Recht

Gelangensbestätigung

Der neue deutsche Nachweis für Lieferungen innerhalb der EU

Trotz einiger Gemeinsamkeiten ist das deutsche Umsatzsteuerrecht formeller und strenger als in der Schweiz. Deshalb sollten Schweizer Unternehmen, die Ware ab Deutschland an andere Unternehmer innerhalb der EU verschicken, wissen, welche Regelungen sie im Zusammenhang mit diesen Lieferungen beachten müssen.
PDF Kaufen

Die Nachweisregelungen für die Steuerbefreiung von Lieferungen aus Deutschland in andere EU-Mitgliedsstaaten hat der deutsche Gesetzgeber kürzlich neu gefasst. Sie treten ab 1. Oktober 2013 in Kraft. So sieht das deutsche Mehrwertsteuergesetz ab dann unter anderem vor, dass der Abnehmer bestätigt, die Gegenstände erhalten zu haben – mittels einer sogenannten Gelangensbestätigung. Die Autoren fassen kurz zusammen, was künftig bei der Dokumentation von Lieferungen ab Deutschland in die übrige EU zu beachten ist.

Verkauft ein Händler Waren an einen anderen Unternehmer und erfolgt die Lieferung dabei physisch aus Deutschland in einen anderen EU-Mitgliedsstaat, spricht man aus deutscher Mehrwertsteuersicht von einer innergemeinschaftlichen Lieferung. Für die Beurteilung, ob ein Unternehmen eine solche Transaktion ausführt, spielt es keine Rolle, wo der Sitz der Gesellschaft ist. Das heisst, auch Schweizer Unternehmen können Güter innergemeinschaftlich von Deutschland in einen weiteren EU-Mitgliedsstaat liefern und unterliegen dann den Anforderungen des deutschen Mehrwertsteuerrechts. Diese Regelungen gelten ausserdem, wenn eine Schweizer Gesellschaft Ware aus der Schweiz über die deutsche Grenze an einen Kunden in einem anderen EU-Mitgliedsstaat versendet und die Ware zentral in Deutschland in den freien Verkehr überführt wird (EU-Verzollung).

Für innergemeinschaftliche Lieferungen sieht das deutsche Gesetz eine Befreiung von der Mehrwertsteuer vor, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Grundsätzlich gilt: Das Unternehmen muss nachweisen, dass die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit vorliegen.

Kann das Unternehmen den Nachweis nicht in der im deutschen Gesetz festgelegten Form erbringen, kann ihm die deutsche Finanzverwaltung die Steuerbefreiung versagen. In diesem Fall besteht für das liefernde Unternehmen das Risiko, dass die betroffenen Transaktionen nachträglich der Besteuerung unterworfen werden. Die derzeitigen Mehrwertsteuersätze betragen in Deutschland 19 Prozent (Regelsatz) und 7 Prozent (reduzierter Satz). Zusätzlich erfolgt ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Verzinsung der Nachzahlungsbeträge mit 6 Prozent pro Jahr. Eine Nachversteuerung von regelmässigen Lieferungen innerhalb der EU kann also zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen für ein Unternehmen führen.

Die deutschen Regelungen legen unter anderem genau fest, welche Dokumente der Lieferant in seinen Geschäftsunterlagen aufbewahren muss, damit der Nachweis vollständig erbracht ist (Belegnachweis). Darüber hinaus regelt das deutsche Gesetz, dass das liefernde Unternehmen zusätzlich zum Belegnachweis auch bestimmte Informationen wie zum Beispiel Name, Adresse und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (UID) des Abnehmers, Lieferdatum und Menge der gelieferten Ware in der Buchhaltung aufzeichnen muss (Buchnachweis). Die unternehmensinternen Prozesse zur Nachweisführung verdienen also nach wie vor eine sehr hohe Aufmerksamkeit.

Formen des Belegnachweises

Der Belegnachweis erfordert unter anderem, dass das liefernde Unternehmen den Warentransport von Deutschland in einen anderen EU-Mitgliedsstaat durch geeignete Belege nachweisen kann. Gemäss den neuen gesetzlichen Regelungen ab 1. Oktober 2013 gibt es für den Belegnachweis je nach Fallkonstellation verschiedene Möglichkeiten der Nachweisführung. Insbesondere wird unterschieden, ob es sich um einen «Beförderungsfall» (Abnehmer oder Lieferant transportieren die Waren mit eigenem Fuhrpark) oder um einen «Versendungsfall» handelt (für den Transport wird ein Dritter – zum Beispiel ein Spediteur – beauftragt). Für beide Varianten kann die neu eingeführte Gelangensbestätigung als Nachweis verwendet werden. Für die «Versendungsfälle» sieht das Gesetz jedoch auch bestimmte alternative Nachweisformen vor.

Dies sind die gesetzlich festgelegten Nachweise:

› Gelangensbestätigung: bei Eigentransport durch Lieferanten oder Abholung durch den Abnehmer (Beförderungsfall).

› Gelangensbestätigung oder alterna­tiver Nachweis: bei Transport durch einen vom Lieferanten oder dem Abnehmer beauftragten Dritten – beispielsweise Spediteur (Versendungsfall).

Der Nachweis der Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen kann also – losgelöst von der Transportart (Beförderung oder Versendung) – ab dem 1. Oktober 2013 durch die Gelangens­bestätigung geführt werden. Diese muss folgende Angaben enthalten:

› Name und Anschrift des Abnehmers.

› Menge des Liefergegenstands und die handelsübliche Bezeichnung.

› Ort und Monat (nicht Tag) des Erhalts des Gegenstands beziehungsweise des Endpunkts der Beförderung/Versendung. Dies gilt auch, wenn der Abnehmer die Ware selbst abholt. Er muss die Bestätigung zu dem Zeitpunkt abgeben, an dem die Ware ihren Bestimmungsort erreicht (also im Nachhinein und nicht bei der Abholung).

› Ausstellungsdatum.

› Unterschrift des Abnehmers (oder eines Bevollmächtigten).

Die Gelangensbestätigung darf elektronisch übermittelt werden. Wenn nach aus­sen hin erkennbar ist, dass die elektronische Übermittlung aus der Einflusssphäre des Abnehmers erfolgt ist – zum Beispiel über einen ersichtlich ihm zugeordneten E-Mail-Account – ist eine handschriftliche Unterschrift nicht nötig. Wie eine Archivierung dieser elektronischen Dokumente erfolgen muss, hat die deutsche Finanzverwaltung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschliessend festgelegt. Die Gelangensbestätigung kann aus mehreren Dokumenten bestehen. Das heisst, es muss nicht zwingend ein bestimmtes Muster verwendet werden. Der Abnehmer kann darüber hinaus die Bestätigung auch als Sammelbestätigung (maximal pro Quartal) abgeben.

In Fällen der Warenversendung (ein beauftragter Dritter transportiert) anerkennt die deutsche Finanzverwaltung gleichberechtigte alternative Nachweise. Hierbei handelt es sich beispielsweise um (CMR-)Frachtbriefe, Spediteurbescheinigungen oder lückenlose Transportprotokolle von Kurierdiensten in Verbindung mit den Kurieraufträgen. Jedem Unternehmen, das die alternativen Nachweise nutzen möchte, sollte jedoch bewusst sein, dass die deutsche Finanzverwaltung an diese Dokumente regelmässig sehr hohe formelle Anforderungen stellt. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Vollständigkeit der gemachten Angaben. In der Vergangenheit führten diese schon zu zahlreichen Auseinandersetzungen in Betriebsprüfungen beziehungsweise zu finanzgerichtlichen Verfahren. Daher sollte jedes Unternehmen aus seiner individuellen Situation heraus sämtliche Optionen für die erforderliche Nachweisführung prüfen und sorgfältig abwägen. Die Finanzverwaltung wird auch künftig einen Fokus auf die Nachweispflichten bei innergemeinschaftlichen Lieferungen legen.

Die deutsche Finanzverwaltung wird sich zur Auslegung der neuen Regelungen in Form eines Anwendungsschreibens äus­sern. Ein erster Entwurf zirkulierte Anfang Juli 2013 zur Stellungnahme. Es bleibt abzuwarten, welche neuen Erkenntnisse die endgültig publizierte Version bringen wird. Die verbleibende Zeit bis zum Inkrafttreten der neuen Regelungen sollten die Unternehmen jedoch nutzen, um zu entscheiden, wie sie die künftige Nachweisdokumentation gestalten wollen.«

Porträt