Recht

Arbeitnehmervertreter

Beziehungspflege mit Gewerkschaften lohnt sich

Der Einfluss von Gewerkschaften prägt die Wirtschaft eines Landes – auch die der Schweiz. Die Rolle der Gewerkschaften unterliegt aber ebenso einem Wandel wie die Art und Weise des unternehmerischen Handelns. Und so suchen sich Gewerkschaften zunehmend Aktionsfelder ausserhalb der etablierten Sozialpartnerschaften. Mit Gewerkschaften sollte sich also jedes Unternehmen befassen, unabhängig davon, ob es einem Gesamtarbeitsvertrag untersteht oder nicht.
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Der Satz «Gewerkschaften betreffen uns nicht, wir haben keinen Gesamtarbeitsvertrag», hört man zwar nach wie vor oft, doch ist es ein grosser Irrtum zu glauben, nur dann sähe man sich den Anliegen einer Gewerkschaft gegenübergestellt, wenn bereits sozialpartnerschaftliche Beziehungen bestehen. Gerade KMU müssen sich immer öfters den Forderungen von Gewerkschaften stellen. Die Taktik nach dem Motto «Wir müssen nicht mit Gewerkschaftern sprechen und tun es auch nicht», schlägt nach Ansicht der Autorin grundsätzlich fehl.

Arbeitskampfmittel Streik

Der Streik ist das bekannteste Mittel im Arbeitskampf. Streiks sind in der Schweiz sehr wohl erlaubt. Allerdings vereinbaren viele Branchen mit ihren Gewerkschaften eine ausdrückliche und absolute Friedenspflicht – dies ist der Hauptgrund für das Abschliessen eines Gesamtarbeitsvertrages. Nicht jeder Streik ist auch tatsächlich rechtmässig. Es müssen dazu kumulativ folgende Bedingungen erfüllt sein:

  1. Der Streik wird von einem tariffähigen Subjekt (Gewerkschaft) geführt.
  2. Der Streik bezieht sich auf regelbare Ziele aus dem Gesamtarbeitsvertrag.
  3. Verstösst nicht gegen vertragliche oder gesetzliche Friedenspflicht.
  4. Verhältnismässigkeit von Arbeitskampf und Anliegen.
  5. Es besteht kein gesetzlicher Ausschluss.

Der Streik wird durch eine Gewerkschaft organisiert und stellt die gemeinschaftliche Weigerung zur Arbeitsleistung dar. Nur wenn ein Streik rechtmässig ist, wird die Weigerung der Arbeitsleistung nicht als Vertragsverletzung erachtet. Oder anders ausgedrückt, es liegt ein Rechtfertigungsgrund für die Verletzung der arbeitsvertraglichen Leistungspflicht vor. Sogenannte wilde Streiks sind Streiks, die nicht von einer Gewerkschaft durchgeführt werden. Sie sind daher grundsätzlich rechtswidrig, können aber zum Beispiel auch später von einer Gewerkschaft übernommen werden, womit dann wieder ein rechtsgültiger Arbeitskampf vorliegt.

Neben dem Streik gibt es weitere Massnahmen wie beispielsweise der Boykott, die Betriebsbesetzung, Betriebsblockaden oder die Medienkampagne. Allen geht immer eine Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden voraus. Aus Unternehmenssicht wohl unbestritten ist die Tatsache, dass ein Arbeitskampf immer schadet, sei es direkt der Geschäftstätigkeit oder indirekt dem Image des Unternehmens. Es ist aber ebenso eine Tatsache, dass gerade in der Schweiz der Arbeitskampf neu definiert und sowohl früher als auch härter geführt wird. Und schliesslich ist es längst nicht mehr so, dass nur Unternehmen in einer bestehenden Sozialpartnerschaft mit Gewerkschaften sich auseinandersetzen müssen. Der Medieneinsatz spielt dabei eine ebenso neue wie entscheidende Rolle.

Streitmittel PR-Kampagnen

Neben den klassischen Mitteln des Arbeitskampfs bedienen sich die Gewerkschaften zunehmend der Medien, um ihre Anliegen durchzusetzen. Gewerkschaften sind äusserst mediengewandt und wissen sehr genau, wie sie mit Medien umgehen müssen und wie sie diese zu «Mitstreitern» machen. Manchmal schiessen sie über das Ziel hinaus, doch liegt in diesem Inkaufnehmen oft die bewusste Taktik. Die juristische Wertung einer gewerkschaftlich initiierten Medienkampagne ist unterschiedlich, je nachdem, ob bereits eine Sozialpartnerschaft besteht oder nicht.

Tatsache aber ist, dass gerade auch Unternehmen, die in keiner Sozialpartnerschaft mit Gewerkschaften stehen, sich solchen Medienkampagnen ausgesetzt sehen. Vor allem dann, wenn es den Gewerkschaften darum geht, ihren politischen Forderungen Gehör zu verschaffen. So beispielsweise bei der erst kürzlich zur Abstimmung gelangten 6-Wochen-Ferien-Initiative und bei der im Januar ein­gereichten Mindestlohninitiative. Zudem sind auch unternehmerische Entscheide längst nicht mehr nur eine Sache zwischen Geschäftsleitung und Belegschaft. Im vergangenen Jahr beispielsweise hatten viele Unternehmen die Arbeitszeiten erhöht oder die Löhne gekürzt, um die Schwierigkeiten, ausgelöst durch die Währungsproblematik, etwas zu dämpfen. Manche Unternehmen waren dann plötzlich damit konfrontiert, dass Gewerkschaften diesen Unternehmensentscheid missbilligten und aktiv im Unternehmen selber und extern über die Medien gegen die geplante Massnahme opponierten.

Weiter leiteten Gewerkschaften auch Klagen gegen einzelne Unternehmen ein. Der erste kantonale Entscheid ist bereits gesprochen worden – zuungunsten des betroffenen Unternehmens. Gewerkschaften beschränken sich also längst nicht mehr nur auf ihre Sozialpartner. Will man als Unternehmen nicht als Opfer von gewerkschaftlichen Aktionen dastehen, muss man personalpolitische Entscheide strategisch planen und kommunikativ gewandt begleiten.

Politische Anliegen

Zur Durchsetzung ihrer politischen Anliegen lassen sich die Gewerkschaften medien- und publikumswirksame Aktionen einfallen. Auch wenn sich einige solcher Aktionen im juristischen Graubereich befinden, so ist es zunächst wenig sinnvoll, sich als Unternehmen auf die Frage der Rechtmässigkeit derartiger Protestaktionen zu beschränken. Zur Lancierung der Unterschriftensammlung zur Mindestlohninitiative vor rund einem Jahr protestierten die Gewerkschaften bei verschiedenen mittelgrossen Unternehmen gegen deren Lohngefüge. Die betroffenen Unternehmen wurden regelrecht überrumpelt – die Ankündigung der Protestaktionen fand nur gerade wenige Stunden vorher statt. Mit den Gewerkschaften standen gleichzeitig auch regionale Medienvertreter (Print und TV) vor dem Betrieb. Klar, dass die Medien an solchen Aktionen Gefallen finden und diese noch so gern begleiten.

Es lag ein offensichtliches Kräftemissverhältnis vor – allerdings anders, als oft beschrieben. Denn hier waren eindeutig die Unternehmen in der Defensive. In einem solchen Fall hat das Unternehmen zwei primäre Ziele. Einerseits die mediale Aufmerksamkeit abwenden und andererseits Ruhe im Betrieb zu wahren. Der Rückzug einer Geschäftsleitung auf dem formalen, juristischen Korrespondenzweg bringt keines der beiden Anliegen zum Erfolg. Hier braucht es einen beherzten Schritt in die Kommunikations-Offensive. Ein persönliches Gespräch mit Gewerkschaftsvertretern ist zeitsparend und klärend. Selbstverständlich darf das Unternehmen dabei immer wieder unterstreichen, dass ein solches Gespräch rein freiwillig erfolgt. Und gleichzeitig hat das Unternehmen Zeit geschaffen, die Rechtslage juristisch abzuklären.

Auf Augenhöhe

Ein Gleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht nicht. Auch wenn es in vielen Unternehmen ein hehres Ziel ist, ein solches zu leben. Nicht immer schwenkt das Pendel zuungunsten der Belegschaft aus. Beim radikalsten aller Personalmassnahmen, dem Stellenabbau nämlich, aber schon. Hier sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eindeutig unterlegen. Durch ihre unmittelbare oder mittelbare Betroffenheit reagieren sie hoch emotional und eine sachliche Diskussion ist manchmal kaum möglich.

In einem solchen Moment kommt zum Tragen, wenn man die Beziehungspflege mit den Gewerkschaften nicht ausschliesslich auf schlechte Zeiten beschränkt. Gewerkschaften können bei einem Personalabbau auch für die Unternehmensleitung hilfreich sein. Mit Gewerkschaftsvertretern kann das Unternehmen auf Augenhöhe diskutieren. Die Gewerkschaftsvertreter sind persönlich nicht direkt vom Stellenabbau betroffen, was ihnen einen sachlichen Umgang ermöglicht. So kann es durchaus Sinn machen, eine Gewerkschaft in den Prozess einer Entlassungswelle mit einzubeziehen, obwohl bislang zwischen dem Unternehmen und den Gewerkschaften keine Beziehung bestand. Wie die Zusammenarbeit aussehen soll, muss ein Unternehmen zunächst für sich klar definieren und die Gewerkschaften schon bei der Einladung darüber informieren, wie weit der Einbezug gehen darf.

Ziele festlegen

Es gibt kein allgemeingültiges Rezept, wann und wie mit Gewerkschaften zusammengearbeitet werden soll. Faktoren wie Betriebsgrös­se, Führungsstil, Branchenzugehörigkeit, Art der Personalmassnahme sind ein paar der Punkte, welche den Einbezug der Gewerkschaften beeinflussen.

Wichtig ist aber in allen Fällen, dass man als Unternehmen genaue Ziele hat. Gewerkschaften sind professionelle Streiter für die Anliegen der Arbeitnehmenden und so braucht es einen bewussten Plan, will das Unternehmen selber die Führung behalten und nicht plötzlich von den Gewerkschaften geführt werden. Dieses Umstands sind sich zwar viele Unternehmen bewusst. Und so beschliessen viele Unternehmen, gerade deswegen nicht mit den Gewerkschaften zu reden. Die Reaktion von Gewerkschaften fällt dann aber nicht selten umso heftiger aus.

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