Mensch & Arbeit

Burnout

Wenn Leistungsstress das Selbstvertrauen untergräbt

Burnout verursacht Schätzungen zufolge jährliche Kosten in Höhe von mehr als vier Milliarden Franken für die schweizerische Volkswirtschaft. Umso erstaunlicher, dass es bislang für Burnout kein umfassendes Therapiekonzept gab. Ein solches ist unverzichtbar für eine nachhaltige Behandlung.
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Stressbedingte Erkrankungen mit ausgeprägter physischer und psychischer Erschöpfung sind typische Begleiterscheinungen industrialisierter, auf Effizienz ausgerichteter Dienstleistungsgesellschaften. Immer mehr Menschen gelingt es nicht mehr, eine Brücke zu schlagen zwischen den wachsenden Anforderungen einerseits und den persönlichen Ressourcen andererseits. Sie fühlen sich überfordert und haben zunehmend Mühe bei der Bewältigung des Arbeitsalltags.

Wie gravierend die Situation ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen: Gemäss einer Schätzung des Schweizerischen Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) beläuft sich der durch Stress verursachte volkswirtschaftliche Schaden für ärztliche Behandlung, Medikamente und Produktionsausfall auf rund 4,2 Milliarden Franken im Jahr (Erhebungen aus den Jahren 2010 und 2000.). Zählt man die Kosten für stressbedingte Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten dazu, ergibt sich sogar eine Summe von fast acht Milliarden Franken. Dabei sind die sozialen Folgekosten noch nicht einmal berücksichtigt. Für die kommenden Jahre ist aufgrund der stetigen Effizienzsteigerung von Arbeitsprozessen mit einem weiteren Anstieg der Kosten zu rechnen. Es erstaunt deshalb, dass es bis vor Kurzem kein umfassendes Konzept zur Behandlung von Burnout-Patienten gab. Die bislang publizierten Therapieansätze fokussierten stets nur auf einzelne Aspekte. Dabei ist Burnout als therapiebedürftige Erkrankung keineswegs neu.

Bereits in den 1970er-Jahren erschienen erste wissenschaftliche Studien zum Thema. Ursprünglich vor allem in Zusammenhang mit Pflegeberufen erwähnt, wurde der Begriff Burnout in den 1980er- und 1990er-Jahren auf zahlreiche weitere Personengruppen wie etwa Lehrer, Politiker, Ärzte und Manager ausgedehnt.

Mögliche Ursachen eines Burnouts sind oft individuelle Eigenschaften wie Perfektionismus oder ein geringes Selbstwertgefühl. Aber auch äussere Einflüsse wie mangelnde Zielvorgaben oder zu hohe Erfolgskriterien seitens des Arbeitgebers können massgeblich zur Entstehung beitragen. Nach einem Modell des Schweizer Medizinsoziologen Johannes Siegrist wird Burnout häufig als ein Ungleichgewicht zwischen externen Anforderungen und individuellen Ressourcen beschrieben. Der Verlauf kann typischerweise in vier Phasen unterteilt werden: Die betroffene Person zeichnet sich zunächst durch starkes Leistungsstreben und hohe Erwartungen an sich selbst aus. Aufgrund von Überanstrengung und mangelnder Erholung stellen sich Zweifel an der eigenen Lebenseinstellung ein. Lassen sich diese nicht beseitigen, breitet sich immer mehr ein Gefühl der Unsicherheit und Wertlosigkeit aus. Schliesslich kapituliert man vor den Überforderungen – Resignation und andauernde Erschöpfung sind die Folge. Der Verlauf ist von einer Vielzahl möglicher Symptome begleitet, die sich in fünf Gruppen gliedern lassen:

1. Motivationale Symptome

Hierzu gehören Motivationsverlust, Antriebsblockade und verringerte Eigeninitiative bis hin zur Resignation.

2. Leistungsbezogene Symptome

Dazu zählen Konzentrations- und Erinnerungsstörungen, eine reduzierte Entscheidungsfähigkeit, Selbstzweifel und der Verlust von Produktivität, Kreativität und Flexibilität.

3. Emotionale Symptome

Diese reichen von Niedergeschlagenheit und Stimmungsschwankungen bis hin zu Ängstlichkeit, Nervosität und gesteigerter Aggressivität.

4. Verhaltenssymptome

Hyperaktivität oder auch Trägheit, der Konsum von suchtfördernden Substanzen, sozialer Rückzug und die zunehmende Vernachlässigung von Freizeitaktivitäten sind typische Verhaltensmerkmale.

5. Körperliche Symptome

Das Spektrum reicht von Müdigkeit und Schlafstörungen über Kopf- und Rückenschmerzen bis hin zu Magen-Darm-Beschwerden, Herz-Kreislauferkrankungen und Fettstoffwechselstörungen.

Symptome entwickeln zudem oft eine Eigendynamik, die zu einem weiteren Verlust an Leistungsfähigkeit führt. So können Schlafstörungen erheblich zur Verschlimmerung eines Burnouts beitragen: Der Erholungswert des Schlafs nimmt ab, als Folge davon stellen sich Tagesschläfrigkeit sowie Konzentrations- und Gedächtnisprobleme ein. Zudem fällt es Betroffenen immer schwerer, sich in der Freizeit zu erholen. Am Ende dieses Prozesses steht nicht selten eine ausgeprägte Depression verbunden mit Hoffnungslosigkeit, existenziellen Ängsten und Suizidgedanken.

Die vielfältigen Beeinträchtigungen verdeutlichen die Komplexität von stressbedingten Erkrankungen. Es erstaunt daher, dass bisherige Präventions- und Therapieansätze vor allem das reale Ungleichgewicht zwischen Ressourcen und Anforderungen im Blick haben. Dabei kann der Auslöser nicht nur in einer tatsächlichen, sondern auch in einer gefühlten Überforderung liegen. Burnout ist also nicht zwangsläufig die Folge von zu hohen Anforderungen – es reicht auch, wenn die betroffene Person den subjektiven Eindruck hat, den Leistungserwartungen nicht zu genügen. Zudem führt Burnout im fortgeschrittenen Stadium fast immer zu einer Identitätskrise. Die betroffene Person definiert sich zunehmend durch ihre erlebte Unzulänglichkeit und verliert das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Diesen komplexen Phänomenen wird ein neues Therapiekonzept gerecht, das ein Expertenteam des Sanatoriums Kilchberg auf Basis von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Stressforschung entwickelt hat. Anders als herkömmliche Ansätze unterscheidet SymBalance bei einem Burnout drei grundlegende Dimensionen: objektiv, subjektiv und existenziell.

Bei der objektiven Dimension steht die Verringerung des Ungleichgewichts zwischen vorhandenen Ressourcen und tatsächlichen Anforderungen im Vordergrund. Bei der subjektiven Dimension geht es darum, die persönliche Wahrnehmung des Ungleichgewichts zu korrigieren, damit die betroffene Person eine realistische Einschätzung der Ressourcen und Anforderungen erreicht.

Die Behandlung auf der existenziellen Ebene zielt auf die Wiedererlangung des Selbstvertrauens und eine Reintegration nicht-leistungsbezogener Lebensbereiche in die persönliche Identität.

Individuelle Behandlung

Ziel der Behandlung im Rahmen von SymBalance ist es, das Gleichgewicht auf allen drei Dimensionen wiederzugewinnen. Die persönliche Situation des Patienten wird in psychologisch-therapeutischen Einzelgesprächen thematisiert, in Kleingruppen werden Trainingsprogramme zu den Bereichen Stressbewältigung, Kommunikation und emotionale Kompetenz durchgeführt. Neben Psychotherapie beinhaltet die Behandlung eine intensive medizinische Betreuung sowie Sport- und Freizeitaktivitäten, Wellness, Entspannungs- und Meditationskurse, Physio- und Musiktherapie sowie Kunst- und Kulturangebote. Aus all diesen Komponenten wird zu Beginn der Therapie ein massgeschneidertes Programm zusammengestellt. Denn nur wenn die Behandlung optimal auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten abgestimmt ist, lässt sich Burnout effizient und nachhaltig therapieren. «

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