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Warum fokussieren erfolgreicher ist als «multitasken»

Beim Multitasking leiden in der Regel Qualität und Schnelligkeit. Die Konzentration auf das Richtige zu finden, ist keine Management-«Kunst», sondern folgt – wie mittlerweile bekannt ist – klaren Gesetzen.
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Fokussierung bedeutet allerdings nicht nur, die höchsten Prioritäten zu bestimmen, sondern auch Klarheit und Einigkeit darüber zu erzeugen, was alles nicht mehr getan werden soll. Wir alle wissen, wie schnell wir multitasken, und meinen dadurch unsere Aufgaben noch schneller, noch effizienter bewältigen zu können. Doch schon der englische Arzt, Biograph und Sozialreformer Samuel Smiles (1812 bis 1904) wusste, dass der kürzeste Weg, um Vieles zu erledigen, immer nur eine Sache zu machen ist. Für Unternehmen stellt sich deshalb die Frage, wie es gelingen kann, den Fokus durch die Anwendung von einfachen Regeln immer wieder von Neuem herzustellen und konsequent aufrechtzuerhalten.

Das Phänomen Multitasking

Der Begriff Multitasking hat aber nach wie vor einen positiven Klang. So wird beispielsweise ein multitaskingfähiger Prozessor als besonders schnell und leistungsstark wahrgenommen. Es erscheint also als Geschäftsperson oder auch als Privatmensch erstrebenswert, mehrere Dinge gleichzeitig erledigen zu können – schliesslich gilt man dann ähnlich dem Prozessor als besonders schnell und leistungsfähig. Doch stimmt das wirklich? Selbst die scherzhafte Aussage, nach welcher nur die Frauen multitaskingfähig seien, malt ein positives Bild des Multitaskings. Warum eigentlich? Im Arbeits- und Projektalltag ist Multitasking nämlich keineswegs erstrebenswert oder positiv. Wir sprechen von schädlichem Multitasking, weil das Hin- und Herwechseln zwischen verschiedenen Aufgaben oft mehr Fehler generiert, die im Nachhinein wieder korrigiert werden müssen. Weil mehr Arbeitszeit für jede der betroffenen Aufgaben vonnöten ist. Und weil Mitarbeiter aufgrund der Mehrfachbelastung durchaus auch leiden, ihre Leistungsfähigkeit verlieren und im schlimmsten Fall sogar komplett ausfallen.

Wo Multitasking gängige Praxis ist, dauern Projekte länger und kosten mehr, als sie eigentlich müssten. Sowohl für die Effizienz des Ressourceneinsatzes als auch für die Geschwindigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens ist das Multitasking vielmehr der Feind in den eigenen Reihen.

Das «Richtige» finden

Ist es wirklich eine Kunst, das Richtige zu finden, um die Konzentration auf ebendiese richtigen sowie wichtigen Dinge zu leiten? Beruhigenderweise ist es das nicht. Das Richtige zu finden, ist keine geheime Kunst. Sie folgt sogar ganz klaren Gesetzmässigkeiten, welche sich aus der Beantwortung der folgenden drei Fragen ergeben:

  • Wie kann der Normalbetrieb des Unternehmens unabhängig vom Eingreifen des Inhabers, des Managers oder des Geschäftsführers lukrativ laufen?
  • Wie kann das Management ein Steuerungssystem aufbauen, welches eine Orientierung an den gemeinsamen Zielen zur Grundlage hat sowie die Zielkonflikte eliminiert?
  • Wie kann die Konzentration auf genau jene Aktivitäten gelenkt werden, welche das Unternehmen nachhaltig florieren lassen?

Die Fokus-Schritte

Es ist ein verbreiteter Trugschluss, dass Führungskräfte überall vor Ort sein müssen, alle Entscheidungen ihnen obliegen sollen und sie sämtliche Projekt-Baustellen gleichzeitig bedienen müssen. Wer sich allem annimmt, fokussiert nichts. Gute Führungskräfte zeichnet aus, das To-do – also was getan werden muss – genau zu erkennen. Dabei greift das sogenannte Paretoprinzip, das nach dem italienischen Ingenieur sowie Ökonom Vilfredo Pareto benannt worden ist. Die nach ihm benannte 80-zu-20-Regel besagt, dass 80 Prozent des Ergebnisses in 20 Prozent der Gesamtzeit eines Projekts erreicht werden. Die verbleibenden 20 Prozent der Ergebnisse beanspruchen im Umkehrschluss 80 Prozent der Gesamtzeit und damit die meiste Arbeit.

Diese 80-zu-20-Regel gilt, solange zwischen den Systemelementen keine Abhängigkeiten bestehen. Sobald hingegen starke Abhängigkeiten existieren, kann sich das Verhältnis auf bis zu 0,01-zu-99,99 Prozent verschieben. Fünf-Fokus-Schritte führen zur kontinuierlichen Verbesserung:

  1. Identify: Identifiziere den Engpass.
  2. Exploit: Entscheide, wie der Engpass am besten genutzt werden soll.
  3. Subordinate: Ordne alles andere der Entscheidung (2) unter.
  4. Elevate: Erweitere den Engpass.
  5. Beginne bei Schritt 1 so wie sich der Engpass verschoben hat.

To-do und Not-to-do

Um nachhaltig florieren zu können, müssen die grundlegenden Ziele eines Unternehmens klar im Fokus stehen, damit der Nutzen, den das Unternehmen für seine Stakeholders stiftet, auch stetig zunehmen kann. Um dies zu bewerkstelligen, muss das Unternehmen aber zunehmend mehr Geld verdienen. Grosse Verbesserungsinitiativen setzen daher darauf, den Durchsatz zu erhöhen (Umsatz abzüglich Total variable Kosten) – und zwar ohne dabei Preise zu senken oder die Betriebskosten zu erhöhen.

Es gibt nur sehr wenige Faktoren, die jeweils zu einem bestimmten Zeitpunkt die Leistung eines Unternehmens beeinflussen. Ein Engpass oder ein Stau an einer Stelle hat daher nachhaltige Auswirkungen auf das komplette Projekt und damit auf das komplette Unternehmen – und so natürlich auch auf den Durchsatz. Denn eine am Engpass verlorene Stunde ist für das ganze System verloren. Die an einem Nicht-Engpass gesparte Stunde dagegen ist reine Fiktion.

Das Wichtigste zuerst

Umso bedeutender ist es, den Fokus auf die wichtigsten Angelegenheiten zu lenken, diese als «To-do» zu markieren und im Umkehrschluss alle «Not-to-dos» hinten anzustellen oder ganz zu streichen. Die lokale Optimierung eines Nicht-Engpasses bewirkt nämlich mitnichten automatisch eine globale Optimierung des Systems, sondern eher das Gegenteil. Fokussieren wir hingegen unsere Anstrengungen auf den Engpass, profitieren wir von sinkenden Durchlaufzeiten, hoher Zuverlässigkeit und Kapazitätsgewinnen – also entscheidenden Wettbewerbsvorteilen. Die gewonnene Kapazität kann überdies verkauft werden, was ebenfalls der Durchsatzerhöhung (und damit der Gewinnmaximierung) dient.

Bessere Ergebnisse durch Fokus

Ähnlich dem Engpass in einem Produktionssystem wirkt aber auch ein Engpass im Management. Und zwar durch die Missachtung der folgenden drei Fokus-Grundsätze:

  • Alle laufenden Initiativen stoppen, die nicht innerhalb der nächsten Wochen beendet sein werden.
  • Die freiwerdende Management-Kapazität zur Anwendung der Fünf-Fokus-Schritte (siehe oben: Engpass identifizieren und optimal ausnutzen, alles andere unterordnen, Engpass erweitern, von vorne beginnen) nutzen und neue Initiativen definieren.
  • Eine neue Initiative erst dann starten, wenn eine andere abgeschlossen ist (Workload steuern).

Setzt das Management so den richtigen Fokus und konzentriert sich auf die richtigen Massnahmen, stellen sich kontinuierliche, spür- sowie messbare Verbesserungen ein. Ebenso steigen Wohlbefinden und Motivation der Mitarbeitenden und damit automatisch deren Leistungswille sowie deren Leistungsbereitschaft. In der Konsequenz können angepeilte Ergebnisse schneller erreicht werden. Daneben ist das Ergebnis von höherer Qualität, weil durch fokussierte Initiativen profitiert werden kann. Und gleichzeitig steigt die Projekt-Fertigstellungsrate an. Erhöhungen im hohen zweistelligen Prozentbereich oder sogar Vervielfachungen können auf diese Weise realistisch erzielt werden.

Das Fazit

Die konsequente Konzentration auf den Fokus, das strikte Einhalten von To-do und Not-to-do erzeugen positive Wirkungen. Unternehmen können – mit Fokussierung statt Multitasking – viel mehr mit den gleichen Ressourcen leisten und dabei sehr viel schneller sein. Um den Fokus scharf zu halten, sind Aktivitäten, die nur eine kleine, gar keine oder vielleicht sogar schädliche Wirkung erzeugen, zu unterbinden. Der Fokus darf sich niemals nur auf einen Teilbereich richten, sondern muss das gesamte Unternehmen unter der Prämisse der Durchsatzsteigerung betrachten.

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