Mensch & Arbeit

Belastungsmanagement

Wie Führungskräfte negativen Mitarbeiterbelastungen vorbeugen

Eine Führung, die auch auf die Gesundheit der Mitarbeiter ausgerichtet ist, ist kein Kompromiss, sondern notwendige Bedingung für wirtschaftlichen Erfolg. Führungskräfte können auf drei Ebenen aktiv werden, um negativen Beanspruchungen vorzubeugen und somit die Gesundheit der Belegschaft zu stärken: organisatorisch, sozial und persönlich.
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Es liegt in der Natur ihrer Rolle, dass Führungskräfte verschiedene Anforderungen in einem Spannungsfeld entgegengesetzter Interessen austarieren müssen: Einerseits müssen sie die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens und die effiziente Bearbeitung unterschiedlichster Aufgaben sicherstellen sowie ihre Mitarbeitenden zu maximaler Leistungsbereitschaft motivieren.

Diese fordern aber andererseits ein berechtigtes Gleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben und zeigen ihren Vorgesetzten bei empfundener Über­lastung und anhaltendem Stress zunehmend selbstbewusst die rote Karte. Die Einstellung «Ich habe genug zu tun und bin doch nicht auch noch für die Psyche meiner Teammitglieder zuständig» ist damit nicht mehr zeitgemäss. Im Gegenteil: Der Erhalt der Gesundheit und damit der Leistungsfähigkeit und -freude ist keine Frage der Freiwilligkeit oder Gutmütigkeit von Führungskräften, sondern gesetzlich verankerte Pflicht.

Wohlbefinden gestalten

Natürlich liegt der Zuständigkeitsbereich von Führungskräften nicht in der psychologischen Diagnostik oder Therapie; Führungskräfte können und sollen keine Vermutungen über die psychische Gesundheit ihres Personals anstellen oder im Ernstfall gar einen Therapeuten ersetzen. Sie sind allerdings dafür verantwortlich, ihr Arbeitsumfeld aktiv so zu gestalten, dass das Wohlbefinden am Arbeitsplatz gewährleistet ist.

Vorteile liegen auf der Hand

Nach einer strategischen Reduzierung gesundheitsgefährdender Belastungen am Arbeitsplatz sucht man trotzdem heute bei den meisten Managern noch vergebens. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Die Achtung der Gesundheit und Erholung sichert die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitenden und reduziert Fehlzeiten aufgrund von krankheitsbedingten Ausfällen.

Gleichzeitig wird die Produktivität und Qualität der Arbeit gesteigert, was wiederum zu einer erhöhten Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens führt. Ein gesundes, leistungsstarkes Team ist ausserdem die beste Grundlage, verantwortungsvolle Aufgaben abzugeben, und trägt damit zur Entlastung der Führungskraft selbst bei. Dabei wird deutlich, dass eine gesunde Führung kein Kompromiss, sondern notwendige Bedingung für wirtschaftlichen Erfolg ist.

Belastungsfaktoren

  • Unter psychischen Belastungen werden alle Einflüsse verstanden, die von aussen auf den Menschen einwirken. Der Begriff ist demnach erst einmal wertneutral definiert und nicht per se negativ zu verstehen. Speziell im Arbeitskontext lassen sich Belastungsfaktoren in verschiedene Bereiche einordnen.
  • Ursachen psychischer Belastungen können hier zum Beispiel in der Arbeitsaufgabe begründet liegen: So ist eine Person während der Arbeit mit monotonen, stark repetitiven Tätigkeiten konfrontiert; die andere dagegen arbeitet in einem hoch volatilen Umfeld, in dem ständig unvorhergesehene Abweichungen im Ablauf auftreten können.
  • Daneben nimmt die Arbeitsumgebung unmittelbaren Einfluss auf den Menschen, beispielsweise durch Lärm, Temperatur oder Beleuchtung.
  • Weitere Belastungsfaktoren lassen sich unter dem Begriff der Arbeitsorganisation zusammenfassen. Darunter wird die Arbeitszeitgestaltung (Nacht- oder Schichtarbeit oder Überstunden) gefasst, die qualitativen als auch quantitativen Anforderungen, die mit der Stelle einhergehen, aber auch das Qualifikationsangebot im Unternehmen.
  • Zudem ist die Arbeit durch psychosoziale Rahmenbedingungen charakterisiert, durch das Verhältnis zum Vorgesetzten oder die Stimmung im Team. Diese Komponente tritt besonders stark dann in den Vordergrund, wenn die Arbeitsbeziehungen durch Konflikte gestört sind.

Individuelles Empfinden

Menschen unterscheiden sich darin, welche Situationen und Umstände sie noch als positive Herausforderung empfinden und wann das individuelle Gefühl von Stress einsetzt. Deshalb wird die Auswirkung beziehungsweise das Erleben einer bestimmten psychischen Belastung als Beanspruchung bezeichnet.

Die individuell erlebte Beanspruchung ist wiederum abhängig von der Resilienz (der psychischen Widerstandsfähigkeit) des Einzelnen. So treibt beispielsweise die anstehende Präsentation (Belastung durch die Arbeitsaufgabe) die eine Kollegin zu Höchstleistungen an (positive Beanspruchung), während der andere Kollege in der Nacht vor Aufregung kaum ein Auge zubekommt (negative Beanspruchung).

Belastungen führen also nicht automatisch zu Stress. Neben der individuellen Resilienz trägt vor allem die Art der Führung dazu bei, ob ein Team insgesamt negativ beansprucht ist oder nicht. Als Führungskraft können Sie auf drei Ebenen aktiv werden, um negativen Beanspruchungen vorzubeugen und somit die Gesundheit der Belegschaft zu stärken: organisatorisch, sozial und persönlich.

Die organisatorische Ebene

Negative Beanspruchung bei den Mitarbeitenden kann vermieden werden, indem Arbeitsprozesse richtig koordiniert werden. Dazu gehört beispielsweise die Verteilung von Aufgaben unter Berücksichtigung der einzelnen Fähigkeiten – sprich eine passgenaue Delegation.

Diese kann sichergestellt werden, indem die sechs W-Regeln für den Delegationsauftrag berücksichtigt werden:

  • Was ist genau zu tun?
  • Wer ist für die Aufgabe am besten geeignet?
  • Welchem Zweck dient die Aufgabe?
  • Wie soll bei der Ausführung vorgegangen werden?
  • Womit müssen die Mitarbeitenden ausgerüstet sein?
  • Wann soll die Aufgabe beginnen und abgeschlossen sein?

Verantwortungsvolle, komplexe Aufgaben können nur von motivierten und kompetenten Kollegen erfolgreich erledigt werden. Dies kann mithilfe der Förderung von Mitarbeitenden durch gezielte Qualifizierung, das Aufzeigen klarer Strukturen und die Eröffnung von Entwicklungsperspektiven gelingen.

Die soziale Ebene

Indem ein guter Umgang im Team bewusst gefördert wird, kann gleichzeitig die Resilienz seiner Mitglieder gestärkt werden. Daher sind vertrauensbildende Massnahmen empfehlenswert. Diese sollten so gestaltet sein, dass sie Offenheit, Vertrauen, Feedback und gegenseitige Wertschätzung im Team stärken. Ziel dabei ist es, ein Wir-Gefühl zu erzeugen. Möglichkeiten können zum Beispiel ein selbst organisiertes Teamevent, Team­entwicklungsmassnahmen oder das jährliche Firmen-Fussballturnier sein.

In diesem Rahmen sollte ausserdem eine Plattform für regelmässige Kommunikation und Informationsaustausch etabliert werden, beispielsweise in Form wöchentlicher Teammeetings. Auf diese Weise  können Probleme, Hindernisse, Zielabweichungen, aber auch mögliche Missverständnisse frühzeitig erkannt und Fehl­belastungen durch deren Beseitigung gemindert werden.

Die persönliche Ebene

Mitarbeitende wünschen sich Anerkennung für ihren Einsatz, insbesondere in anstrengenden Phasen. Beschäftigte, die sich wertgeschätzt fühlen, empfinden nachweislich weniger Stress. Ein einfaches Instrument, um Wertschätzung auszudrücken, ist Lob. Sind Führungskräfte mit einer Leistung zufrieden, sollten sie dies auch zum Ausdruck bringen. Das Aussprechen von Lob kann in einem persönlichen Gespräch oder auch immer mal wieder zwischendurch in wenigen Sätzen erfolgen. Natürlich sollte nicht gelobt werden, wenn es überhaupt nichts zu
loben gibt, aber auch Kritik kann auf eine wertschätzende Weise kommuniziert werden. Dies gelingt, wenn beim Feedback folgende Ratschläge beherzigt werden: Kritisiert werden sollte …

  • nicht die Person, sondern nur bestimmte Leistungen oder Verhaltensweisen,
  • niemand vor anderen Mitarbeitenden oder Vorgesetzten,
  • möglichst zeitnah, nachdem sich ein Anlass gezeigt hat – aber keinesfalls im Affekt,
  • konkret und glaubhaft,
  • angemessen und sachlich.

In den Seminaren können Führungskräfte lernen, wie eine ungesunde Beanspruchung rechtzeitig erkannt und angemessen beantwortet werden kann. Zudem können (und müssen zur Erfüllung des Arbeitsschutzgesetzes) regelmässige Mitarbeiterbefragungen zur Belastungssituation im Unternehmen durchgeführt werden, um psychische Gefährdungspotenziale zu ermitteln und dann entsprechende Massnahmen einzuleiten. Den Umgang mit den Mitarbeitenden, aber auch die eigene Vorbildfunktion im Rahmen des Belastungsmanagements zu reflektieren, lohnt sich: Denn eine gesunde Führung reduziert den empfundenen Stress und erhöht sowohl die Zufriedenheit im Team als auch die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft jedes Einzelnen.

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