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Gesundheit

Wenn ein dicker Bauch zum Problem wird

Morgens keine Zeit fürs Frühstück, mittags Restaurantbesuch mit einem Mitarbeitenden, nachmittags einen fetten Snack, abends Dinner mit Geschäftspartnern. Kombiniert mit Stress, zu wenig Bewegung und zu wenig Schlaf hat diese Ernährungsweise schon bald nicht nur ästhetische Folgen, sondern möglicherweise auch gesundheitliche Konsequenzen.
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Der 6. Schweizerische Ernährungsbericht zeigt, dass die Bevölkerung die wichtigsten Empfehlungen zur Ernährung kennt. Sie ist sich aber zu wenig bewusst, wie wichtig eine ausgewogene Ernährung für die Gesundheit wirklich ist und setzt diese Empfehlungen denn auch ungenügend um. Zudem hat die Verpflegung ausser Haus gerade für Geschäftsleute in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen; ebenso der Verzehr von Fertiggerichten und Convenience-Produkten. Diese Speisen enthalten oft hohe Mengen an Fett, Salz und Zucker, was Übergewicht begünstigt.

Die Zahl der Übergewichtigen und Adipösen ist in der Schweiz konstant hoch. Die letztmals im Jahr 2007 durchgeführte Schweizerische Gesundheitsbefragung ergab, dass 38 Prozent der Männer in der Schweiz übergewichtig waren, neun Prozent waren adipös. Bei den Frauen brachten 21 Prozent zu viel Gewicht auf die Waage und acht Prozent waren fettleibig. Die Folge von Übergewicht: immer mehr Menschen leiden am metabolischen Syndrom. Der Endokrinologe und Diabetologe Prof. Dr. med. Ulrich Keller aus Basel, der als Präsident der Redaktionskommission am neuen Schweizerischen Ernährungsbericht mitgearbeitet hat, sieht den Hauptgrund für diese Entwicklung in unserem Lebensstil und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen: «Nahrung ist heute überall sehr leicht erhäältlich. Vielen Menschen fehlt die Zeit, eine gesunde Mahlzeit zuzubereiten. Stattdessen konsumieren sie kalorienreiche Snacks. Oft werden auch negative Emotionen wie Stress durch Essen abreagiert. Ausserdem fördert unsere Umgebung Bewegung nicht. Manchmal ist es wirklich nicht so einfach, sich nach einem anstrengenden Arbeitstag aufzuraffen und Sport zu treiben. Körperliche Bequemlichkeit ist jedoch der Feind des Normalgewichts.» Interessant ist die Tatsache, dass die Menschen in der Schweiz zwar gleich viel Energie zu sich nehmen wie vor 30 Jahren, sie bewegen sich aber immer weniger.

Metabolisches Syndrom

Unter dem metabolischen Syndrom versteht man das gemeinsame Vorkommen von Stoffwechselabnormitäten. Diese werden durch bauchbetontes Übergewicht begünstigt. Es sind dies erhöhte Blutfettwerte, Diabetes und Bluthochdruck. Bei manchen Betroffenen treten neben Übergewicht aber nur zwei dieser Faktoren auf.

Heute geht man davon aus, dass mindestens 15 Prozent der Erwachsenen in der Schweiz von diesem potenziell gefährlichen Gesundheitsproblem betroffen sind. In jüngeren Jahren erkranken vor allem Männer vom metabolischen Syndrom betroffen, nach der Menopause steigt die Rate aber auch bei den Frauen an. In der Regel nimmt das Problem bis etwa zum 70. Altersjahr zu. «Heute wissen wir aber auch, dass die Veranlagung eine gewisse Rolle spielt. Nicht alle Menschen, die sich schlecht ernähren und wenig bewegen, haben ein metabolisches Syndrom», ergänzt Prof. Keller. Oft lässt sich aufgrund der Veranlagung abschätzen, ob bei jemandem eher Diabetes, hoher Blutdruck oder abnorme Blutfettwerte auftreten werden.

Ein entscheidender Faktor bei der Entstehung des metabolischen Syndroms ist das Fett im Bauchraum. Im Bauch ist der Umsatz an Fett intensiver als an anderen Körperstellen. Dieses Fett gelangt sehr schnell in die Leber, wo es seine Wirkung entfalten und die Blutfettwerte in die Höhe treiben kann. Indirekt führt Bauchfett auch dazu, dass das körpereigene Insulin weniger wirkt. Um den Blutzuckerspiegel tief zu halten, muss unser Körper immer mehr Insulin produzieren. In der Folge steigt der Insulinspiegel. Wenn die Bauchspeicheldrüse mit der Produktion nicht mehr nachkommt, entsteht Diabetes Typ 2. Eine wichtige Rolle beim metabolischen Syndrom spielen auch Botenstoffe, die im Fettgewebe produziert und freigesetzt werden. Diese regulieren unseren Appetit bzw. unser Sättigungsgefühl, und sie lösen eine Entzündungsreaktion im Körper aus. Bei stammbetontem Übergewicht zirkulieren zu viel dieser Botenstoffe im Körper.

Betroffene haben ein erhöhtes Risiko, dass die Gefässe verkalken und es zum Herzinfarkt, Schlaganfall oder zu Durchblutungsstörungen der Nieren und Beine kommt. Es ist erwiesen, dass die Kombination von Bluthochdruck und ungünstigen Blutfettwerten dazu führt, dass sich Cholesterinpartikel vermehrt in den Gefässwänden ablagern können, im Fachjargon Arteriosklerose genannt. Nikotinkonsum erzeugt übrigens die gleiche Wirkung, indem es die Arteriosklerose begünstigt. Auch Diabetes kann Arteriosklerose auslösen; zudem kann er zu Problemen der Augen, Nieren und auch Nerven führen.

Prof. Ulrich Keller empfiehlt eine ausgewogene Ernährung und regelmässige Bewegung, um dem metabolischen Syndrom vorzubeugen. Besonders empfehlenswert ist die mediterrane Ernährung, mit viel Gemüse, Früchten und Obst. Weniger grosszügig sollte man bei fettreichen Milchprodukten und Fleischsorten und insbesondere bei verarbeitetem rotem Fleisch (Würste, Aufschnitt etc.) zugreifen.

Zurückhaltung ist bei Zucker, Alkohol und Fett angesagt. Bekannt ist auch, dass sich Salz ungünstig auf den Blutdruck auswirkt. Pflanzliche Öle wie Raps- oder Olivenöl sind besser als tierische Fette – diese enthalten relativ viel gesättigte Fettsäuren. Bei Menschen mit deutlich erhöhten Blutfettwerten reicht eine Ernährungsumstellung alleine meist nicht aus, hier kommen Medikamente zum Einsatz, insbesondere wenn der Betroffene schon einmal einen Herzinfarkt erlitten hat.

Regelmässige Bewegung wirkt wie ein Wundermedikament und tut dem Herz gut. Prof. Keller dazu: «Durch Ausdauersport wird der Körper insulinempfindlicher. Alle Merkmale des metabolischen Syndroms verbessern sich bei regelmässigem Sport.» Es hat sich gezeigt, dass Menschen, die an hohem Blutdruck leiden und Ausdauersport treiben, ihren Blutdruckwert bis um 10 mm Hg senken können. Ideal wäre es, wenn man sich an mindestens fünf Tagen pro Woche während mindestens einer halben Stunde bewegt. Die Bewegung sollte eine gewisse Intensität haben, so dass der Puls ansteigt und man ins Schwitzen gerät. Ideale Sportarten sind Nordic Walking, Joggen, Velofahren oder Schwimmen.

Tatsache ist aber, dass sich Übergewicht schneller mit der Reduktion der Kalorienzufuhr abbauen lässt als mit Sport. Um die Energie, die eine Tafel Schokolade liefert, zu verbrennen, müssen wir etwa eine Stunde joggen. Da wäre es einfacher, der süssen Versuchung zu widerstehen.

Auch der Schlaf hat einen grossen Einfluss auf unser Körpergewicht. Schlaf – idealerweise sieben bis acht Stunden pro Nacht – braucht ein Erwachsener, um sich zu entspannen und der Körper sich regenerieren kann. Viele Berufstätige in Kaderpositionen kommen heute aber auf weniger als fünf bis sechs Stunden Schlaf, weil sie abends Überstunden machen oder morgens früh raus müssen. Ein Schlafdefizit über längere Zeit erhöht das Risiko, übergewichtig zu werden. Der Grund: Wer schlecht oder zu wenig schläft, hat am nächsten Tag mehr Hunger, fühlt sich gleichzeitig körperlich erschöpft und hat wenig Lust auf Bewegung. Resultat: Die Energiebilanz gerät immer mehr aus dem Lot. Übergewicht wiederum hat einen Einfluss auf die Schlafqualität. Forscher der John Hopkins University in Baltimore haben herausgefunden, dass Übergewichtige, die vor allem am Bauch Fett ansetzen, schlechter schlafen als Normalgewichtige. Fazit: Wer abnehmen will, muss genug schlafen, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen.

Sonnenlicht beeinflusst unseren Appetit. Wer sich gerade im Winter kaum tagsüber im Freien bewegt, verspürt mehr Lust auf Süssigkeiten und nimmt zu. Durch Bewegung im Freien, zum Beispiel einen Spaziergang (im Winter am besten über Mittag, im Sommer morgens oder am späten Nachmittag), wird diese Lust auf Süsses gedämpft. Ausserdem trägt Sonnenlicht dazu bei, dass der Körper ausreichend Vitamin D bildet. Dieses Vitamin braucht der Körper, um Knochen und Zähne mit ausreichend Kalzium zu versorgen. Wenn nun aber die Fettzellen im Körper gut gefüllt sind, wird die Vitamin-D-Versorgung schlechter. Umgekehrt hilft eine gute Vitamin-D-Versorgung beim Halten des Gewichts oder erleichtert das Abnehmen. «

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