Mensch & Arbeit

Persönlichkeitsentwicklung

Warum es so schwerfällt, Neues zu wagen

Viele Menschen sind, aus unterschiedlichen Gründen, mit ihrer beruflichen Situation un­zufrieden. Zwar bemühen sie sich, eine Veränderung herbeizuführen, doch kommen sie irgendwie nicht vom Fleck und verharren in der ungeliebten Position. Der Beitrag zeigt, welches die Ursachen hierfür sind und welche Wege aus diesem Dilemma führen.
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Vielleicht gehören Sie auch zu der wachsenden Gruppe von Menschen, die mit ihrer beruflichen Situation unzufrieden ist und den inneren Drang verspürt, kostbare Lebenszeit nicht mehr mit einem Beruf zu vergeuden, der sie nicht erfüllt. Sie suchen schon lange nach Ihrem Traumjob? Aber irgendwie stecken Sie fest. Sie haben Bücher gewälzt, Persönlichkeitstests und Stärkenanalysen durchgeackert – und haben sich vielleicht in den Standardtexten wiedererkannt. 

Die Hindernisse

Oder Sie haben Geld und Zeit für ein Coaching investiert, um mit externer Hilfe herauszufinden, worin Ihre Berufung besteht. Es kann sogar sein, dass Sie durch all das mehr Klarheit erhalten haben, was Ihre Talente sind und was Sie gerne tun würden. Und trotzdem machen Sie immer noch den gleichen Job, tagein, tagaus, vielleicht sogar in derselben Firma? Warum will es uns einfach nicht gelingen, etwas zu verändern und endlich unser Ding zu machen? Und das, obwohl der ­innere Drang zur Veränderung täglich grösser und schmerzhafter wird?

Mangelnde Klarheit

Schon die eigene Berufung zu finden, ist schwer. Nur bei Wenigen ist der innere Ruf klar und deutlich zu vernehmen. Meist gesellen sich viele andere Stimmen zum inneren Chor, sodass unsere eigentliche Passion nicht mehr an unser Ohr durchdringt. Wie kommt das? Unsere Kultur ist seit der Industrialisierung nur wenig darauf eingestellt, Individualität zu fördern oder das Potenzial des Einzelnen zu heben. 

Die Generation unserer Eltern und Grosseltern hat noch die zu ihrer Zeit gültigen Regeln und Gesetze zum Thema Arbeit internalisiert und gibt sie so an uns weiter. Ein sicherer Arbeitsplatz und ein regelmässiges Gehalt stehen in vielen Köpfen immer noch weit vor Selbst­verwirklichung und sinnerfülltem Tun. Unser Schulsystem presst uns in ein ­Leistungsprogramm, in dem jeder alles gleich gut können muss, um nicht durch das Raster zu fallen. Spezielle Einzel­talente ausserhalb des «Lehrplans» verkümmern meist, weil sie für nicht Erfolg versprechend im herkömmlichen Sinne eingestuft werden. 

Nach diesem bis zu 13 Jahre währenden «Gleichmachungsprozess», bei dem uns viele unserer Talente und insbesondere unser Selbstvertrauen zum Grossteil abtrainiert wurden, soll der junge Mensch sich dann für einen Beruf entscheiden. Auch hierbei bekommt er nur wenig ernst zu nehmende Hilfe. «Mach doch eine Banklehre. Da hast du wenigstens was Vernünftiges.» Solche oder ähnliche Ratschläge aus dem Umfeld machen das ­Dilemma deutlich: es wird eher nach Erfolg versprechenden Karrieren im Aussen gesucht, anstatt den Berufssuchenden dabei zu unterstützen, herauszufinden, wofür er brennt. 

Und so beginnt die langjährige Odyssee durch die Arbeitswelt, im scheinbar sicheren Hafen der Mittelmässigkeit, die im schlimmsten Falle damit endet, dass wir sehnsüchtig auf die Rente warten. Doch mittlerweile meldet sich bei vielen Menschen die Frage nach dem Sinn ihrer Tätigkeit und die Sehnsucht nach der Verwirklichung der eigenen Passion schon früher und verschafft sich Gehör durch Unzufriedenheit, Langeweile oder psychosomatische Beschwerden. 

Unsere unbewussten Hürden

Aber selbst, wenn wir schon wissen, was wir gerne tun würden, tauchen schon die nächsten Hürden auf, die uns davon abhalten, das dann auch zu verwirklichen. Das Problem: Wir glauben, diese Hürden sind die Umstände, in denen wir leben, und deshalb unüberwindbar – die Kinder, das liebe Geld, die Regierung, der Arbeitsmarkt. Was uns nicht bewusst ist: wir stehen uns nur selbst im Weg. Nicht die Umstände sind dafür verantwortlich, dass wir unser Ding nicht machen, sondern die vielen Hürden in unserem Kopf. Hier drei der Klassiker: 

Wir ticken im sicherheitsorientierten Überlebensmodus: In un­serer modernen Kultur werden wir von Kindheit an auf Sicherheit konditioniert. Es wird uns beigebracht, dass die sicherste Art zu überleben in einem festen Anstellungsverhältnis mit Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung besteht – Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht zu vergessen. Sicherheit wird als unser höchster Wert erachtet. Wir opfern unbewusst viel dafür, um uns sicher zu fühlen. 

Und je mehr wir uns an Sicherheit und Komfort gewöhnt haben, desto schwerer fällt es uns, unsere Komfortzone zu erweitern. Jede kleinste Veränderung wird dann als möglicher Verlust von Sich­er­heit angesehen und muss unbedingt vermieden werden. Das eigene Ding zu machen, rückt dadurch in unerreichbare Ferne.

Wir glauben unseren eigenen Geschichten: Wir Menschen sind nicht mit der Welt direkt in Beziehung, sondern über die Art und Weise, wie wir über die Welt denken. Unsere Geschichten über die Welt formen unsere Realität und beeinflussen unsere Wahrnehmung. Und sie bestimmen auch das Ausmass der Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen. 

Typische Geschichten, die uns davon ­abhalten, unseren Traumjob zu verwirklichen, sind zum Beispiel:

  • «Ich würde ja gerne XY machen, aber damit verdient man ja kein Geld.»
  • «Da müsste ich ja erst einmal ein Studium machen. Sonst nimmt mich da doch keiner ernst.»
  • «Da gibt es schon so viele, die das machen. Da habe ich doch keine Chance, reinzukommen.»

Wir halten diese Geschichten unbewusst für wahr und gehen nicht weiter, da es laut der Geschichte unmöglich ist.

Wir haben Angst vor der Angst

Angst ist in unserer Kultur ein verschmähtes Gefühl. Wir sollen keine Angst fühlen – denn wer Angst hat, ist ein Feigling – und wir wollen keine Angst fühlen – denn Angst lässt uns zittern und unsicher sein. Das ist zumindest unsere erlernte Geschichte über Angst. Diese Prägung führt dazu, dass wir unsere Angst ins Un­bewusste verdrängen, um sie nicht zu fühlen, und möglichst alles vermeiden, was uns Angst machen könnte. Die un­bewusste Angst vor der Angst macht uns zu Kontrollfreaks und zu zögernden Komfortzonenbewohnern. 

Aber wenn wir neue Wege gehen wollen, um unser Ding zu machen, ist Angst ­unvermeidlich. Solange wir aber keine Angst fühlen wollen, müssen wir darauf verzichten, Neues zu wagen. 

Wege aus dem Dilemma

Wir stecken also in einem Dilemma fest. Auf der einen Seite der Wunsch nach ­Veränderung und auf der anderen Seite die unbewussten Hürden im Kopf, die uns ­daran hindern. Wie können wir diesem Dilemma entkommen, um endlich unser Ding zu machen?

  • Den Schmerz, den die Sehnsucht und die Unzufriedenheit erzeugen, als Treib­stoff nutzen. Wir können unterschiedlich mit Schmerz umgehen. Wir können jammern und uns als Opfer sehen oder die Botschaft im Schmerz ernst nehmen und dafür nutzen, unsere Grenzen zu erweitern. 
  • Sich bewusst machen, dass Sicherheit eine Illusion ist, und die eigene Komfortzone schrittweise erweitern. Sein Ding zu machen, heisst nicht, sofort auf volles Risiko zu gehen. Wir können schrittweise vorgehen und die Erfahrung machen, dass wir nicht sofort ­sterben, wenn wir Neues wagen. 
  • Sich mit der eigenen Angst anfreunden. Angst ist unsere Verbündete, wenn es darum geht, Neuland zu entdecken. Angst lässt uns wach, vorsichtig und kreativ sein. Wenn Angst für uns okay ist, können wir erste Schritte in un­bekanntes Gebiet machen.
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