Mensch & Arbeit

Leadership

Von der Führungskraft zum «Extraordinary Leader»

Es gibt wenig effektives Wissen darüber, was eine Führungskraft zu dem macht, was sie sein soll: eine aussergewöhnliche Führungspersönlichkeit, die ihre individuellen Stärken gekonnt einsetzt, um das Überleben des Unternehmens sicherzustellen. Wie also wird eine durchschnittliche Führungskraft zu einem «Extraordinary Leader»?
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Tausende Bücher befassen sich mit Führung und doch sucht man vergeblich danach, nur zwei Bücher mit derselben Definition zu finden. Führung ist demnach ein äusserst komplexes Thema. Liegt es einem Menschen eventuell in den Genen, eine richtig gute Führungspersönlichkeit zu werden? Kann man Führung entwickeln und wenn ja, mit welchen Mitteln und Methoden?

Die Stärken-Schwächen-Frage

Um genau das herauszufinden, hat ein Forschungsteam aus den USA über zehn Jahre hinweg die Daten von etwa einer Million sogenannten Feedbackinstrumenten (360-Grad-Feedback-Reports) bei zirka 100 000 Managern erhoben und ausgewertet. 64 Prozent dieser gesammelten Daten stammen aus Nordamerika, 36 Prozent aus Europa, Südamerika, Asien, Afrika und dem Nahen Osten.

Die Ergebnisse dieser langjährigen Studie wurden unter dem Titel «The Extraordinary Leader: Turning Good Managers into Great Leaders» (McGraw-Hill, 2002) veröffentlicht. Eine der daraus abgeleiteten Schlüsselerkenntnisse war, dass ein «Extraordinary Leader» eine Mindestanzahl an Stärken besitzen muss, um in diese Kategorie eingestuft zu werden. Doch was ist mit etwaigen Schwächen? Sollte man die nicht grundsätzlich erst einmal beheben, bevor man sich den Stärken widmet?

Eine grundsätzliche Frage ist, ob man als Führungskraft den Fokus eher darauf lenken sollte, Schwächen zu beheben oder Stärken zu entwickeln. Auch wenn diese Frage zuerst recht einfach zu beantworten scheint, gibt es doch interessante Verflechtungen. Die Antwort liegt in den Kompetenzen der Person, um die es geht – und diese können sehr unterschiedlich gewichtet sein.

Durch die genannte Datenerhebung lassen sich Manager und ihre Kompetenzen in drei Kategorien einteilen:

  1. Manager mit einer oder mehreren Schwächen
  2. Manager, die weder Stärken noch Schwächen haben
  3. Manager mit einer oder mehr Stärken

Hat ein Manager eine oder mehrere ernsthafte Schwächen, macht es für diesen keinen Sinn, zu Beginn daran zu arbeiten, Stärken zu entwickeln. Wichtig ist, dass er sich zuerst seinen Schwächen widmet und versucht, diese auf einen neutralen Level anzuheben. Bildlich darstellen lässt sich das zum Beispiel am Trainings­entwicklungszyklus eines angehenden Skateboarders: Bevor ein Mensch halsbrecherische Stunts in einer Halfpipe vollführen kann, muss er erst einmal lernen, sicher auf einem Skateboard zu stehen und sich darauf fortzubewegen. Wird er in seinen Bewegungen sicher, hat er den neutralen Level erreicht und die Grundvoraussetzung dafür geschaffen, sich einzelnen Tricks widmen zu können. Er muss also erst einen gewissen Praxisstand erreicht haben, sich darin sicher zu fühlen und kann dann auf dieser Sicherheit aufbauen.

Ein Manager der zweiten Kategorie befindet sich sozusagen bereits auf diesem neutralen Level, denn er hat keine Schwächen, die er erst einmal beheben sollte und kann direkt loslegen, seine Stärken zu finden und auszubauen. Dass es bei Managern der dritten Kategorie direkte Ansatzpunkte gibt, sich zu einem «Extraordinary Leader» entwickeln zu können, liegt deutlich auf der Hand.

Die Krux mit den Schwächen

Im Allgemeinen glauben Führungskräfte, ihre Schwächen wie auch Stärken zu kennen. Die Daten der genannten Forschung bestätigen jedoch, dass die Selbsteinschätzung fern der Ergebnisse liegt, die andere in der Führungskraft sehen. Diese Erkenntnis zeigt, wie wertvoll 360-Grad-Feedbacks sind, denn sie liefern eindeutigere Daten, auf denen Führungskräfteentwicklung aufbauen kann.

Auffallend ist, dass die Mehrheit der Manager der Studie zufolge eher dazu tendiert, sich mit ihren Schwächen zu beschäftigen, obwohl diese es auf ihre Kategorie bezogen gar nicht nötig haben. So haben zum Beispiel 60 Prozent in ihrer persönlichen Entwicklungsplanung, die sie etwa 12 bis 18 Monate vor Erhebung der Daten erstellt haben, das Beheben von Schwächen aufgeführt. Das sind etwa doppelt so viele, als es eigentlich nötig hätten. Als Erklärung für ihre Entwicklungsplanung gaben diese an, die Stärken aus irgendwelchen innerlichen Ursprüngen zu haben und weil diese sowieso vorhanden wären, sich nicht weiter darum kümmern zu müssen.

Das Leader-Konzept

Der Bedarf, gerade erfahrenen Führungskräften weiterzuhelfen und sie zu herausragenden Führungspersönlichkeiten zu machen – und zwar in einer Form, die man messen und begreifen kann – ist neu und wird händeringend gebraucht. Mit dem Konzept des «Extraordinary Leaders» wird genau dieser Anspruch erfüllt. Die Entwickler des Modells gingen davon aus, dass die entscheidenden Stärken für einen «Extraordinary Leader» nicht in irgendeiner Charakteristik zu finden sind, sondern in Bereichen, die einen klaren Unterschied darstellen. Als Ergebnis stellten sich 16 Kompetenzen heraus. Einige davon sind zum Beispiel:

  • Anstand und Ehrlichkeit
  • Technische und Fachexpertise
  • Problemlösungs- und Analyse-Fähigkeit
  • Innovationsfreude
  • Fähigkeit zur persönlichen Weiterentwicklung
  • Ergebnisorientiertes Handeln, etc.

Diese und weitere Kompetenzen teilen sich auf fünf Hauptbereiche auf:

Charakter

Dieser Bereich wird als der wichtigste überhaupt erachtet, denn es hat sich in den vergangenen Jahren für manche Firmen als extrem teuer ausgezahlt, wenn ihre Führungskräfte diese persönliche Eigenschaft nicht besitzen. Anstand und Ehrlichkeit fallen in diesen Bereich.

Persönliche Potenziale

Hierunter fallen Fähigkeiten wie tech­nische Kompetenz, Problemlösungsfindung, Innovation und das Ergreifen von Initiative. Noch bevor man eine führende Position in seiner Karriere aufnehmen möchte, sollte man sich diese Fähigkeiten aneignen.

Ergebnisorientierung

Ziele zu setzen, hinter denen das gesamte Team steht, fallen hierunter genauso wie das Tragen von Verantwortung für die Arbeitsgruppe. Denn Führung wird vor allem an dem gemessen, welche Ergebnisse eine Führungskraft für das Unternehmen erwirtschaftet.

Zwischenmenschliche Fähigkeiten

Die Fähigkeit, andere Menschen zu motivieren und inspirieren, zählt hierzu genauso wie eine produktive Zusammenarbeit anderer Menschen und Gruppen. Manche Firmen mögen eine Führungspersönlichkeit ohne diese Fähigkeiten eine Weile tolerieren – auf lange Sicht jedoch nicht dulden.

Führen in Veränderungen

Während sich die Welt permanent verändert, agiert ein «Extraordinary Leader» entlang dieser Entwicklung und führt seine Mitarbeiter sicher durch den Prozess. Er ist ständiger Beobachter und weiss kompetent einzulenken, sobald sich die ersten Anzeichen zeigen.

Fazit

Um zu einer aussergewöhnlichen Führungskraft zu werden, muss man nicht unzählige Dinge einigermassen gut können – man muss drei oder vier Dinge sehr gut können und so besonders heraus­stechen. Führungskräfteentwicklung ist nach wie vor viel diskutiertes Thema. Mit dem Modell des «Extraordinaty Leaders» gibt es nun eine Herangehensweise, die auf das Ausbauen von Stärken setzt.

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