Mensch & Arbeit

Führungsverhalten

Wie Leader abteilungsinterne Machtspiele lösen

Die Führungspersönlichkeit ist sich sicher: In ihrer Abteilung läuft ein Machtspiel ab. Zwei Mitarbeiter hoffen, die vakante Teamleiterposition zu besetzen – und legen dem Konkurrenten jeweils auf unfaire Weise Stolpersteine in den Weg nach oben. Wie sollte die Führungspersönlichkeit reagieren?
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In aller Regel fürchten Führungskräfte Machtspiele in ihrem Verantwortungsbereich. Es gibt aber einen Weg, konstruktiv mit Machtspielen umzugehen und sie für die Weiterentwicklung des Unternehmens, der Abteilung und des Teams zu nutzen. Dazu bedarf es der Souveränität einer Führungspersönlichkeit, die verhindern möchte, dass die Situation eskaliert und die Arbeitsproduktivität in Mitleidenschaft gezogen wird. Ein souveräner Umgang besteht darin, lenkend und steuernd einzugreifen.

Spielerisch und destruktiv

Der Name sagt es schon – Machtspiele haben auch etwas Spielerisches, ja fast Vergnügliches an sich. Und zuweilen wird bewundernd auf denjenigen geblickt, der es versteht, das Machtspiel für sich zu entscheiden. Die meisten Machtspiele verfügen aber zugleich über eine dunkle, unheimliche sowie destruktive Seite. Das hat vor allem damit zu tun, dass es den Machtspielern selten um die Sache geht: Sie benutzen oder missbrauchen vielmehr Sache, Gegenstand oder Inhalt, um Machtpositionen zu verteidigen, anzufechten oder zu erringen. Die Fairness bleibt auf der Strecke – und so gehören die Intrige und das gezielte Streuen von Gerüchten ebenso zum Instrumentarium des Machtspielers wie die Verleumdung oder die Machtdemonstration.

Natürlich könnten die Verantwortlichen Machtspiele schlichtweg verbieten oder untersagen. Und beim Mobbing etwa ist dies auch richtig so. Ansonsten jedoch zeugt ein Verbot von Naivität. Denn in wohl jedem Unternehmen, in jeder Abteilung laufen Machtspiele in verschiedenen Ausprägungsgraden ab. Es wäre unrealistisch und unsinnig, ein generelles Verbot auszusprechen. Hinzukommt: Zuweilen sind Machtspiele notwendig. Mitarbeiter klären einen offenen Konflikt, Führungskräfte nutzen sie, um in ihrem Verantwortungsbereich eine Hierarchie zu etablieren. Macht ist nicht von vornherein etwas Negatives – sie muss ausgeübt sowie ab und zu deutlich demonstriert werden. Wer sich im Machtspiel behauptet, beweist Durchsetzungsstärke – ein Kriterium, das bei der Beurteilung, ob ein Mitarbeiter für eine Führungsposition geeignet ist, eine Rolle spielt.

Machtspiele identifizieren

Machtspiele unter gleichgestellten Kollegen laufen häufig verdeckt ab. Je subtiler der Machtspieler vorgeht, desto schwieriger ist es für die Führungspersönlichkeit, das Machtspiel als solches zu erkennen. Trotzdem gibt es Symptome, mit deren Hilfe sich die Situation einschätzen lässt: Einzelne Mitarbeiter bilden offenkundig Fraktionen und Gruppen, die nur miteinander kommunizieren, wenn es anders nicht geht. Oder: Es werden Gerüchte kolportiert, Sticheleien und kleine verbale Angriffe sind an der Tagesordnung – bis hin zu Intrigen: «Haben Sie gehört, der Meyer hat schon wieder ...»

Die Machtspielgefahr droht ebenfalls, wenn in Teamsitzungen die Atmosphäre angespannt oder sogar feindselig ist. Jeder schiebt die Schuld auf andere, niemand ist bereit, Verantwortung zu übernehmen. Informationen werden nicht oder verspätet weitergeleitet. Die Politik der Desinformation ist eine der «Waffen», die Machtspieler bevorzugt nutzen, um dem Kontrahenten zu schaden.

Hintergründe analysieren

Entscheidend ist es, zunächst einmal die Hintergründe des Machtspiels aufzudecken. Je weiter das Machtspiel vorangeschritten ist, desto schwieriger wird es, die Entstehungsgeschichte nachzuvollziehen und festzuhalten, zu welchem Zeitpunkt die Beteiligten das Machtspiel in Gang gesetzt haben. Die Beantwortung der folgenden Fragen hilft weiter:

  • Kann der Auslöser des Machtspiels benannt werden?
  • Welche Faktoren haben dazu beigetragen, dass es entstehen konnte?
  • Falls bekannt ist, wer am Machtspiel beteiligt ist: Auf welche Weise sind diese Mitarbeiter beteiligt? Wer hat Vor-, wer Nachteile? Wer nimmt Einfluss auf das Machtspiel – sowohl bewusst und aktiv als auch unbewusst und passiv?
  • Haben sich mittlerweile Gruppen gebildet? Welche konkrete Rolle spielen sie?

Ganz wichtig ist die Einschätzung, in welchem Stadium sich das Machtspiel befindet: Meistens überwiegt zunächst der spielerische Charakter, dann gibt es Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten, die sich noch in einem akzeptablen Rahmen bewegen. Schliesslich artet es aus, die Beteiligten überschreiten die Grenzen des Anstands und der Fairness. Das Machtspiel eskaliert – die Beteiligten wollen sich auf einer sehr persönlichen Ebene nur noch gegenseitig verletzen.

Das Gespräch suchen

Nach der Analyse kann entschieden werden, ob das Machtspiel rigoros beendet werden muss: Das ist notwendig, wenn die Eskalation droht und der Betriebsfrieden ernsthaft in Gefahr gerät. Eine Alternative ist: Die Führungspersönlichkeit sucht das Gespräch mit den Beteiligten und berücksichtigt dabei die spezifische Motivation der Machtspieler. So gibt es zum Beispiel das Machtspiel mit Beziehungsaspekt: Beziehungskonflikte haben ihre Ursache darin, dass sich die Machtspieler «nicht riechen können» – der sachliche Mitarbeiter und der eher visionär denkende Kollege finden aufgrund ihrer unterschiedlichen Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster einfach nicht zusammen.

Oder nehmen wir das Machtspiel mit Beurteilungsaspekt: Ein Beurteilungskonflikt entbrennt, wenn zwei Machtspieler dasselbe Ziel verfolgen, aber bezüglich der Strategien zur Zielerreichung unterschiedlicher Auffassung sind. Das kommt vor, wenn Mitarbeiter gemeinsam an einer Teamaufgabe arbeiten. Eine weitere Variante ist das Machtspiel mit Verteilungsaspekt: Verteilungskonflikte entstehen durch Neid und Missgunst. Klassisches Beispiel: Ein Mitarbeiter neidet der Kollegin die Anerkennung, die diese vom Chef erhält – und zettelt darum ein Machtspiel an. Bleibt das Machtspiel mit Zielaspekt: Der klassische Zielkonflikt droht, wenn Mitarbeiter konkurrierende Interessen, Absichten und Ziele verfolgen. Jetzt hat die Führungspersönlichkeit die Möglichkeit, Interessen auszubalancieren und eine Situation herzustellen, die die Kontrahenten veranlasst, das Spielchen zu beenden.

Differenzierte Vorgehensweise

Häufig verhält es sich im Machtspiel so, dass der eine Machtspieler fordernd und aggressiv agiert und der andere eher reagiert, mithin ein aktiver und ein passiver Mitarbeiter aufeinandertreffen. Eine Option besteht darin, mit dem Aktiveren ein Gespräch zu führen, indem die Führungspersönlichkeit diesen zu mehr Zurückhaltung auffordert, und mit dem pas­siveren Machtspieler ein Stärkengespräch anzuberaumen.

Nehmen wir an, zwei Mitarbeiter bewerben sich darum, als Teamleiter mehr Verantwortung zu übernehmen. Der Chef möchte sich seine Entscheidung gut überlegen – und nun beginnen sich die Mitarbeiter zu «bekriegen» und zetteln ein Machtspiel an. Mitarbeiter Müller hält den aggressiveren Part inne. Mitarbeiter Schmitt ist fachlich nicht ungeeigneter, im Gegenteil. Aber er verfügt nicht über ein so ausgeprägtes Selbstwertgefühl wie der Kollege.

Nachdem die Führungspersönlichkeit die Fakten analysiert hat, kommt sie zu der Bewertung, es biete mehr Vor- als Nachteile, das Machtspiel nicht zu beenden und weiterlaufen zu lassen. Sie greift aber lenkend ein, indem sie dem aktiveren Part im Machtspiel quasi Fesseln anlegt und ihn auffordert, sich zurückzuhalten und sich jeder verbalen Aggression zu enthalten. Mehr Zeit investiert die Führungspersönlichkeit in das Gespräch mit dem passiveren Machtspieler. Mit Herrn Schmitt führt sie ein Stärkengespräch, damit dieser aus seiner eher erduldenden Haltung herausfindet, «nicht alles mit sich machen lässt» und selbstbewusster seine Ziele verfolgt.

Natürlich: Diese Art der Vermittlung gleicht dem Tanz auf dem Vulkan. Denn der Chef will das Machtspiel zwar beeinflussen, ihm geht es dabei aber nicht um einseitige Parteinahme. Er möchte Chancengleichheit herstellen und verhindern, dass die aggressivere Durchsetzungskraft des aktiveren und machtbewussteren Mitarbeiters allein den Ausschlag gibt.

Verbindliche Leitlinien

Es gibt also durchaus Situationen, in denen es besser ist, das Machtspiel nicht zu beenden. Es sollte aber verbindliche Spielregeln geben, also einen Rahmen, innerhalb dessen das Machtspiel erlaubt ist. Diese Grundsätze könnten aus den Unternehmenswerten abgeleitet und in konkrete Leitlinien oder Handlungsprinzipien gegossen werden. Die Führungspersönlichkeit sollte die Machtspieler dann so ansprechen: «Wir haben im Konsens festgelegt, dass ein Machtspiel nie so weit führen darf, dass die Erreichung unserer Ziele in Frage gestellt wird. Euer Vorgehen aber schränkt nachweislich die Arbeitsproduktivität ein und gefährdet das Betriebsklima.» Vielleicht kehren die Kontrahenten nun zurück in den festgelegten Machtspiel-Rahmen. Wenn nicht, kann die Führungspersönlichkeit das Machtspiel immer noch beenden.

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