Recht

Aufgaben Pflichten und Verantwortung von Verwaltungsräten (Teil 4 von 5)

Die persönliche Befähigung – ein entscheidender Trumpf

Die Zusammensetzung des Verwaltungsrates ist von grösster Wichtigkeit, entscheidet sie doch über Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens. Der Auswahl der VR-Mitglieder kommt daher entscheidende Bedeutung zu. Die richtigen Köpfe zu finden, die sich zudem im Team wirkungsvoll ergänzen, ist ein eigentlicher Erfolgsfaktor.
PDF Kaufen

Das aktuelle Aktienrecht konzipiert den Verwaltungsrat nicht als blosses «Ja-Sager-Gremium» (Gertrud Erismann-Peyer, Anforderungen an den Verwaltungsrat, Ausrichtung auf die Aktionärsinteressen oder Erfüllung formeller Ansprüche? Der Schweizer Treuhänder ((11)) 2002, S. 1003 – 1006, S. 1004). Folglich kann die Tätigkeit nur mit einem hohen Mass an Professionalität ausgeübt werden.

Der Gesetzgeber legt keine Voraussetzung betreffend die persönliche Befähigung der Verwaltungsratsmitglieder fest. Solche ergeben sich jedoch aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach Unkenntnis oder Unfähigkeit eines Verwaltungsratsmitgliedes bei einer allfälligen persönlichen Haftung keinen Entlastungsgrund darstellen.

Mit Blick auf diese Rechtsprechung hat ein Verwaltungsratsmitglied zwingend allgemeine Erfahrungen im Wirtschaftsleben vorzuweisen. Daneben muss die Fähigkeit vorhanden sein, eine Bilanz, eine Erfolgsrechnung und die Berichte der Revisionsstelle lesen und interpretieren zu können. Übernimmt eine Person ein Verwaltungsratsmandat, obwohl er diese obgenannten Anforderungen nicht zu erfüllen vermag, begeht er eine Sorgfaltspflichtverletzung mit der Folge einer persönlichen Haftung (sogenannte «Übernahmeschuld»). Die wichtigsten Kriterien bei der Auswahl des Verwaltungsrates sind: Teamfähigkeit, Fachkompetenz, Vertrautheit mit Führungsfragen, Unabhängigkeit sowie freie Kapazität.

Eine zentrale Rolle bei der Zusammensetzung des Verwaltungsrates spielt die Fähigkeit eines Verwaltungsratsmitgliedes, einen Beitrag zum Ganzen, zur Leistung des Gesamtgremiums beizutragen. Zu verhindern gilt es also, dass der Verwaltungsrat zu einer Gruppe von Einzelkämpfern mutiert. Er muss als Gremium funktionieren. Nur so ist für eine konstruktive und kritische Denk- beziehungsweise Verhaltensweise innerhalb des Rates gesorgt, welche das Unternehmen weiterbringt. Es ist nämlich häufig der Verwaltungsrat, welcher als «Motivationsmotor» des Unternehmens wirkt.

Besonders in einer Familiengesellschaft ist auf die Erhaltung der Teamfähigkeit zu achten. Ein häufiges Szenario ist dabei, dass der Patron als Hauptaktionär das alleinige Sagen in strategischer wie operationeller Hinsicht hat und die restlichen Mitglieder damit übergangen werden. Dies gilt es zu vermeiden.

Ein Verwaltungsrat muss über keine speziellen Fachkenntnisse verfügen. Vielmehr sollte er im Sinne eines Generalisten allgemeines Fachwissen mitbringen. Dieses umfasst insbesondere Kenntnisse betreffend Strategieprozess, Unternehmensorganisation, Finanz- und Rechnungswesen/Controlling sowie rechtliche Grundkenntnisse. Vertieftes Wissen in einem dieser Gebiete kann je nach Ausrichtung des Unternehmens allerdings wertvoll sein (Peter Böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. Auflage, Zürich 2009, § 13 N 38 f.).

Hinsichtlich der strategischen Führung eines Unternehmens, welche die Hauptaufgabe eines Verwaltungsrates ausmacht, sollten nur Personen in einen Verwaltungsrat gewählt werden, die entschlossenes Handeln, Eingehen von kontrollierten Risiken und so weiter gewohnt sind.

Die Praxis verlangt üblicherweise nach Verwaltungsräten, welche fünf bis zehn Jahre Erfahrung in einer Kaderposition in einem KMU-Umfeld mitbringen. Gerade in kleineren KMU-Betrieben beziehungsweise typischen Familienunternehmen dürfte diese Voraussetzung schwierig zu erfüllen sein. Alternativ kann deshalb auch eigene unternehmerische Erfahrung wertvoll sein.

Verwaltungsräte sollten imstande sein, kritische Fragen zu stellen. Dazu braucht es Personen, die eine gesunde Distanz zum Unternehmen bewahren. Gefordert ist eine wirtschaftliche Unabhängigkeit. Ferner sollte auch eine finanzielle Unabhängigkeit vorhanden sein. Bestehen andererseits Abhängigkeiten, ist eine freie Entscheidungsfindung nicht mehr gewährleistet (Erismann-Peyer, a.a.O., S. 1004 f.).

Ein Verwaltungsratsmitglied muss für sein Mandat zudem genügend Zeit aufbringen können, um die Aufgaben optimal wahrzunehmen. Einem Unternehmen wird ein ausgelasteter Wirtschaftskapitän oder eine erfolgreiche Politikerin wenig bringen, wenn die nötige Zeit fürs Unternehmen fehlt (Erismann-Peyer, a.a.O. S. 1004).

Die Statuten einer Gesellschaft können bestimmte Beschränkungen hinsichtlich des Verwaltungsratsmandates enthalten. In der Praxis häufig anzutreffen sind Alters- und Amtsdauerbeschränkungen. Solche Beschränkungen sind erlaubt, solange sie auf dem Gebot der Sachlichkeit und der Gleichheit basieren.

Last, but not least ist das Prinzip der Unvereinbarkeit zu beachten. Von Gesetzes wegen ist das gleichzeitige Ausüben eines Verwaltungsratsmandates und einer Revisionsfunktion innerhalb des gleichen Unternehmens verboten (Art. 728 Abs. 2 Ziff. 1 und Art. 729 Abs. 1 OR). Dies wird von der Praxis allerdings weit ausgelegt.

So darf beispielsweise ein Anwalt, der eine Gesellschaft juristisch berät, nicht gleichzeitig Verwaltungsrat desjenigen Unternehmens sein, das in der Gesellschaft eine Revisionsfunktion innehat. In einem solchen Fall wäre die Unabhängigkeit der Revisionsstelle nicht mehr gewährleistet.

Weiterhin ist anzustreben, dass eine Mehrheit des Verwaltungsrates in der Regel aus Mitgliedern besteht, die im Unternehmen keine operativen Führungsaufgaben erfüllen (Economiesuisse, Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance, Zürich 2002, aktualisiert 2007, Art. 12 Abs. 3), womit die Unabhängigkeit des Verwaltungsrates für die Kontrolle der Geschäftsleitung gewahrt bleibt.

Keine Unabhängigkeit hingegen ist gefordert, wo es um die Vertretung von Aktionärsinteressen geht. Im Gegenteil: Das Gesetz sieht zwingend vor, dass die Statuten bei Vorhandensein mehrerer Aktienkategorien den Aktionären jeder Kategorie die Wahl wenigstens eines Vertreters in den Verwaltungsrat sichern. «

Porträt