Stellen Sie sich vor, ein Unternehmen investiert in eine neue Maschine und diese produziert anschliessend im Betrieb nur mit einem geringen Teil der möglichen Leistung, genau genommen mit sieben Prozent der eigentlichen Kapazität, da sie ungenügend in bestehende Arbeitsprozesse integriert wurde. Klingt dies unvernünftig? In der Produktion bei Investitionsgütern ja, in Dienstleistungsbetrieben mit einem hohen Anteil an Mitarbeitenden ist dies üblich.
Gelerntes nicht umgesetzt
Bei Investitionen in die Weiterbildung von Mitarbeitenden geschieht zu oft genau das: Mitarbeitende besuchen eine Weiterbildung, ein Training oder eine Ausbildung und das Gelernte wird anschliessend im Betrieb nicht umgesetzt. Eine der meistgehörten Klagen in der betrieblichen Weiterbildung ist der mangelnde Transfer von Lerninhalten in den Berufsalltag. Van Buren und Ersine sind dieser Klage nachgegangen – mit einer ernüchternden Erkenntnis: Zwar waren 78 Prozent der Mitarbeitenden sehr zufrieden mit der Weiterbildung, d. h. der Inhalt der Veranstaltung wurde als interessant, der Anlass als gut organisiert, die Trainer als kompetent und die Atmosphäre als angenehm wahrgenommen. So die Antworten auf dem sogenannten «Happy Sheet», welches meistens am Ende von Lernveranstaltungen verteilt wird.
Jedoch erinnerten sich nur 32 Prozent der Befragten nach einer Woche noch an das Gelernte und konnten somit einen Lernerfolg im Sinne eines Wissenszuwachses oder einer Einstellungsänderung verbuchen. Nur neun Prozent der Befragten in besagter Studie gaben an, dass sie das Gelernte auch am Arbeitsplatz anwenden könnten. Bei lediglich sieben Prozent der Befragten wurde nachgewiesen, dass das Gelernte der betrieblichen Wertschöpfung beitrug. In diesen Betrieben war es möglich, durch die Weiterbildung Kosten zu senken sowie Qualität und Quantität in der Leistung zu verbessern. Eigentlich wären dies wichtige Wettbewerbsfaktoren in einem kompetitiven Umfeld, und Unternehmen müssten daran interessiert sein, den Transfererfolg von Wissen zu einem Beitrag an den Unternehmenserfolg zu führen.
Umsetzungsprobleme
Von Investitionen mit solch tiefen Erfolgswerten würde man in andern Bereichen absehen. Warum wird mit den Investitionen in die Menschen so leichtfertig umgegangen? Vielen Unternehmen fehlt der Brückenbau vom Lernumfeld ins Arbeitsfeld. Dem Unternehmen gelingt es nicht, das Wissen von frisch Weitergebildeten im Arbeitsalltag umzusetzen oder ihnen neue Verantwortungsbereiche zuzuteilen. Ein weitverbreitetes Phänomen ist, dass Mitarbeitende, die eine höhere Berufsausbildung absolvieren, anschliessend kündigen. Die Mitarbeitenden sind mit ihren neu erworbenen Kompetenzen sich selbst und den häufig überlasteten Vorgesetzten überlassen. So auch die Mitarbeiterin eines Bundesbetriebes, die sich von der Assistentin zur Personalfachfrau weitergebildet hat. Im Betrieb sieht sie keine Möglichkeit, das Gelernte einzusetzen. Innerlich hat sie gekündigt und ist nun auf der Suche nach einer neuen Stelle. Dem Unternehmen geht dabei eine wertvolle Fachkraft verloren. Häufig hören wir die Klage über Fachkräftemangel. Falls es gelingt, die Weiterbildung ins Unternehmen zu integrieren, könnte manche Suche nach Fachleuten vermieden werden.
Gemäss einer gesamteuropäischen Erhebung bilden sich die Einwohner der Schweiz am häufigsten weiter. Mitarbeitende investieren dazu ihre Freizeit und finanzieren häufig die Ausbildung auch selbst. Sie möchten beruflich weiterkommen, eine Führungsaufgabe übernehmen, Projekte leiten oder sich fachlich vertieftes Wissen aneignen. Davon versprechen sie sich eine attraktivere Arbeit, mehr Gestaltungsraum oder ein besseres Einkommen. Für Unternehmen ist es von grossem Interesse, diese Weiterbildungsbemühungen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter optimal zu nutzen. «Der Transfererfolg gilt als eine erfolgskritische Grösse für durchgeführte Weiterbildungen und Schulungen von Personal», schreibt Simone Kauffeld in ihrem Buch «Nachhaltige Weiterbildung». Vorgesetzte kennen die Herausforderungen der Tätigkeit und ihre Mitarbeitenden, das Wissensmanagement gehört jedoch im Allgemeinen nicht zu ihren Kernaufgaben. Strukturierte Instrumente, die Führungskräfte entlasten und zusätzlich eine Wissens- und Lernkultur unterstützen, werden benötigt, damit gelernte Kompetenzen in den Berufsalltag transferiert werden können.