Recht

Schuldbetreibungsrecht

Fallgruben und Kostenfallen der Schuldbetreibung

Nicht alle Debitoren zahlen ihre Schulden. Schafft das hauseigene Mahn- und Inkassowesen keine Abhilfe, folgt die Eintreibung des Geldes unter Mitwirkung des Staats. Das schweizerische Schuldbetreibungsrecht ist dabei tendenziell schuldnerfreundlich ausgestaltet. Dem Gläubiger drohen diverse Fallgruben und Kostenfallen.
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Vorneweg sei ein hartnäckiger Mythos beseitigt: Eine Pflicht zur Mahnung vor Anhebung der Betreibung besteht grundsätzlich nicht. Gewiss kennt der Jurist auch hier gewisse Ausnahmen. So müssen etwa Krankenkassen ausstehende Prämien und Kostenbeteiligungen vorgängig mahnen, wollen sie einen Versicherten betreiben.

Mahnung empfohlen

Obwohl sie keine Voraussetzung der Betreibung bildet, ist eine vorgängige Mahnung jedoch allen Gläubigern, die nicht wegen drohender Verjährung unter Zeitdruck stehen (mit der Betreibung wird die Verjährung unterbrochen), zu empfehlen. Einerseits drängt sich die vorgängige Mahnung des Kunden für ein KMU bereits aus Kulanzgründen auf, anderseits dient sie dem Gläubiger dazu, Verzugszinsen geltend zu machen. Denn diese sind gewöhnlich erst ab Mahnung geschuldet. Wird nicht gemahnt, können Zinsen ab Einleitung der Betreibung gefordert werden. Mittels eines effizienten Mahn- und Inkassowesens kann der Fall ferner häufig kostengünstig und ohne langwieriges Verfahren erledigt werden. Gelingt dies nicht, hat der Gläubiger an das zuständige Betreibungsamt zu ge­langen. Er kann seine fällige Forderung dabei ohne vorgängigen Gang vor den 
Richter direkt gegen den Schuldner in Betreibung setzen. Auch einer Begründung der Forderung bedarf es zu diesem Verfahrenszeitpunkt nicht, denn der Betreibungsbeamte prüft die im Betreibungs­begehren geltend gemachte Forderung nicht. Im Regelfall ist das Betreibungs­begehren beim Betreibungsamt in der Wohnsitzgemeinde des Schuldners einzu­reichen und ein Kostenvorschuss zu bezahlen. Wenn dieser Betrag nicht geleistet wird, kann das Betreibungsamt die Betreibungshandlung einstweilen unterlassen.

Varianten der Betreibung

Andernfalls stellt es dem Schuldner den Zahlungsbefehl zu. Der Schuldner wird durch diese amtliche, kostenpflichtige Warnung dazu aufgerufen, den Gläubiger binnen 20 Tagen zu befriedigen oder innert zehn Tagen die Forderung mittels Rechtsvorschlag anzufechten. Entscheidet sich der Schuldner für Letzteres, hat der Gläubiger den Zivilrichter anzurufen, will er sein Recht durchsetzen und an sein Geld gelangen. Obsiegt der Gläubiger im Forderungsprozess, kann er den Rechtsvorschlag des Schuldners gestützt auf den ergangenen Gerichtsentscheid be­seitigen und seine Betreibung fortsetzen.Nach Zugang des Fortsetzungsbegehrens entscheidet der Betreibungsbeamte, wie die Betreibung fortzusetzen ist. Er unterscheidet dabei drei verschiedene Varianten: Die Betreibung auf Pfändung, die Betreibung auf Konkurs und die Betreibung auf Pfandverwertung.

Die Betreibung auf Pfändung ist die häufigste Betreibungsart und kommt vor allem gegen nicht im Handelsregister eingetragene Privatpersonen zur Anwendung. Besitzt die Person kein oder nur ungenügend pfändbares Vermögen, erhält der Gläubiger für den ungedeckten Betrag seiner Forderung einen Verlustschein. Dieser ist in jedem Fall sicher aufzubewahren, da er einerseits erst nach 20 Jahren verjährt und andererseits eine Reihe von betreibungsrechtlichen Wirkungen zugunsten des Gläubigers entfaltet. So berechtigt er diesen während sechs Monaten ab Zustellung zur Fortsetzung der Betreibung, ohne dafür ein neues Betreibungsbegehren stellen zu müssen. Überdies gilt der Verlustschein auch als Schuldanerkennung, mit welcher der Gläubiger bei einer späteren Betreibung die provisorische Rechtsöffnung verlangen kann. Zu beachten gilt jedoch, dass der Verlustschein unverzinslich ist. Dies bedeutet für den Gläubiger, dass seine Forderung nicht mehr weiterwächst.

Der Schuldner trägt die Kosten

Dieser Grundsatz aus Artikel 68 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) gilt jedoch nur dann, wenn der Gläubiger mit seinem Vorhaben auch tatsächlich durchdringt. Vorsichtshalber ist daher auf folgende Faustregel abzustellen: «Wer vom Betreibungsbeamten eine Handlung verlangt, hat die Kosten vorzuschiessen. Wer im Verfahren schliesslich unterliegt, trägt sie». Der gleiche Mechanismus gilt gemäss Artikel 98 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) auch für Verfahren vor dem Zivilrichter. Der klagende Gläubiger kann von ihm zur Leistung eines Vorschusses bis zur Höhe der mutmasslichen Gerichtskosten – abgestellt auf die Forderungshöhe – angehalten werden, wobei wiederum das Unterliegerprinzip zur Anwendung gelangt: Wer unterliegt, hat die Kosten zu tragen.

Doch alleine mit der Kostentragungspflicht des Schuldners ist es für den erfolgreich klagenden Gläubiger nicht getan. Am Ende des Verfahrens werden die Gerichtskosten nämlich mit dem geleisteten Vorschuss des Gläubigers verrechnet. Der siegreiche Gläubiger bekommt seinen Vorschuss also nicht etwa aus der Gerichtskasse zurückerstattet, sondern muss ihn von der unterliegenden Gegenpartei – also dem Schuldner – einfordern. Diese für den klagenden Gläubiger nachteilige Verrechnungslösung ist auf die 

Gegenwehr der Kantone gegen jenen Entwurf der Schweizerischen ZPO zurückzuführen, der noch die Rückerstattung der Vorschüsse vorgesehen hatte und so das Inkassorisiko den Kantonen auferlegen wollte. Insgesamt sieht sich der Gläubiger also mit einem zeitintensiven Verfahren konfrontiert, bei dem ihn stets das Risiko begleitet, auf seiner ursprünglichen Forderung sitzen zu blei­­ben und etwa bei fehlender Bonität des Schuldners auch noch weitere Kosten in Kauf nehmen zu müssen.

Vorkehren können sich lohnen

Vor dem Hintergrund dieser Hürden ist jeder potenzielle Gläubiger gut beraten, sich bereits vor Vertragsschluss ein ausreichendes Bild seines Gegenübers zu verschaffen. Je nach Höhe des abzusichernden Risikos können die für eine ordentliche Bonitätsprüfung erforderlichen Parameter variieren. Geschäfte mit erhöhtem Risikopotenzial sind dementsprechend umfassender zu prüfen als Geschäfte mit geringerem Risiko.

Doch selbst die sorgfältigsten Vorkehren vermögen Zahlungsausfälle nicht immer zu verhindern. Sollten Mahnung und Inkasso ihre gewünschte Wirkung ver­fehlen und sich die Frage einer Schuld­be­treibung aufdrängen, empfiehlt sich wiederum eine genaue Situationsanalyse vorzunehmen. Dabei sind die Prozesschancen und -risiken gegeneinander abzuwägen und die Zahlungsbereitschaft des Schuldners zu antizipieren. Trotz besseren Rechts des Gläubigers kann es dabei Konstellationen geben, bei denen er wegen weiteren Ausfallrisiken auf ein Betreibungsverfahren besser verzichtet.

Ist die Bonität des Gegenübers bereits vor Vertragsschluss zweifelhaft, bietet es sich an, eine Vorleistungspflicht zu verein­baren oder zwecks Risikominimierung einen entsprechenden Kostenvorschuss einzufordern. Bei einer Zug-um-Zug-Leistung kann der Gläubiger seine eigene Leistung zurückbehalten, bis die Gegenpartei ihre Leistung ordnungsgemäss anbietet oder im Fall der Zahlungsunfähigkeit eine Sicherheit leistet. Des Weiteren gibt es eine Fülle von Rechtsinstituten zur vorgängigen Leistungssicherung wie etwa den Eigentumsvorbehalt, die Pfandbestellung, die Bürgschaft oder die Zahlungsgarantie eines Dritten.

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