Mensch & Arbeit

Mitarbeiterschulung 2.0

Unternehmensintern weiterbilden mit «Blended Learning»

Gut ausgebildete Mitarbeiter sichern einem Unternehmen einen Wettbewerbsvorsprung, weshalb kaum eine Firma auf Weiterbildungen verzichtet. Bei Präsenzschulungen und -seminaren treten jedoch häufig organisatorische Hindernisse auf. Die Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) nutzt moderne E-Learning-Technologien als effiziente Alternative.
PDF Kaufen

Wolfram Schmid, Personalchef bei der Effikom AG, gerät ins Grübeln. Das Leadership-Seminar für das mittlere Kader, das jeden Donnerstagnachmittag im zweiten Halbjahr stattfindet, scheint nicht richtig in Gang zu kommen. Beim ersten Mal waren noch alle dabei, bei der zweiten Durchführung gibt es bereits zwei Entschuldigungen und für den nächsten Termin schon drei Absagen: Zwei Mitarbeiterinnen sind auf Geschäftsreise und ein Kollege hat just an diesem Nachmittag einen Termin an der Primarschule seiner Tochter. Schmid weiss, dass die jungen Manager so nicht die Qualifikationen zum Führen erwerben werden.

Die meisten Unternehmen investieren in die interne Weiterbildung und Personalentwicklung und dabei in Programme, die hauptsächlich auf Präsenzunterricht basieren. Sie treffen häufig auf dieselben Schwierigkeiten wie Herr Schmid von der Effikom AG: Organisatorische Hindernisse, Terminprobleme, die Suche nach geeigneten Schulungsräumen etc. Dabei verpassen sie die Chance, durch Einbezug von E-Learning-Technologien nicht nur die Bedürfnisse des Unternehmens zu decken, sondern auch die Rahmenbedingungen der Teilnehmenden ein­zubeziehen und wirtschaftlich wie didaktisch sinnvolle Ausbildungsprogramme zu entwickeln.

E-Learning plus Präsenzen

Schmid macht sich auf die Suche nach einer orts- und zeitunabhängigen Ausbildungslösung und zieht E-Learning als Alternative in Betracht. Dennoch hegt er Zweifel: Kann E-Learning qualitativ mit herkömmlichen Präsenzschulungen mithalten? Bilder von Einzelkämpfern, Einsendeaufgaben und verwaisten Dateiablage-Plattformen drängen sich auf. Schliesslich sollte sich das junge Management unbedingt untereinander austauschen und ein Netzwerk aufbauen. Genau hier setzt das heutige E-Learning an und präsentiert innovative Formen: Mobile Learning, adaptives Lernen, Multimedia, virtuelle Klassenzimmer und interaktive Kommunikationsplattformen sind nur einige adaptierbare Dimensionen für die firmeninterne Weiterbildung. Insbesondere für Mitarbeiter, die beruflich viel unterwegs sind und einen dynamischen Job haben, bietet E-Learning den Unternehmen eine flexible Möglichkeit zur effizienten Mitarbeiterentwicklung.

Doch Flexibilität schliesst soziale Kontakte keineswegs aus. Die Ausbildungsmethode Blended Learning vereint die Vorteile von E-Learning mit jenen der klassischen Präsenzveranstaltungen auf didaktisch sinnvolle Weise, um einen Mehrwert zu generieren. E-Learning-Module bieten Lernenden die Möglichkeit, Lernstoff in Eigenregie orts- und zeitunabhängig aufzubereiten. In den Präsenzen wird das neu erworbene Wissen diskutiert und vertieft, idealerweise anhand von praktischen Problemstellungen. Wichtig ist hier vor allem der direkte Austausch in der Gruppe, der auch das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Networking unterstützt. Bei der Planung von Blended-Learning-Ausbildungen ist es deshalb entscheidend, welche Lernaktivitäten online und welche in der Präsenz durchgeführt werden.

Didaktisch sinnvoller Aufbau

Schmid ahnt es: Mit dem blossen Einsatz einer Online-Lernplattform ist es nicht getan. Überforderung, Ablehnung, Ablenkung und Missverständnisse können bei seinen Mitarbeitern hervorgerufen werden, wenn das neue Weiterbildungsmodell nicht zielgenau auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Wo neue Technologien für die interne Weiterbildung zur Anwendung kommen, sollte deshalb immer auch der entsprechende didaktisch-methodische Einsatz mitgedacht werden. Will Schmid den Mehrwert von Blended Learning in der Effikom AG abschöpfen, muss er seine Zielgruppe, deren Rahmenbedingungen und die Lernziele genau definieren und eine detaillierte Planung ausarbeiten.

Lernziele und die darauf ausgerichteten Lehraktivitäten helfen den Kursteilnehmern sich zu orientieren und fördern die Motivation. Wesentlich ist auch die konsequente Praxisausrichtung des Lernangebots. Dies unterstützt nicht nur die Identifikation mit dem Inhalt sondern ermöglicht zudem einen klaren, zweckmäs­sigen Aufbau. Und nicht zuletzt erleichtert eine präzise methodisch-didaktische Planung der Lernszenarien die Auswahl der einzusetzenden IT-Lösung, der Lernplattform und der entsprechenden Tools. Die Technologie muss die Ziele der Weiterbildung immer unterstützen statt bestimmen.

Zielorientierte Begleitung

Zur Planung des E- und Blended-Learning-Szenarios gehört ebenfalls die fachliche Begleitung der Kursteilnehmer, was sich längst nicht auf die administrativen Aspekte wie die Anmeldung, Bereit­stellung von Lernmaterialien oder den technischen Support beschränkt. Hilfestellung bei Lerninhalten (z. B. das Beantworten inhaltlicher Fragen, das Feedback bei Online-Diskussionen) und bei der Organisation des selbst gesteuerten Lernens (z. B. Lerntechniken, Zeitmanagement) muss durch einen sogenannten E-Coach gewährleistet sein − vor allem dann, wenn die Mitarbeiter Inhalte selbstständig via E-Learning bearbeiten.

Die Wahl der Kommunikationsmittel (etwa Foren, Chats, Wikis oder E-Mail) für das E-Coaching hängt vorrangig von den Lernzielen der Teilnehmergruppen und deren Zusammensetzung sowie der zu erbringenden Leistungsnachweise ab. Man muss sich allerdings auch der Anonymität dieser Form des Coachings bewusst sein, durch das Fehlen von Gestik, Mimik und Stimme können möglicherweise Miss­interpretationen entstehen. Dozierende, die auch die virtuelle Betreuung der Kursteilnehmer übernehmen, müssen entsprechende Massnahmen ergreifen und idealerweise Kenntnisse über selbstreguliertes Lernen, Medienkompetenz und Moderationserfahrung aufweisen.

Vorteile des Blended Learning

Der Vorteil von E-Learning, insbesondere wenn dafür mobile Technologien eingesetzt werden, sind die jederzeit und überall verfügbaren Lernmaterialien. Sie dienen zum einen der Flexibilität beim Lernen und fördern zum anderen Elemente des Wissensmanagements und Knowledge-Transfers im Unternehmen. Personalisierte Lernumgebungen, die dem Mitarbeiter ermöglichen, auf ihn zugeschnittene Online-Informationen wie RSS-Feeds und Blogbeiträge zu integrieren und zu teilen, unterstützen die Lernprozesse noch besser.

Die Wertschätzung der Mitarbeiterbedürfnisse durch die Unternehmensleitung ist ein weiterer Pluspunkt und ermöglicht eine höhere Akzeptanz der neuen Lernumgebung bei den Mitarbeitern.

Für die Unternehmen bedeutet die Umsetzung von E-Learning-Angeboten zu Beginn eine Investition in Konzeptions- und Planungsressourcen. Diese wird jedoch relativ rasch durch den Mehrwert der Nachhaltigkeit wettgemacht, da das erarbeitete E-Learning-Modell immer wieder eingesetzt werden kann und auch im Hinblick auf grössere Teilnehmerzahlen interessant ist. Weitere Vorteile für Unternehmen liegen darin, dass lange und teure Reisen an den Ausbildungsort zum gros­sen Teil überflüssig und Kosten für teure Schulungsräume eingespart werden.

Porträt