Mensch & Arbeit

Weiterbildung

Wie aus Mitarbeitenden Wissensvermittler werden

Die Viessmann Group, Hersteller von Systemen der Heiz-, Kälte- und Klimatechnik, will die Schulung ihrer Marktpartner optimieren. Deshalb absolvieren die Trainer der Viessmann Akademie eine TÜV-zertifizierte Trainerausbildung, in der die zentrale Frage lautet: Wie vermitteln wir Wissen so, dass die Schulungen effizient und nachhaltig sind?
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Das technische Spektrum in der Heiztechnik wird zunehmend komplexer, die Produktpalette immer breiter. Heizsysteme für Öl und Gas, Wärmepumpen, Bioenergie, Solarthermie, Fotovoltaik, Kraft-Wärme-Kopplung und Klimatechnik benötigen individuelle Lösungen in allen Anwendungsbereichen.

Hieraus resultiert nicht nur ein erhöhter Informationsbedarf für die Anlagenbetreiber, auch die Anforderungen an die Qualifikation der Heizungsfachbetriebe steigen erheblich. «Ein Heizungsbauer kommt heute aufgrund der grösseren Vernetzung mit vielen anderen Gewerken auf dem Bau in Berührung», erklärt Reiner Gnau, Leiter der Weiterbildung bei Viessmann. «Während die Monteure vor Ort früher, überspitzt formuliert, primär in den Kellern der Gebäude beschäftigt waren, arbeiten sie heute auch auf dem Dach.»

Hoher Qualifizierungsbedarf

Aus dieser Entwicklung resultiert ein höherer fachlicher Qualifizierungsbedarf aller Marktpartner der Viessmann Group. Die Spezialisten, die die Anlagen in den Gebäuden planen, einbauen und warten, benötigen mehr Wissen und müssen dies sicher und flexibel anwenden können. Doch das allein genügt nicht. Sie müssen die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten ihren Kunden so präsentieren, dass diese sie verstehen und deren Vor- und Nachteile erkennen. «Denn nur dann», so Gnau, «können sie sich bewusst entscheiden.»

Vor diesem Hintergrund suchte die Viessmann Group vor drei Jahren nach einer Möglichkeit, die Schulungen der Akademie noch weiter zu verbessern. Das Ergebnis: Fachlich waren die Qualifizierungsmassnahmen bereits spitze, Verbesserungspotenzial wies aber die Art der Wissensvermittlung auf.

Dass hier noch Optimierungsmöglich keiten bestehen, zeigte auch die von Viessmann regelmässig durchgeführte Kundenzufriedenheitsanalyse, in der die Heizungsbauer unter anderem gefragt werden, wie zufrieden sie mit den Schulungen sind. Auch sie ergab laut Gnau: «Nicht das, was wir in Schulungen vermitteln, sondern die Art, wie wir es tun, sollte überdacht werden – damit die Wissensvermittlung noch effizienter und nachhaltiger wird.»

Interne Wissensvermittler

Deshalb startete die Viessmann Group eine umfassende Qualifizierungsmassnahme für alle Mitarbeiter, die direkt oder indirekt an der Schulung der Heizungsfachleute, Anlagenbetreiber, Ingenieure und Architekten beteiligt sind. Ein Ziel dabei lautete: Sowohl bei Viessmann als auch bei den Marktpartnern soll die für eine noch effektivere und nachhaltigere Wissensvermittlung erforderliche Kompetenz aufgebaut beziehungsweise vertieft werden.

Ein weiteres Ziel war, die nötigen Strukturen zu schaffen, um die Qualität der Schulungen dauerhaft zu sichern – unter anderem durch eine Standardisierung der Trainingskonzepte, so dass die Schulungen eine gleichbleibend hohe Qualität aufweisen, unabhängig davon, wer diese wo, wann und mit wem durchführt. Diese Herausforderung musste auch deshalb bewältigt werden, weil die Viessmann Akademie gerade eine Systemzertifizierung nach ISO 29 990 durchlief.

Zentraler Baustein der Qualifizierungsmassnahme war eine Traineraus- und -weiterbildung für zwei Zielgruppen. Zielgruppe 1: die Mitarbeiter der Viessmann Akademie, deren Hauptaufgabe es ist, die Seminare und Unterlagen für das Schulen der Viessmann Mitarbeiter und Marktpartner zu konzipieren und die selbst Schulungen durchführen. Zielgruppe 2: versierte Kundenbetreuer aus allen Viessmann Niederlassungen deutschlandweit, die parttime – also neben ihren sonstigen Aufgaben – Schulungen für Kollegen und Marktpartner von Viessmann durchführen und dabei auf die von der Viessmann Akademie erstellten Konzepte zurückgreifen. Als Partner für dieses Projekt wählte das Unternehmen nach einer Marktuntersuchung das Trainings- und Beratungsunternehmen Voss+Partner in Hamburg, da dieses eine jahrzehntelange Erfahrung im Ausbilden von Trainern und firmeninternen Wissensvermittlern hat.

Wie lernen Menschen?

Im Dialog wurde dann das Konzept der Qualifizierungsmassnahme entwickelt. Dieses sah unter anderem vor, dass die Mitarbeiter der Akademie in einer zweijährigen berufsbegleitenden Weiterbildung zu sogenannten Mastertrainern ausgebildet werden. Und die Kundenbetreuer aus den Viessmann Niederlassungen? Sie sollten ebenso in einer zweijährigen berufsbegleitenden Weiterbildung zu Fachtrainern qualifiziert werden. Beschlossen wurde zudem, dass ergänzend zur Systemzertifizierung der Viessmann Akademie durch den TÜV Rheinland eine Personenzertifizierung mit anschliessender Rezertifizierung der Trainer im Drei-Jahres-Rhythmus erfolgen sollte – «einerseits zur nachhaltigen Qualitätssicherung und andererseits, um den Teilnehmern der Trainerausbildungen auch einen persönlichen Nutzen zu bieten», wie Gnau betont.

Die Mastertrainer-Ausbildung der Akademie-Mitarbeiter startete im Januar 2012; die Fachtrainer-Ausbildung ein halbes Jahr später. Das Grundkonzept beider Ausbildungen war weitgehend gleich – sieht man von den Akzentsetzungen ab, die sich aus der Funktion und Position der Teilnehmer innerhalb des Unternehmens ergaben. Beide Ausbildungen umfassten vier zwei- bis dreitägige Module, die sich unter anderem mit folgenden Fragen beschäftigten:

  • Wie lernen Menschen?
  • Welche unterschiedlichen Lerntypen gibt es?
  • Woran erkennt man diese?

Hierauf aufbauend beschäftigen sich die Teilnehmer mit der Frage: Was bedeutet das für meine Art, Informationen zu präsentieren und Wissen zu vermitteln? Reflektiert wurde in den Modulen auch: Was ist meine Aufgabe und Funktion als Trainer beziehungsweise Wissensvermittler, und was folgt daraus für mein Auftreten und Verhalten?

Das heisst: Die Vertiefung des Fachwissens im Bereich Heiz-, Kälte- und Kli­matechnik spielte in den Ausbildungsmodulen keine Rolle – auch weil die Teilnehmer über dieses Wissen bereits verfügten. Vielmehr ging es darum, die Kompetenz der Teilnehmer als Trainer sowie Wissensvermittler und Lernbegleiter auszubauen und zu vertiefen, so dass die Viessmann Referenten zum Beispiel wissen:

  • Wie vermittle ich das nötige Fachwissen den Schulungsteilnehmern so, dass diese sich nach dem Training an möglichst viel erinnern und das Wissen in der Praxis anwenden können?
  • Wie sorge ich als Trainer dafür, dass die Teilnehmer im Training interessiert bleiben und bereits im Rahmen der Schulung ins Tun kommen?
  • Wie gehe ich auf jeden einzelnen Teilnehmer im Seminar ein und berücksichtige dessen Erwartungen?

Nachhaltig und effizient

Neben diesen vier Basismodulen umfasste die Ausbildung der hauptamtlichen Mastertrainer, die die Schulungsunterlagen für die Fachtrainer in den Viessmann Niederlassungen erstellen, ein weiteres viertägiges Modul. Dieses drehte sich primär um die Fragen: Wie sollten die Viessmann Schulungsmassnahmen sowie die Unterlagen konzipiert sein, damit die Schulungen effizient und nachhaltig sind? Dabei lautete ein zentrales Ziel: Alle Schulungskonzepte und -unterlagen sollen künftig so gestaltet sein, dass die Teilnehmer – unabhängig davon, ob sie Viessmann Mitarbeiter oder Marktpartner sind – noch aktiver in die Schulungen eingebunden werden. Ausserdem sollen die Inhalte noch schärfer auf die Herausforderungen, vor denen die Teilnehmer im Berufsalltag stehen, fokussiert sein, damit sie von einer höheren Handlungskompetenz und Sicherheit in der Praxis profitieren.

Um das Ziel einer höheren Handlungskompetenz sowie Verhaltenssicherheit auch bei den Viessmann Trainern zu erreichen, wurden in deren Ausbildung individuelle Coachings integriert. Das heisst, jeder Viessmann Fachreferent wurde im Verlauf der Ausbildung zweimal von einem Voss+Partner-Trainer bei einer Schulung begleitet. Anschliessend erhielt er ein Feedback darüber, was bereits gut war und was er künftig verbessern kann – verknüpft mit konkreten Lernempfehlungen.

Trainer werden zertifiziert

Die Ausbildung der Viessmann Akademie Mitarbeiter zu Mastertrainern endete im Dezember 2013, im Februar 2014 wurde ihnen feierlich das TÜV-Abschlusszerti­fikat überreicht. Die TÜV-Zertifizierung der Fachtrainer sowie die Zertifikatübergabe erfolgte im Herbst 2014. Doch damit ist ihre Ausbildung als Trainer und Wissensvermittler nur formal beendet. Denn alle drei Jahre findet fortan eine Rezertifizierung der Master- und Fachtrainer statt. Sie setzt eine kontinuierliche fachliche und methodische Weiterbildung voraus. Diese ist laut Gnau nötig, damit ihre Schulungskompetenz weiter steigt und die Frage, wie wir die Wissensvermittlung immer weiter verbessern können, dauerhaft auf der Agenda steht. Denn letztendlich, so Gnau, habe die Trainerausbildung «nur viele Türen und Fenster geöffnet». Das heisst, seinen Kollegen, die von Haus aus meist Techniker und Ingenieure sind, wurde noch einmal bewusst, dass beim Schulen von Menschen entscheidend ist, was diese aus den Schulungen mitnehmen.

Reiner Gnau beobachtet nach der Qualifizierungsmassnahme bei den Teilnehmern der Fach- und Mastertrainer-Ausbildung einen Bewusstseinswandel: «Uns allen wurde nochmals klar, dass wir keine Wissensverwalter, sondern Wissensvermittler sind und dass es unsere Kernaufgabe ist, Menschen das Lernen zu ermöglichen und sie in diesem Prozess zu begleiten.» Gnau sieht in der Trainerausbildung und der mit ihr verknüpften Personenzertifizierung, die der Systemzertifizierung der Akademie folgt, einen zentralen Baustein, um auch im Schulungsbereich die Qualität und Kundenzufriedenheit kontinuierlich zu erhöhen.

Übertragbares Konzept

Ähnlich sieht dies Vera Petersen, die bei Voss+Partner das Projekt betreute. Aus ihrer Warte hat sich Viessmann durch die systematische Ausbildung und die Per­sonenzertifizierung seiner Trainer branchenweit ein Alleinstellungsmerkmal aufgebaut; ausserdem schuf das Unternehmen «Standards, die nicht nur national, sondern auch international gelten können».

Das sehen offensichtlich auch viele Marktpartner von Viessmann so, weshalb das Unternehmen unter anderem von Standorten aus Frankreich, Polen und den USA Anfragen erhielt, dort ähnliche Weiterbildungen durchzuführen. Diese werden derzeit von der Viessmann Akademie geplant – keine leichte Aufgabe, weil dort andere Lernkulturen und -gewohnheiten existieren. Deshalb können zwar die Kerninhalte und -botschaften beibehalten werden. Es stellt sich aber auch hier die Frage: Wie vermitteln wir diese, damit die Schulungen effizient und nachhaltig sind? Die Antwort darauf zu finden, ist die kommende Herausforderung der Viessmann Akademie und ihrer ausgebildeten Master- und Fachtrainer.

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