Mensch & Arbeit

Mitarbeiterführung

Wie Emotion zum Alleinstellungsmerkmal wird

Jede Strategie ist nur so gut wie die Mitarbeitenden, die diese umsetzen. Deshalb brauchen Unternehmen motivierte, kundenorientierte, unternehmerisch mitdenkende, loyale, begeisterte, glückliche Mitarbeitende. Mit diesen lässt sich Grosses vollbringen.
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Das grösste Erfolgspotenzial eines Unternehmens steckt in den Mitarbeitenden, die ihre Arbeit und die Kunden lieben. Sie sind die wahren Helden eines Unternehmens. Neben der Attraktivität als Arbeitgeber spielt eine humane Führungskultur eine entscheidende Rolle. Zunächst aber brauchen Anbieter eine «eUSP» (Emotional Unique Selling Proposition). Das ist die emotionalisierende Alleinstellung, für die die Unternehmensmarke steht. Sie ist nicht nur in die Produkte fest eingebaut, sondern manifestiert sich auch in allem, was die Mitarbeitenden sagen und tun. Und genau so wird dies in den «Momenten der Wahrheit», wenn es an einem Touchpoint – einem Interaktionspunkt – zu einer «Berührung» zwischen Kunde, Mitarbeitenden und Marke kommt, dann wahrgenommen.

«eUSP» macht den Unterschied

Ein Beispiel dafür? Porsche. Die Marke steht für sportliche Perfektion. Und wie wird dies von den Mitarbeitern gelebt? Hierzu eine Episode, die meine Kollegen erlebten: Sie standen im Foyer von Porsche in Leipzig. Richtig cooles Ambiente. Super Architektur. Ein tolles Event. Businessvolk strömte rein und gönnte sich noch einen Schluck Prosecco vor der Veranstaltung. Alles war entspannt. Bloss dieser Wackelkandidat von Stehtisch trieb sie fast in den Wahnsinn. Wie gut, dass gerade ein Mitarbeiter von Porsche vorbeikam, den sie nach einem Bierdeckel fragten.

Nach gefühlten 30 Sekunden war der junge Mann wieder da. Er warf sich auf die Knie und begann, den Tischfuss mit einem Inbusschlüssel zu justieren. Zwischendurch schaute er immer wieder hoch auf ein gefülltes Glas, das auf dem Stehtisch stand. Der Eichstrich diente ihm als Wasserwaage. Er war erst zufrieden, als der Tisch nicht mehr wackelte und die Tischplatte in einer exakt horizontalen Position war. «Wow», sagten die Kollegen, «das ist beeindruckend, herzlichen Dank.» Da schaute der Porsche-Mitarbeiter auf und sagte einen einzigen Satz: «Wir sind Porsche. Wir machen nichts mit Bierdeckeln.» In der Tat: Unbezahlbar, ein solcher Moment.

Probleme als Chance

Auch die Fünf-Sterne-Hotelkette Ritz-Carlton hat einen «eUSP». Das Produzieren von «Wow-Momenten» ist dort Programm. «Ausnahmslos jeder Mitarbeiter in jedem unserer 77 Hotels weltweit hat die Aufgabe, nach Anlässen zu suchen, bei denen er die Erwartungen der Gäste übertreffen kann», sagt Silvia Kahler aus dem Ritz-Carlton in Wien. «Die Gelegenheit dazu ist immer dann günstig, wenn die Gäste ein Problem haben, das nicht ursächlich mit unserem Service zu tun hat. Denn dass dieser perfekt ist, das ist im Premium-Bereich selbstverständlich.» Das Hauptziel ist es, die Gäste zu überraschen, ihnen ein unvergessliches Erlebnis zu bereiten und so ihre lebenslange Loyalität zu gewinnen. Und das Nebenziel heisst Mundpropaganda.

So ereignete sich im Ritz-Carlton Amelia Island in Florida folgende Geschichte, die über die sozialen Netzwerke schnell die Runde machte: Ein kleiner Bub hatte im Hotel sein Lieblingsstofftier, eine Giraffe namens Joshie, verloren. Ganz schlimm so was, wie jeder weiss, der Kinder hat. Ein paar Tage später kam Joshie per Päckchen wohlbehalten nach Hause, zusammen mit einem liebevoll zusammengestellten Fotoalbum. Was für eine Über-
raschung! Es zeigte die Abenteuer der kleinen Giraffe, und weshalb sie die Abfahrt der Familie verpasste: Joshie mit Sonnenbrille auf einem Liegestuhl am Pool, Joshie bei einer Massage im Spa, Joshie, wie sie ein Golfcart fährt und Joshie, wie sie im Hotel ein bisschen mitarbeitet. Mit wenigen Mitteln und einer tollen Idee haben die Hotelmitarbeitenden dem kleinen Gast ein einzigartiges Erlebnis geschenkt – und sicher dabei auch eine Menge Spass gehabt.

Jeder Tag im Ritz-Carlton beginnt für die Mitarbeiter mit dem Erzählen einer Wow-Story. Weltweit 40 000 Mitarbeiter er­fahren so, wer auf ganz besondere Wei­se zum Erfolg der Kette beigetragen hat. Jedes Hotel hat die Aufgabe, pro Woche eine Wow-Story in die Zentrale zu melden. Die besten gehen dann um den Globus. In Summe entsteht so ein ganz besonderer Spirit – und eine einzigartige Form von Gastlichkeit. Sie hat Ritz-Carlton berühmt gemacht. Und man spürt sie sogleich in dem Moment, in dem man ein Hotel der Marke betritt.

Damit aber noch nicht genug. Sollte nämlich tatsächlich einmal etwas vorfallen, das sich nicht durch eine kleine Geste beheben lässt, hat jeder Mitarbeiter pro Gast 2000 US-Dollar zur freien Verfügung, die er ungefragt investieren darf, um die Sache wieder gutzumachen. Und siehe da: Mit dieser Verantwortung gehen die Mitarbeiter sehr, sehr weise um. Vor allem aber legen sie sich mächtig ins Zeug, damit es erst gar nicht bis zum Ernstfall kommen kann.

Kundenbegeisterung erzeugen

Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, wann, wo und wie Ihre Mitarbeiter für Begeisterung sorgen? Und wann verschenken Sie Momente der Faszination? Grundvoraussetzungen dafür:

  1. Sie haben eine «eUSP», eine emotionalisierende Alleinstellung
  2. Ihre Mitarbeiter kennen diese genau und verstehen die Marke
  3. Sie ermöglichen es Ihren Mitarbeitern, den Geist der Marke zu leben.

Wirklich grosse Dinge können nur dort passieren, wo man die Mitarbeiter aus dem üblichen Korsett von Regeln und Normen befreit und nur dort, wo man an die gewaltige Kraft ihres kreativen Wollens glaubt. Um nun an einem spezifischen Touchpoint rasch in den Begeisterungsbereich vorzustossen, eignet sich folgende Frage: Was ist die beste Idee, die uns zu diesem Thema in den Sinn kommt? Diese Frage muss unbedingt exakt so gestellt werden, weil sonst erfahrungsgemäss meist nur Allerweltslösungen vorgeschlagen werden. Doch in den Extremen stecken die grössten Innovationschancen. Durchschnittsideen hingegen erzeugen nur Mittelmass. Und Mittelmass will bald niemand mehr kaufen.Darüber hinaus brauchen Sie immer neue Ideen. Denn nur, wer viel würfelt, der würfelt am Ende auch Sechser. Schliesslich muss zusammen mit den notwen­digen Mitteln auch die Ergebnisverant­wortung übertragen werden. Damit das Ganze dann Schule macht, braucht es am Ende auch ein verstärkendes Ritual: das kontinuierliche Teilen der besten Storys und das ausgiebige Weitererzählen der grössten Erfolge.

Die Touchpoint-Optimierung im Meeting

Wird das Ausmerzen von Problemen und das Finden von Begeisterungsideen als fester Tagesordnungspunkt in den Meeting-Ablauf eingebaut, ermöglicht dies kontinuierliche Verbesserungen am laufenden Band. Dazu bestimmen für das Meeting einen ersten Interaktionspunkt mit dem Kunden. Und am Ende des Meetings entscheiden Sie, welcher Touchpoint beim nächsten Mal an die Reihe kommt. So können sich involvierte Personen darauf gut vorbereiten. Legen Sie einen Zeitraum fest, den Sie maximal für die Bearbeitung ansetzen wollen, damit sich die Diskussionen nicht endlos in die Länge ziehen: zum Beispiel 30 Minuten. Dann gehts weiter wie folgt:

  • 5 Minuten: Beschreibung eines nicht länger tragbaren Istzustandes, am besten via Storytelling: So wird etwa über ein unschönes Erlebnis berichtet, das ein Mitarbeiter oder Kunde an einem bestimmten Touchpoint hatte, welche Probleme es gab – und welche Konsequenzen.
  • 5 Minuten: Sammlung von Ideen, wie man diesen Punkt optimieren und damit Ärger vermeiden kann. Hier brauchen wir zunächst Quantität. Deshalb sollen die Teilnehmer in dieser Phase still und leise arbeiten, damit jeder seine Idee(n) unbeeinflusst entwickelt. Diese werden auf Kärtchen notiert und an eine passende Wand gepinnt.
  • 10 Minuten: Jeder, der ein Kärtchen geschrieben hat, erläutert seine Idee kurz und knapp. Anschliessend erfolgt eine Kurzdiskussion.
  • 5 Minuten: Mehrheitsentscheid für die favorisierte Idee. Die Führungskraft hält sich während des gesamten Prozesses völlig zurück. Warum? Damit die «Weisheit der vielen» genutzt werden kann. Autorität blockiert diese nämlich.
  • 5 Minuten: To-do-Plan erstellen, also: Wer macht was mit wem bis wann. Dazu gehört auch ein Folgetermin, um zu besprechen, wie sich die Sache entwickelt, ob weiter feinjustiert werden muss und welche Ergebnisse erzielt worden sind.

30 Minuten sind nicht viel, und dennoch lässt sich bei konzentriertem Arbeiten auch in dieser kurzen Zeit schon sehr viel erreichen. «Meine Mitarbeiter können so etwas aber nicht», sagte mir einmal ein Vorgesetzter dazu. Es stellte sich heraus, dass auch seine Mitarbeitenden das konnten. Nur seine Anwesenheit hatte dabei bisher immer gestört. Denn ein «Machtwort» der «Oberen» lässt wertvolle Initiativen nämlich oft einfach versanden. Natürlich hat der Chef immer ein Vetorecht. Davon sollte er allerdings nur ausnahmsweise Gebrauch machen. Sonst erzieht er sich lauter Mündel, die meinungslos auf Anweisungen warten.

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