Jeder versucht sie zu vermeiden, vorhanden sind sie am Ende in aller Regel doch: die Baumängel. Ihre Ursachen sind so vielfältig, wie Baustoffe beim Bauen verwendet werden. Nicht selten haben Baumängel ihren Ursprung in kleinen Unachtsamkeiten oder neuen Konstruktionsdetails, von denen es beim Bauen unzählige gibt – jeder Bau ist so ein Unikat.
Der Begriff des Mangels
Ein Mangel liegt immer dann vor, wenn der Ist-Zustand des Bauwerks nicht dem vertraglich vereinbarten Soll-Zustand entspricht und es ihm damit an einer Eigenschaft fehlt, die es nach Inhalt des Vertrags haben sollte. Hierbei kann es sich um eine zwischen den Parteien vereinbarte Eigenschaft handeln oder um eine Voraussetzung, die das Bauwerk grundsätzlich aufweisen muss, wie z.B. ein dichtes Dach. Folge eines Mangels ist in der Regel eine Beeinträchtigung des Werts oder der Gebrauchsfähigkeit des Bauwerks.
Die Bedeutung der Abnahme
Spätestens auf den Zeitpunkt der Abnahme hin muss ein Bauwerk mängelfrei sein. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, prüfen der Besteller und der Unternehmer – sofern sie die Anwendbarkeit der SIA-Norm 118 vereinbart haben – im Rahmen einer gemeinsamen Abnahme (Art. 157 SIA-Norm 118). Diese findet auf die Anzeige des Unternehmers hin statt, er habe das Bauwerk vollendet. Die Abnahme ist für die Mängelrechte des Bestellers von entscheidender Bedeutung. Mit ihr findet in aller Regel nicht nur eine erste Prüfung des vollendeten Bauwerks statt, sondern mit der Abnahme beginnen auch alle für die Mängelansprüche geltenden Fristen zu laufen. Dabei sind insbesondere zwei Dinge zu beachten:
Eine Abnahme mit gemeinsamer Prüfung findet nur dann statt, wenn die Parteien die Anwendung des Regelwerks der SIA-Norm 118 miteinander vertraglich vereinbart haben. Die mangels einer solchen Vereinbarung zur Anwendung gelangende gesetzliche Lösung sieht eine Abnahme nicht vor. Gemäss Gesetz hat der Unternehmer das Werk einzig abzuliefern (Art. 367 OR).
Selbst wenn die Parteien die Anwendbarkeit der SIA-Norm 118 vereinbart haben, kann eine gemeinsame Prüfung durch den Besteller und den Unternehmer unterbleiben, wenn keine Partei die gemeinsame Prüfung verlangt oder der Besteller die Mitwirkung bei der Prüfung unterlässt. Diesfalls gilt das Werk einen Monat nach der Anzeige des Unternehmers, die gemeinsame Prüfung durchführen zu wollen, als abgenommen. Verweigert der Unternehmer die Mitwirkung bei der Prüfung, kommt es nicht zur Abnahme (Art. 164 SIA-Norm 118).
Werden bei der gemeinsamen Prüfung keine oder nur unwesentliche Mängel festgestellt, ist das Werk mit Vollendung der Prüfung abgenommen (Art. 159/160 SIA-Norm 118). Allfällige bei der Prüfung festgestellte, vom Besteller gerügte Mängel sind vom Unternehmer innert einer angemessenen, vom Besteller angesetzten Nachfrist zu beheben. Solche Mängel sowie die für ihre Behebung angesetzte Frist sind im Protokoll über die Abnahme (Art. 158 Abs. 3 SIA-Norm 118) festzuhalten. Werden Mängel bei der Abnahme bemerkt, vom Besteller aber nicht gerügt, so gilt das Werk hinsichtlich dieses Mangels als genehmigt und der Unternehmer hat hierfür nicht mehr zu haften (Art. 163 SIA-Norm 118).
Haben die Parteien die Anwendbarkeit der SIA-Norm 118 nicht vereinbart und kommt infolgedessen das Werkvertragsrecht nach Schweizerischem Obligationenrecht (OR, nachfolgend Werkvertragsrecht genannt) zur Anwendung, findet grundsätzlich keine gemeinsame Prüfung statt. Nach der Ablieferung durch den Unternehmer muss der Besteller das Werk «sobald es nach dem üblichen Geschäftsgang tunlich ist», selbst prüfen und den Unternehmer über hierbei entdeckte Mängel in Kenntnis setzen (Art. 367 OR). Will der Besteller den Verlust seiner Mängelansprüche vermeiden, so tut er gut daran, beides sofort zu tun. Entdeckte Mängel sollte er dann aber jedenfalls innert Wochenfrist rügen.
Die Mängelrüge
Mit der Mängelrüge werden dem Unternehmer Mängel angezeigt und deren Verbesserung verlangt. Bei der Ablieferung (OR) bzw. der Abnahme (SIA) entdeckte Mängel sind sofort zu rügen. Bei Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts nach OR gilt das generell auch für später entdeckte Mängel. Ist demgegenüber die SIA-Norm 118 vereinbart, steht dem Besteller nach der Abnahme eine Rügefrist von zwei Jahren ab Abnahme zu. Während dieser Frist kann der Besteller später entdeckte Mängel jederzeit rügen. Einzig Mängel, die weiteren Schaden verursachen können, müssen dem Unternehmer unverzüglich gemeldet werden (Art. 172 f. SIA-Norm 118).
Nach Ablauf der zweijährigen Rügefrist auftretende – sogenannte versteckte – Mängel sind dann aber auch unter der SIA-Norm 118 sofort, das heisst in der Regel innert Wochenfrist ab Entdeckung, zu rügen. Die Rüge ist dabei sowohl nach OR als auch nach SIA präzis und klar abzufassen und klar darauf hinweisen, was falsch sein soll. Ebenso muss der Besteller eindeutig zum Ausdruck bringen, dass er den Mangel nicht akzeptieren will. Zu Beweiszwecken lohnt es sich zudem, die Mängelrüge eingeschrieben zuzustellen oder sich den Zugang der Rüge vom Unternehmer schriftlich bestätigen zu lassen.
Die Mängelrechte
Nur wenn ein Mangel rechtzeitig und formgerecht vom Besteller gerügt worden ist, stehen ihm die Mängelrechte zu. Sowohl nach Gesetz (Art. 368 OR) als auch SIA-Norm 118 sind das die Nachbesserung, die Minderung oder der Rücktritt vom Vertrag (Wandelung). Zu beachten ist aber, dass bei vereinbarter SIA-Norm 118 dem Unternehmer der Nachbesserungsanspruch zusteht und ihm der Besteller die Möglichkeit hierzu gewähren muss.
Nicht so hingegen beim Werkvertragsrecht nach OR. Hier kann der Besteller in jedem Fall frei wählen, welchen Anspruch er geltend machen will. Zu beachten ist allerdings, dass die Ausübung eines Mängelanspruchs ein Gestaltungsrecht darstellt und damit unwiderruflich ist. Hat der Besteller also beispielsweise einmal den Minderungsanspruch ausgesprochen, ist er hieran gebunden und kann nicht nachträglich die Nachbesserung verlangen. Zu den Mängelrechten ist im Einzelnen, was folgt, zu beachten: