Mensch & Arbeit

Ethik als Erfolgsfaktor

«Wirtschaft und Ethik haben ein symbiotisches Verhältnis»

Werner von Allmen, Geschäftsleiter des Swiss Excellence Forum, spricht über Business Ethics als unternehmerische Disziplin, die steigende Verantwortung der Führungskräfte und die Messbarkeit ethischer Performance.
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Herr von Allmen, neben Business und Personal Excellence beschäftigen Sie sich im Swiss Excellence Forum mit Business Ethics. Was ist Ihre Motivation?

Unser Thema ist die ganzheitliche, nachhaltige Unternehmensführung. Das setzt voraus, dass ein Unternehmen Geld verdient, aber auch zu seinen Führungskräften und Mitarbeitenden schaut und dafür sorgt, dass das Business anständig betrieben wird. Unter diesem Gesichtspunkt wird Business Ethics zu einer unabdingbaren unternehmerischen Disziplin.

Was bedeutet «anständig» in diesem Zusammenhang?

Zum Beispiel, dass ein Unternehmen nicht nur die eigenen Interessen ins Zentrum des Handelns stellt. Führungskräfte, die ihre Organisation nach ganzheitlichen Grundsätzen führen, sind bestrebt, eine für die Gesellschaft sinn- und wertvolle Leistung zu erbringen und die Bedürfnisse der wichtigsten Anspruchsgruppen angemessen zu berücksichtigen. Solche Aspekte werden immer wichtiger.

Heisst das, dass unsere Wirtschaft weniger ethisch ist als früher?

So weit würde ich in meiner Aussage nicht gehen. Ich würde auch nicht behaupten, dass Manager heute besser oder schlechter sind. Nur haben sich durch die Glo­balisierung, den freien Kapital- und Personenverkehr und die neuen Kommunikationstechnologien die Spielregeln komplett geändert. Das kann dazu führen, dass sich Entscheidungen mit grosser Tragweite überproportional auf die Stakeholder oder Umwelt auswirken. Auf den Punkt gebracht bedeutet dies, dass mit der fortschreitenden Entwicklung die Verantwortung für alle Beteiligten, aber vor allem für Führungskräfte und Entscheider steigt.

Sie empfehlen demnach Führungskräften ihre ethische Performance entsprechend zu entwickeln. Ist das Kosmetik oder bringen Investitionen in diesem Bereich auch messbare Vorteile?

Nein, keine Kosmetik, da stehen schon Fakten dahinter, die unternehmerisch ins Gewicht fallen. Reputationsschäden können existenzielle Auswirkungen haben und ganze Branchen gefährden. Denken Sie nur an die Klagen aus den USA gegen die Schweizer Finanzindustrie wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung, infolgedessen die Bank Wegelin im Jahr 2012 aufgelöst wurde und den Finanzinstituten Bussen in Milliardenhöhe ins Haus stehen. Auf der anderen Seite werden Organisationen, die sich aus gesellschaftlicher Sicht nützlich verhalten, belohnt. So sind Konsumenten heute stärker auf Nachhaltigkeit sensibilisiert und berücksichtigen bei ihrem Kaufentscheid durchaus Kriterien wie Image, schonender Umgang mit Ressourcen und der Umwelt oder die Arbeitsbedingungen. Ganz zu schweigen von Vergünstigungen für vorbildliches Verhalten, wie zum Beispiel Steuererleichterungen durch den Staat.

Wie stark steht also die Unternehmensführung in der Pflicht?

Wir brauchen integre Führungskräfte, die ihre Verantwortung wahrnehmen und Vorbild sind. Ganz nach dem Grundsatz, dass der Fisch vom Kopf stinkt, aber auch von dort glänzt! Mitarbeitende orientieren sich an den übergeordneten Zielen der Organisation und am Verhalten ihrer Vorgesetzten. Führungskräfte sind dafür verantwortlich, dass die Organisationsstruktur, die Entscheidungsprozesse und vor allem die Anreizsysteme eine ethisch vertretbare Kultur beziehungsweise moralisch angemessenes Verhalten des Einzelnen begünstigen.

Ist moralische Integrität lernbar?

Grundsätzlich ja, allerdings nicht wie Lesen, Schreiben oder Rechnen. Moralische Integrität steht auf der einen Seite im direkten Zusammenhang mit persönlicher Reife, Lebenserfahrung und der Fähigkeit, die wirklich wichtigen Werte im Leben zu erkennen und auf der anderen Seite mit der Sensibilisierung für das Thema Nachhaltigkeit im Sinne von Sustainable Excellence. Ein von Anerkennung und materiellen Werten getriebener Manager wird kaum für Investitionen in die ethische Performance zu begeistern sein. In diesem Sinne kann man moralische Integrität und die Sensibilität für ethisches Verhalten nicht lernen, aber systematisch entwickeln.

Integrität ist die eine Seite der Medaille, auf der anderen Seite gibt es eine ganze Reihe Instrumente wie Leitbilder, Codes of Conduct oder Führungs- und Verhaltensrichtlinien. Hilft dies einer Organisation bei der Entwicklung der ethischen Performance?

Die Arbeit eines guten Handwerkers wird durch das richtige Werkzeug unterstützt. Ein schlechter Handwerker wird auch mit dem besten Werkzeug kein Meisterwerk abliefern. Diese Analogie macht deutlich, dass geeignete Führungsinstrumente einen Paradigmenwechsel in einer Organisation unterstützen. Der entscheidende Erfolgsfaktor ist aber die Führungskraft. Sie ist der Kulturgestalter und verantwortlich dafür, was getan wird, aber auch für das, was nicht getan wird.

Das Swiss Excellence Forum verleiht im kommenden Mai zum sechsten Mal den Swiss Ethics Award. Was wollen Sie mit diesem Preis erreichen?

Unternehmen tragen gegenüber der Gesellschaft eine soziale Verantwortung. Die Öffentlichkeit erwartet, dass sich eine Organisation entsprechend verhält und nicht nur die eigenen Interessen verfolgt. Der Swiss Ethics Award ist die Anerkennung für herausragende ethische Leis­tungen, die im Bereich der Wirtschaft als Vor­bild dienen und aufzeigen, wie sich ökono­mische und ethische Kriterien komplementär ergänzen lassen. Wir wollen mit dem Award die Wirtschaft sensibilisieren und die besten Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen.

Wie unterscheidet sich der Swiss Ethics Award von anderen Auszeichnungen in diesem Bereich?

Die Kriterien, die für eine Nomination erfüllt sein müssen, sind sehr anspruchsvoll. Es reicht nicht, eine Idee oder ein Projekt einzureichen. Die Jury, in der Ethiker wie Prof. Dr. Hans Ruh, Prof. Dr. Markus Huppenbauer, Prof. Dr. Peter Schaber oder Dr. Christoph Weber-Berg sitzen, erwarten tragfähige Nachweise und überdurchschnittliche Ergebnisse. Wir wollen mit unserem Award die Führungskräfte für die Folgen ihres Handelns sensibilisieren. Wenn man ein Unternehmen führt und über andere entscheidet, trägt man grosse Verantwortung und kann durch sein Verhalten grossen Nutzen stiften, aber auch grossen Schaden anrichten.

Und was bedeutet «grossen Nutzen stiften», im Zusammenhang mit Ethik in der Wirtschaft, konkret?

Ethik ist das bewusste Streben nach verantwortungsvollem Handeln und fairem Verhalten. Eine starke Volkswirtschaft setzt voraus, dass sich die einzelnen Anspruchsgruppen gegenseitig unterstützen. Unternehmen profitieren von optimalen Umfeldbedingungen wie einer zweckmässigen Infrastruktur, gut ausgebildeten Arbeitskräften oder von der politischen Stabilität. Als Gegenleistungen können die Schaffung von Arbeitsplätzen, angemessene Löhne, attraktive Leistungen oder das Engagement der Führungskräfte in politischen Ämtern gesehen werden. Wirtschaft und Ethik sind keine Gegensätze, sie stehen in einem symbiotischen Verhältnis. Ich bin heute der Überzeugung, dass nachhaltiger Erfolg ethisches Verhalten voraussetzt.

Ist ethisches Verhalten von Organisationen messbar oder bloss eine subjektive Einschätzung?

Ja, ethische Performance ist messbar. Wir arbeiten seit zwei Jahren, in Zusammenarbeit mit dem Ethik-Zentrum der Universität Zürich, an der Entwicklung eines Ethik-Modells. Im Zentrum der Zielsetzung steht die Absicht, Entscheidern ein Führungsinstrument in die Hand zu geben, mit dem sie, unabhängig von Organisationsgrösse, Branche oder Kulturraum, ethische Performance messen und systematisch entwickeln können. Das Modell, das sich strukturell am EFQM Excellence Modell orientiert, wird im kommenden Herbst in einem Pilotprojekt seiner Praxistauglichkeit unterzogen und anschliessend Interessierten zugänglich gemacht.

Kann ein Modell die kulturellen Unterschiede überhaupt auffangen? Ich denke da zum Beispiel an so gegensätzliche Wirtschaftsräu-me wie die Schweiz und Indien?

Das war tatsächlich eine ziemlich grosse Herausforderung. Wir haben das Thema so gelöst, dass die entsprechenden Anforderungen so formuliert sind, dass die lokalen und kulturellen Rahmenbedingungen angemessen berücksichtigt werden. Aber selbstverständlich gibt es Themen im Bereich der Wirtschaftsethik, die Allgemeingültigkeit haben und nicht verhandelbar sind. Dazu gehören beispielsweise Verstösse gegen die Menschenrechte. Solche Grundsätze, die unver­handelbar sind, haben wir in Form von spezifischen Anforderungen in unserem Modell integriert.

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