Recht

Arbeitsverhinderung

Arbeitsunfähigkeit muss nicht Ferienunfähigkeit bedeuten

Sommerzeit ist Ferienzeit. Der Arbeitgeber hofft auf eine pünktliche Rückkehr der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber nicht immer ist dies auch tatsächlich der Fall. Wie ist vorzugehen, wenn ein Mitarbeiter nach den Ferien nicht an seinem Arbeitsplatz erscheint, und in welchen Fällen muss der Arbeitgeber den Lohn trotz Abwesenheit zahlen?
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Die Aschewolke des isländischen Vulkans legte im April den europäischen Flugverkehr während mehrerer Tage fast vollständig lahm und hinderte Zehntausende an der geplanten Rückkehr. Reisende mussten auf andere Transportmittel ausweichen, oder, wo das nicht ging, auf die nächste Fluggelegenheit warten.

Kein Lohnanspruch

Derartige Ereignisse lassen immer wieder die Frage aufkommen, ob der Mitarbeiter den Lohn dennoch erhält, da er doch für das verspätete Eintreffen am Arbeitsplatz gar nichts kann. Nein, der Mitarbeitende hat in einem solchen Fall keinen Lohnanspruch, weil die Arbeitsverhinderung nicht in seiner Person liegt, sondern hier ein objektiver Verhinderungsgrund vorliegt. Dasselbe gilt, wenn beispielsweise jemand infolge starken Schneefalls oder Lawinengefahr nicht rechtzeitig am Arbeitsplatz erscheint, ebenso bei Hochwasser, Überschwemmungen oder auch bei Erdbeben, Seuchengefahr oder allgemeinen Reiseverboten.

Subjektive Verhinderung

Eine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers ist grundsätzlich nur dann gegeben, wenn die Abwesenheit des Mitarbeitenden einerseits unverschuldet ist und andererseits in seiner Person liegt. Hauptsächlich betrifft dies Arbeitsverhinderung infolge Krankheit oder Unfall. Ein allgemeines Ereignis kann ausnahmsweise aber durchaus auch unter die Lohnzahlungspflicht fallen, nämlich dann, wenn das allgemeine Ereignis den Arbeitnehmer speziell trifft. Wenn beispielsweise das Haus eines Mitarbeitenden durch Hochwasser beschädigt wird und er umgehend dringende Arbeiten vornehmen muss, damit grös­serer Schaden verhindert werden kann, so liegt eine subjektive Verhinderung vor und der Arbeitgeber muss den Lohn für die Abwesenheit des Mitarbeiters zahlen. Wenn aber eine andere Mitarbeiterin aus der gleichen Ortschaft durch das Hochwasser zwar daran gehindert ist, den Arbeitsweg anzutreten, ihre Wohnung aber nicht vom Hochwasser direkt betroffen ist, so liegt im Sinne des Gesetzes eine objektive Verhinderung vor und der Lohn muss nicht bezahlt werden.

Unterschiedliche Folgen

Ein und dasselbe Naturereignis kann also unterschiedliche, arbeitsrechtliche Folgen haben – je nachdem, wie direkt ein Mitarbeiter persönlich davon betroffen ist. Beispiele könnten hier zahlreiche weitere angeführt werden. In den meisten Fällen steht hier wohl gar nicht so sehr die Rechtsfrage im Zentrum, da man als Arbeitgeber schnell erkennen kann, ob die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter direkt vom Naturereignis betroffen war oder dieses als Vorwand benutzt. Meist handelt es sich auch nur um eine kurze Dauer der Abwesenheit und man findet eine einvernehmliche Lösung. Daneben gibt es aber die weitaus häufigeren Fälle, bei denen eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer aus den Ferien zurückkommt und mitteilt, sie oder er seien während der Ferien krank gewesen und würden diese Tage daher nachbeziehen.

Verständlich kommunizieren

Auf jeden Fall lohnenswert ist es, die Mitarbeitenden vor Ferienantritt schriftlich darauf aufmerksam zu machen, wie vorzugehen ist, wenn sie innerhalb der Ferien krank werden, einen Unfall erleiden oder sich die Rückkehr verspätet. Zentral ist die Aufforderung an die Mitarbeitenden, dass sie sich sofort und nicht erst nach ihrer Rückkehr beim Arbeitgeber melden sollen. Mit dieser Ordnungsmassnahme verhindert man schon einige Missbräuche. Auf jeden Fall ist ein solches Schreiben aber sehr bedacht zu formulieren. Wird gut kommuniziert, verstehen es die Mitarbeitenden als umsichtige Dienstleistung des Arbeitgebers – im schlechtesten Fall dagegen als ungeheuerliche Einmischung ins Privatleben. Hier zeigt sich, wie das Unternehmen interne Kommunikation versteht und betreibt.

Wenn keine Nachricht kommt

Gelegentlich kommt es vor, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin nach den Ferien nicht am Arbeitsplatz erscheint und sich auch nicht abmeldet. Hat sich die Person einfach noch mehr Ferien gegönnt, oder ist ihr vielleicht etwas zugestossen? In einem solchen Fall sollte der Arbeitgeber keine Annahmen treffen, sondern alles daran setzen, diese Grundfrage rasch zu klären. Möglichst am ersten Tag der Absenz wird der Arbeitnehmer angerufen. Vielleicht erhält man eine plausible Erklärung und es entsteht erst gar kein Problem. Gut möglich, dass der telefonische Kontakt nicht zustande kommt oder die Begründung für die Absenz äusserst fragwürdig ausfällt. Zweiter Schritt ist die schriftliche Aufforderung an den Mitarbeitenden, umgehend zur Arbeit zu erscheinen, oder wenn dies nicht möglich sei, sich umgehend beim Arbeitgeber zu melden. In diesem Schreiben wird der Arbeitgeber präzis und setzt einen Termin. Er schreibt auch, an wen und unter welcher Telefonnummer sich der Mitarbeitende zu melden hat. So wirkt der Arbeitgeber dem Vorwurf entgegen, man hätte nicht gewusst, bis wann man sich hätte melden sollen bzw. wen man hätte anrufen müssen. Dieses Schreiben wird an die gemeldete Korrespondenzadresse gesandt, und zwar eingeschrieben.

Lohnzahlung stoppen

Erhält der Arbeitgeber nach einigen Tagen noch immer keine Reaktion seines Mitarbeiters, sollte er die Aufforderung schriftlich nochmals wiederholen. Noch einmal mit genauer Terminfixierung, wann der Arbeitnehmer wo erwartet wird. Es kann sein, dass dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin etwas Schlimmes widerfahren ist. Weitaus häufiger aber ist der Fall, dass eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter schlichtweg länger in den Ferien bleibt, «blau» macht oder einfach eine andere Stelle angetreten hat. Sollte sich herausstellen, dass der Betroffene trotz wiederholter Aufforderung nicht meldet, so ist es wahrscheinlich, dass ein Sachverhalt des ungerechtfertigten Verlassens der Arbeitsstelle nach Art. 337d OR vorliegt. Dies berechtigt den Arbeitgeber, einen Viertel eines Monatslohns als Entschädigung einzubehalten. Solange keine Entschuldigung für das langandauernde Fernbleiben vorliegt, sollte die Stoppung der Lohnzahlung geprüft werden. Nicht selten klärt sich der Fall dann ganz schnell.

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