Mensch & Arbeit

Kreativmethoden

Was Führungskräfte von Künstlern lernen können

Führungskräfte und ihre Unternehmen können von Musikern und anderen Künstlern lernen. Worauf es dabei ankommt und welche Kreativmethoden gerade «en vogue» sind, zeigt dieser Beitrag.
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Früher reichte es, gute Produkte zu verkaufen und effizient zu produzieren, um erfolgreich zu sein. Heute jagt eine Innovation die nächste. Newcomer scheren sich nicht um herkömmliche Branchengrenzen oder Traditionen und entwickeln sich mit rasanter Geschwindigkeit zu Marktführern. Diese Situation stellt neue Anforderungen an die Entscheider in Unternehmen. Sie müssen heute in der Lage sein, mit unübersichtlichen Situationen umzugehen, für überraschende Problemstel­lungen schnell Lösungen zu finden und Widersprüche zu überbrücken. Die Managementmethoden reichen für die komplexen Anforderungen der Gegenwart nicht mehr aus, das Methodenspektrum muss sich erweitern.

Erfolg zu haben bedeutet zu Beginn des 21. Jahrhunderts: kreativ, innovativ und anders zu sein. Künstler können kreatives Denken in Unternehmen auf vielfältige Weise in Gang setzen. Es gibt eine Vielzahl von Fällen, wo Kunst in all ihren Formen – von der Musik über das Theater bis zur Malerei – Kreativität und Innovationen in der Wirtschaft befördert hat. Es war der Chorsänger Art Fry, der sich in den 1970er-Jahren darüber ärgerte, dass ihm die Buchmarker während des Singens herausfielen. Er erinnerte sich an das gescheiterte Projekt mit dem schwach haftenden Kleber. So kam ihm die Idee mit den kleinen, gelben Zetteln. Diese Geschichte wird heute noch im amerikanischen Konzern 3M erzählt, dem Unternehmen, das mit den Postits Milliarden US-Dollar verdient hat.

Kunst kennt wenig Routinen

Angesichts der Bedeutung von Innovationen stellt sich die Frage: Wie schaffen wir es, kreative Prozesse zu gestalten und Ideen zu echten Innovationen am Markt werden zu lassen? Üblicherweise versucht das herkömmliche Management Innovationen durch eine strukturierte Vorgehensweise zu erreichen, das kreative Denken wird geplant. Demgegenüber steht die Art und Weise, wie Künstler vorgehen: intuitiv und experimentierend. Pablo Picasso etwa übermalte Bilder mehrmals, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war. Oder: Wer ein Buch schreibt, schreibt oft mehrere Versionen, bis die Endfassung steht. Oder: Wer ein Jazzstück spielt, spielt das Stück mehrmals, aber immer wieder anders. Kunst kennt wenig Routinen.

Das Potenzial, das in den Kopplungen zwischen Kunst und Wirtschaft schlummert, können die Unternehmen besser nutzen. Künstlerische Kreativität funktioniert allerdings vielfach völlig anders, als mancher erwartet. Echte Kreativität ist harte Arbeit und ohne Rückschläge nicht zu haben. Das kennt jeder erfahrene Projektmanager. Jedes Vorhaben gerät auch in der Wirtschaft ins Stocken und nimmt Wendungen, mit denen niemand gerechnet hat. Es heisst dann: Improvisieren, nach anderen, ungewöhnlichen Lösungen zu suchen. Projektbeteiligte können von Künstlern den Umgang mit Improvisation und Krisen lernen.

Dafür braucht es auch die Bereitschaft von Führungskräften, sich in ihrer Persönlichkeit weiterzubilden. Das lohnt sich. Wer zum Beispiel mit dem Pianisten Jens Thomas einmal ein Tagesseminar gemacht hat, wird als Manager nie mehr in seinem Leben langweilig präsentieren. Wer mit einem Kunstmanager-Team einmal sein neuestes Projekt besprochen hat, wird anschliessend in dem Projekt anders arbeiten. Der Spass und der Fortschritt entstehen durch das Aufeinandertreffen und die Konfrontation von Kunst und Management. Wer in einem Managementtraining Spezialisten kennenlernt, die Kunst erfolgreich zu vermarkten, ist nicht nur beeindruckt, sondern verändert seine Wahrnehmung. Allerdings: Diese Konfrontation ist nur etwas für Führungskräfte, die sich tatsächlich verändern wollen.

Die Relevanz kreativen Denkens

Wer seit Längerem als Führungskraft tätig ist, wird vielleicht einwenden, dass es schon immer Kreativitätsseminare gab, in denen die entsprechenden Techniken vermittelt wurden. Viele Kreativitätstechniken stammen aus den 1950er-Jahren. Im International Center for Studies in Creativity an der Buffalo State University New York wurden bahnbrechende Kreativitätsmethoden zur Produktion neuer Ideen entwickelt. Beispielsweise kommt da auch das Brainstorming her. Doch wer heute in einem Wirtschaftsunternehmen seinem Team sagt: Jetzt machen wir ein Brainstorming, schaut häufig in leere, wenig be­geisterte Gesichter der Anwesenden, zu schlecht sind häufig die Erfahrungen mit dieser und anderen herkömmlichen Kreativitätsmethoden.

Wer den entwickeln will, sollte mehr bieten als verstaubte Kreativitätstechniken. Kunst und Künstler können Führungskräfte und Mitarbeiter in Unternehmen auf Ideen bringen, die Menschen begeistern können. Eine bereits bewährte Methode sind Pecha-Kucha-Präsentationen. Kuratoren in der Kunst und Poetry Slams haben sie entwickelt. Pecha-Kucha-Präsentationen ermöglichen echtes kreatives Denken. Der Begriff «Pecha-Kucha» stammt aus dem Japanischen und bedeutet so viel wie «wirres Geplauder, Stimmengewirr». Der wichtigste Aspekt dieser Art der Präsentation ist: die Selbstbeschränkung.

Die Relevanz echten kreativen Denkens liegt angesichts der Bedrohung etablierter Unternehmen durch wendige, innovative Wachstumsunternehmen auf der Hand. Wer die Chancen ergreift, die im Zusammenwirken von Kunst und Wirtschaft liegen, steigert die Wettbewerbsfähigkeit und die Wahrscheinlichkeit, auch künftig gute Geschäfte zu machen. Die Möglichkeiten zum kreativen Denken sollten bei der Qualifikation von Führungskräften und Mitarbeitern, in Forschung und Entwicklung, im Arbeitsumfeld sowie bei Events und Meetings genutzt werden.

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