Recht

Umweltrecht

Die Konsequenzen des neuen, umstrittenen CO₂-Gesetzes

Laut Bundesamt für Umwelt (Bafu) soll das neue Bundesgesetz über die Verminderung von Treibhausgasemissionen, kurz CO₂-Gesetz, dafür sorgen, dass der Treibhausgas-Ausstoss der Schweiz bis 2030 gegenüber dem Wert von 1990 halbiert wird. Am 13. Juni 2021 wird darüber abgestimmt.
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Ziel des revidierten CO₂-Gesetzes ist es, den Ausstoss von Treibhausgasen zu senken und den Klimaschutz zu stärken. Laut Bafu ist die Schweiz als Alpenland besonders stark vom Klimawandel betroffen und erwärmt sich doppelt so stark wie der weltweite Durchschnitt. Der Klimawandel führt zu mehr Hitze und Trockenheit und erhöht das Risiko von Überschwemmungen, Erdrutschen und anderen Naturgefahren. Investitionen in den Klimaschutz lohnen sich und schaffen Arbeitsplätze mit Zukunft, so das Bafu.

Umstrittene Vorlage

Das geltende CO₂-Gesetz regelt die Verminderung der Treibhausgasemissionen bis 2020, im Einklang mit der zweiten Verpflichtungsperiode nach dem Kyoto-Protokoll, die von 2013 bis 2020 dauert. Mit der Genehmigung des Übereinkommens von Paris hat die Bundesversammlung unter anderem dem Ziel zugestimmt, dass die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 50 Prozent gegenüber 1990 vermindert werden. Um dies umzusetzen, braucht es eine Totalrevision des geltenden CO₂-Gesetzes für die Zeit nach 2020. Ein Entwurf und eine Botschaft dazu wurden im Dezember 2017 vorgelegt. 

Die vorgeschlagene Revision des CO₂-Ge­setzes war 2018 und 2019 im Parlament sehr umstritten. Die letzten Verhandlungen im Nationalrat fanden im Juni 2020 statt. Am Dienstag, 18. August 2020, informierte die Umweltkommission des Ständerates über die Differenzbereinigung beim CO₂-Gesetz. Dabei verfolge sie konsequent ihre klimapolitischen Grundsätze. Wirksamkeit, Ausgewogenheit und Technologieneutralität seien die leitenden Prinzipien. 

Vorläufiges Recht

Als Übergangsbestimmung setzte der Bundesrat am 1. Januar 2021 die revidierte CO₂-Verordnung in Kraft. So könne die Schweiz bis zum Inkrafttreten des CO₂-Gesetzes ihren Klimazielen ohne Unterbruch nachkommen und ihre Treibhausgasemissionen im Jahr 2021 um 1,5 Prozent gegenüber 1990 senken. Mit dem Inkrafttreten wird das Schweizer Emissionshandelssystem, das seit Anfang 2020 mit jenem der EU verknüpft ist, unbeschränkt verlängert, siehe unten. Zudem werden die Befreiung von der CO₂-Abgabe mit Verminderungsverpflichtung für Betreiber emissionsintensiver Anlagen und die Kompensationspflicht für Importeure fossiler Treibstoffe im CO₂-Ge­setz bis Ende 2021 verlängert.

Weiter wird die stetige Verminderung der CO₂-Emissionen aus Brennstoffen sichergestellt. Nach der bislang geltenden CO₂-Verordnung kann die CO₂-Abgabe auf 120 Franken pro Tonne CO₂ angehoben werden, wenn die CO₂-Emissionen aus fossilen Brennstoffen nicht genügend sinken. 

Höhere Auslagen 

Für Unternehmer bedeutet das neue CO₂-Gesetz höhere Auslagen. Der Bundesrat kann den Abgabesatz zwischen 96 Franken und 210 Franken pro Tonne CO₂ festsetzen (CO₂-Gesetz Art. 34). Abgabepflichtig sind für die CO₂-Abgabe auf den fossilen Brennstoffen ausser Kohle die nach dem MinöStG steuerpflichtigen Personen. Eine CO₂-Abgabe auf Kohle haben die bei der Einfuhr nach dem Zollgesetz (ZG) anmeldepflichtigen Personen zu entrichten sowie Personen, die Kohle im Zollgebiet herstellen oder gewinnen. 

Nach Art. 36 CO₂-Gesetz können Betreiber von Anlagen mit dem Bund eine Verminderungsverpflichtung eingehen. Ihnen wird die CO₂-Abgabe für diese Anlagen auf das Gesuch hin zurückerstattet, wenn:

  • die Anlagen für wirtschaftliche oder öffentlich-rechtliche Tätigkeiten verwendet werden
  • sich der Betreiber der Anlagen gegenüber dem Bund verpflichtet, die Treibhausgaseffizienz jährlich bis zum Jahr 2030 in einem bestimmten Umfang zu steigern und der Betreiber der Anlagen dem Bund jährlich Bericht erstattet.

Betreiber von Anlagen müssen dem Bund eine Ersatzleistung von 30 der zurück­erstatteten CO₂-Abgabe zahlen, wenn sie ihre Verminderungsverpflichtung für eine bestimmte Zeit nicht einhalten (Art. 37). Personen, die nachweisen, dass sie fossile Brennstoffe nicht energetisch genutzt haben, wird die CO₂-Abgabe auf diesen Brennstoffen auf Gesuch hin zurückerstattet (CO₂-Gesetz Art. 40).

Die Kantone sorgen dafür, dass die CO₂-Emissionen aus fossilen Brennstoffen, die von den Gebäuden in der Schweiz aus­gestossen werden, im Durchschnitt der Jahre 2026 und 2027 um 50 Prozent gegenüber 1990 vermindert werden. Sie erlassen dafür Gebäudestandards für Neubauten und für bestehende Bauten.

Die Rückerstattung der Mineralölsteuer soll abgeschafft werden, ab 2026 für Fahrzeuge im Ortsverkehr und ab 2030 für alle im konzessionierten Verkehr eingesetzten Fahrzeuge. Die Mehreinnahmen, die der Bund nach Wegfall dieser Rückerstattung erzielt, sollen eingesetzt werden, um alternative Antriebe zu fördern (Mineralölsteuergesetz Art. 48 Abs. 1bis, 2 und 2bis).

Künftig soll auf Flugtickets eine Abgabe von mindestens 30 und höchstens 120 Franken erhoben werden. Die Flug­ticket­abgabe ist in den Flugangeboten und auf den Flugtickets anzugeben. Auf Flugangeboten sind die durch den jeweiligen Flug voraussichtlich verursachten Emissionen in CO₂-Äquivalenten auszuweisen.

Emissionshandel

Zusätzlich wurde im März 2019 ein Abkommen mit der EU über die Ver­knüpfung der Emissionshandelssysteme (EHS) vom Parlament genehmigt und im Dezember 2019 durch die Schweiz und die EU ratifiziert. Das Abkommen trat am 1. Januar 2020 in Kraft. Durch die Verknüpfung des Schweizer EHS mit dem­jenigen der EU erhalten Schweizer Un­ternehmen Zugang zu einem grösseren Markt und bekommen dieselben Wett­bewerbsbedingungen wie Unternehmen aus dem EU-Raum.

Nach dem neuen Gesetz sind Betreiber von Anlagen, die einer bestimmten Ka­tegorie angehören und eine bestimmte Menge an Treibhausgasemissionen überschreiten, zur Teilnahme am Emissionshandelssystem (EHS) verpflichtet (CO₂-Gesetz Art. 21). Sie müssen dem Bund jährlich im Umfang der von diesen Anlagen verursachten Emissionen Emissionsrechte abgeben. Betreiber von Anlagen, die weniger als eine bestimmte Menge an Treibhausgasen ausstossen, werden auf Gesuch hin von der Pflicht zur Teilnahme am EHS befreit. Im Gesuch muss der Betreiber angeben, ob er sich zu einer Emissionsverminderung verpflichtet, die der bei einer Teilnahme am EHS erzielten Verminderung gleichwertig ist. Der Bundesrat legt die Anlagekategorien und die Mengen an Treibhausgasemissionen fest. 

Der Bundesrat legt die Menge der Emissionsrechte für Anlagen und für Luftfahrzeuge fest, die bis im Jahr 2030 jährlich zur Verfügung stehen und berücksichtigt dabei vergleichbare internationale Re­gelungen (CO₂-Gesetz Art. 25) und nach Art. 21 die Regelungen der EU. Er kann die zur Verfügung stehende Menge der Emissionsrechte anpassen, wenn er neue Anlagekategorien nach Artikel 21 Absatz 4 bezeichnet, Anlagekategorien nachträglich von der Teilnahmepflicht am EHS ausnimmt oder wenn vergleichbare internationale Regelungen geändert werden.

Die Betreiber von Anlagen müssen dem Bund für Emissionen, die nicht durch Emissionsrechte gedeckt sind, einen Betrag von 220 Franken pro Tonne CO₂-Äquivalente (CO₂eq) entrichten (CO₂-Gesetz Art. 29). Zusätzlich müssen sie die fehlenden Emissionsrechte dem Bund im folgenden Kalenderjahr abgeben.

Der Bund betreibt ein öffentliches Emissionshandelsregister. Es dient der Aufbewahrung und Transaktion von Emissionsrechten und Bescheinigungen (CO₂-Ge­setz Art. 33). Im Emissionshandelsregister können sich nur Personen eintragen lassen, die ihren Sitz oder Wohnsitz in der Schweiz oder im EWR haben und über ein Bankkonto in der Schweiz oder im EWR verfügen. Der Bundesrat regelt die Ausnahmen. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Geldzahlungen, die im Zusammenhang mit der Versteigerung von Emis­sionsrechten erfolgen, nur über Bank­konten in der Schweiz oder im EWR abgewickelt werden dürfen.

Der Klimafonds

Der Bundesrat errichtet einen Spezialfonds, genannt Klimafonds, und investiert in diesen einen Teil der Erträge aus den Versteigerungen von Emissionsrechten und der CO₂-Abgabe (CO₂-Gesetz Art. 53). Dieser Klimafonds ist rechtlich unselbständig und führt eine eigene Rechnung. 

Ein Drittel des Ertrags der CO₂-Abgabe, höchstens aber 450 Millionen Franken pro Jahr, und weniger als die Hälfte des Ertrags aus der Flugticketabgabe und aus der Abgabe Allgemeine Luftfahrt werden für Massnahmen zur wesentlichen Verminderung von Treibhausgasemissionen eingesetzt. Eine angemessene Forschungs- und Innovationsförderung, insbesondere im Bereich der Luftfahrt, ist zu gewährleisten. Nicht finanziert werden dürfen Massnahmen, die auf der Grundlage anderer Spezialerlasse ergriffen werden.

Der Teil des Ertrags aus der CO₂-Abgabe, aus der Flugticketabgabe und aus der Abgabe Allgemeine Luftfahrt, der nicht in den Klimafonds eingelegt wird, wird an die Bevölkerung verteilt (CO₂-Gesetz Art. 60). Der Anteil der Wirtschaft wird den Arbeitgebern über die AHV-Ausgleichskassen ausgerichtet.

Befürworter aus der Wirtschaft

Zum Wirtschaftskomitee für eine weitsichtige Klimapolitik gehören verschiedene Unternehmen und Branchen wie Swissre, Helvetia, Ikea, Gebäudetechniker usw. Unter dem Titel «Schweizer Wirtschaft für das CO₂-Gesetz» nennen sie unter anderem folgende Argumente: Klimaschutz ist eine lohnende Investition und bringt die Schweizer Wirtschaft vorwärts; Unternehmen, die in Klimamassnahmen investieren, profitieren doppelt. CO₂-Abgaben mit Lenkungswirkung sind ein marktwirtschaftliches Instrument. Zwei Drittel der CO₂-Abgabe werden direkt an die Bevölkerung zurückverteilt.

Die Wirtschaft unterstützt die Politik bei der Senkung der Treibhausgasemissionen und im ehrgeizigen Gesamtreduk­tionsziel von 50 Prozent bis 2030, schreibt man bei economiesuisse. «Ein wichtiger Schritt ist deshalb die erfolgte Verknüpfung der Emissionshandelssysteme der EU und der Schweiz. Dadurch werden Wettbewerbsnachteile im Vergleich zu den europäischen Konkurrenten abgebaut und wichtige Planungssicherheit für die Unternehmen gewonnen.» 

Auch die Schweizerische Bankiervereinigung unterstützt dieses Gesetz und ist deshalb auch Teil des Wirtschaftskomitees für das CO₂-Gesetz. Für den Finanzplatz Schweiz sei Nachhaltigkeit eine Toppriorität. Wie eine Studie von Swiss Sustainable Finance zeigt, waren 2020 nachhaltige Finanzprodukte sehr gefragt (62 Prozent gegenüber 2019). Das CO₂-Gesetz setzt auf liberale Rahmenbedingungen und bewährte Instrumente und Anreize, so tragen alle ihren Teil zur Erreichung der Ziele bei. Das CO₂-Gesetz schafft die notwendigen Voraussetzungen, um die vollständige Transformation weg von den fossilen Energien zu begleiten. Ein Nein würde die Schweiz beim Klimaschutz zurückwerfen.

Kritik aus der Wirtschaft

Teuer, nutzlos und ungerecht sei das CO₂-Gesetz, so argumentiert ein Komitee von Politikern und Wirtschaftsverbänden. Dazu gehören unter anderen der Verband freier Autohandel Schweiz, die Kamin­feger Schweiz und der HEV-Schweiz (siehe Abbildung).

Die Gewerbekammer, das Parlament des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv, hat Stimmfreigabe zum CO₂-Gesetz beschlossen. Das Gesetz wurde von den Kammermitgliedern kontrovers diskutiert. Zu den Initiativen «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» und «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung» sagt der sgv zweimal Nein.

ACS-Präsident Thomas Hurter sagt in einem Interview, dass es falsch sei, mit Strafen die Emissionen senken zu wollen: «Immer wenn der Staat strafend lenken will, wird er umgangen. Das ist nicht zielführend und hilft dem Klima nicht. Der Staat sollte gute Rahmenbedingungen schaffen und so die Innovation fördern. Aus Sicht des ACS führt der Klimaschutz über die Innovation. Aber das CO₂-Gesetz hemmt Innovationen.»

Beim Hauseigentümerverband HEV Schweiz plädierte man stets gegen Ab­gaben auf Energieträger. Im Gebäude­bereich gelang eine Senkung des CO₂- Ausstosses bis 2019 gegenüber 1990 um 30 Prozent. Die bisherigen Massnahmen haben sich bewährt. Immobilieneigentümer haben ihre Verantwortung wahrgenommen und investieren jährlich mehrere Milliarden Franken in den Unterhalt und die energetische Verbesserung ihrer Liegenschaften.

Stellungnahmen der Parteien

Die FDP und die CVP nehmen beide für sich in Anspruch, dass sie das CO₂-Gesetz massgeblich beeinflusst hätten, und plädieren dementsprechend für ein Ja. Zitate von den Parteiwebsites:

  • «Wir haben die Beschlüsse unseres Positionspapiers erfolgreich in die Vorlage eingebracht. Nur dank der FDP ist das Gesetz nach dem Nein Ende 2018 nun mehrheitsfähig geworden.» 
  • «Die CVP hat sich stets für eine nachhaltige Klimapolitik stark gemacht – so auch für ein griffiges und gleichzeitig ausgewogenes CO₂-Gesetz. Das nun vorliegende Gesetz wurde massgeblich von der CVP geprägt und erfolgreich zum Abschluss gebracht.»

Die Grünen plädieren für drei Mal Ja am 13. Juni, nämlich für die Pestizid-Initiative, die Trinkwasser-Initiative und das neue CO₂-Gesetz. «Das Gesetz ist ein zentrales Element zur Bewältigung der Coronapandemie und ihrer Folgen. An ihrer Medienkonferenz präsentierten die Grünen zusätzlich ein Impulsprogramm für einen grünen Aufschwung nach der Covid-19-Krise. 

Ein «Green Recovery» soll klimafreund­liche Arbeitsplätze schaffen, zu einem grünen und raschen Aufschwung nach der Pandemie beitragen und den Grundstein setzen für eine innovative und klimaneutrale Wirtschaft des 21. Jahrhunderts.

«Das Referendum gegen das CO₂-Gesetz gefährdet die Klimapolitik in der Schweiz enorm», schreiben die Jungen Grünliberalen. Das vom Parlament ausgearbeitete CO₂-Gesetz vermöge es nicht, die Ziele der Jungen Grünliberalen zu erreichen. Es sei klar, dass neben dem CO₂-Gesetz weitere Massnahmen nötig seien. 

«Beschiss an der Bevölkerung» nennt SVP-Nationalrat Christian Imark die von Bundesrätin Sommaruga berechneten Mehrkosten für die Bevölkerung, die wegen des neuen CO₂-Gesetzes anfallen. Nach dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) würden «auf eine typische vierköpfige Familie Ende der 2020er-Jahre Zusatzkosten von rund 100 Franken pro Jahr zukommen. Wählt die Familie bis dahin ein Elektroauto, reist sie nicht per Flugzeug in die Ferien oder heizt sie CO₂-frei, reduziert sich dieser Betrag.» Christian Imark meint, dass diese Kalkulation von völlig falschen Grundlagen ausgeht. Ein Beispiel sei der Heizöl-Aufschlag. «Heute bezahlen Herr und Frau Schweizer CHF 96 pro Tonne CO₂, also 25.44 Rappen pro Liter Heizöl. 

Im neuen Gesetz kann der Bundesrat auf CHF 210 pro Tonne CO₂ erhöhen, also auf 55.65 Rappen pro Liter. Damit beträgt die Teuerung nicht 20 Rappen pro Liter Heizöl, wie Sommaruga behauptet, sondern 30 Rappen. Das allein bedeutet zum Beispiel bei einem Verbrauch von 2000 Litern Heizöl pro Jahr eine Verteuerung von 600 Franken pro Familie.» Die SVP lehnt das CO₂-Gesetz ab.

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