesellschaften im Sinne der Quellen­steuerabkom-men qualifizieren. Sitzgesellschaften sind Gesellschaften (Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften, Anstalten, Stiftungen, Trusts und Treuhandunternehmen), die kein Handels-, Fabrikations- oder ein anderes nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreiben. Ist eine solche Zwischengesellschaft als Sitzgesellschaft zu qualifizieren, werden diese für die Zwecke der Quellensteuerabkommen als transparent beziehungsweise inexistent behandelt.Die Kapitalerträge werden steuerrechtlich direkt dem jeweiligen Aktionär zu­geordnet mit der Folge aber, dass das Schweizer KMU die Quellensteuer abzurechnen hat.

Fazit

Über die Quellensteuerabkommen und die Pflichten, die sie für die Schweizer Banken mit sich gebracht haben, wurde ausführlich geschrieben. Häufig wurde dabei aber übersehen, dass alle Schweizer Gesellschaften mit einem Aktionär in Österreich oder Grossbritannien potenziell unter die Abkommen fallen. Von Bedeutung ist nicht bloss die im Register als Aktionär eingetragene juristische, sondern möglicherweise auch die dahinterstehende natürliche Person mit Wohnsitz in Österreich oder Grossbritannien.

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