Mensch & Arbeit

Mitarbeitermotivation

Über die neue Lobkultur in Social-Media-Zeiten

Wer von seinen Mitarbeitenden Spitzenleistungen will, muss loben können. Denn Lob ist ein Steuerungsinstrument. Wollen und Loben hängen eng zusammen. Gerade in unserer neuen Arbeitswelt ist eine adäquate Lobkultur unumgänglich, denn die «Digital Natives» sind auf permanente Anerkennung gepolt.
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Der Mitarbeiterwunsch Nummer eins an den Chef? Er heisst: mehr Lob, mehr Anerkennung, mehr Wertschätzung, mehr Respekt. Doch in vielen Unternehmen ist Loben ein rares Gut. Dabei gibt es gar keinen Zweifel daran, dass eine positive Feedback-Kultur für die unternehmerische Wertschöpfung von hoher Bedeutung ist.

Es gibt genügend Führungskräfte, die geizen nicht nur mit Lob, sie sammeln es auch wie Rabattmarken. Volle Heftchen werden erst beim Jahresgespräch ausgeteilt. Da sollte man sich mal Folgendes fragen: Würden Sie einem Hund das Leckerli für gehöriges Tun erst nach monatelangem Warten geben? Oder ein Kleinkind für die ersten tapsigen Gehversuche Wochen später loben? Selbst ein Fotoapparat, auf dessen Output wir früher tagelang warten mussten, gibt uns inzwischen sofortiges Feedback über die Qualität unserer Schnappschüsse – und hilft uns so, schnell bessere Bilder zu machen.

Feedbacks sind Rückmeldungen über die erbrachten Leistungen. Sie geben die Sicherheit, auf dem richtigen Weg zu sein. Zügige Rückmeldungen sind von daher im unternehmerischen Alltag elementar – und für die Internetgeneration unumgänglich. Denn ihr Hirn ist auf kurz und schnell kalibriert. Und es hat sich an sofortiges Feedback gewöhnt. So wird es etwa bei Online-Games für vollbrachte Spielleistungen postwendend belohnt: mit Status-Upgrades, immer höheren Spiele-Levels, Bonuspunkten. Ähnliches gilt für Facebook & Co. Status-Updates werden mit sofortigen Likes quittiert – und durch anerkennende Worte gewürdigt. Social Networks und digitale Geräte sind perfekte Feedback-Geber – und genau deshalb haben sie Suchtpotenzial.

Von ihrer Führungskraft erwarten die «Digital Natives», die jetzt ans Ruder kommen, nun das Gleiche wie von einem Online-Game: «Ich will meinen Punktestand wissen! Und zwar sofort – und jeden Tag.» Erbrachte Arbeitsleistungen werden fortan nicht nur mündlich kommentiert, sondern von fortschrittlichen Arbeitgebern auch via Sterne-Bewertungssystem bepunktet und in einem digitalisierten Entwicklungsplan zwecks Potenzialoptimierung abgelegt. Gamification, also der Einbau spielerischer Elemente, heisst dieser neue Trend. In einem solchen Szenario positive Rückmeldungen bis zum Jahresgespräch vorzuenthalten? Tödlich!

Lob ist wie Sauerstoff für das tägliche Wollen der Mitarbeitenden. Denn Lob setzt im zerebralen Belohnungssystem einen Cocktail aus Dopamin, Oxytocin und weiteren Glücksbotenstoffen frei. Dieses beflügelnde Gemisch fördert nicht nur Arbeitsfreude, Wagemut und Leistungskraft, es stärkt auch unser Immunsystem und hält uns fit für immer neue Heldentaten. So unterstützt eine ausgeprägte Lobkultur die Firmen auf dem Weg zum Erfolg und schützt sie vor hohen Krankenständen und langen Fehlzeiten.

Das ist hinlänglich bekannt: Unser Oberstübchen will immer weg vom Negativen und hin zum Positiven – und zwar möglichst sofort. Doch Anstrengung muss sich lohnen, sonst fährt das Hirn in den Energie-Sparmodus zurück. «Tatsächlich nutzt der Mensch fast jede Gelegenheit, sich zu erhöhen und bezeugt Wohlwollen und Dankbarkeit dem gegenüber, der eine solche Erhöhung vornimmt oder auch nur verspricht», sagt der Verhaltensbiologe Felix von Cube. Und ein schöner, alter Sinnspruch lautet: «Jeder Mensch braucht sieben Mal täglich ein Lob.»

Alles Motivieren ist Demotivieren? Dieses Statement widerspricht jedem gesunden Menschenverstand. Ein Mitarbeitender bringt Leistung nie nur für sich selbst, sondern ebenfalls für sein Umfeld – also auch für seine Führungskraft. Denn er will in der Gemeinschaft, die ihm wichtig ist, ein geachtetes Mitglied sein. Und er will Leistung gewürdigt wissen.

Natürlich braucht es als Basis ein dickes Paket voll intrinsischer Motivation. Doch mit dem Applaus von aussen verdoppelt sich der Effekt. Das kennen wir alle vom Spitzensport. Bei den grossen Sportereignissen, wenn die ganze Welt Anteil nimmt, da purzeln die Rekorde. Motivation benötigt also auch extrinsische Auslöser.

Wenn Lob und Anerkennung ganz offensichtlich eine Fülle von Vorteilen bringt, wieso tun sich viele Chefs dann mit dem Loben so schwer? Ist es das Blind- und Taubsein für Menschlichkeit? Oder überholtes Hierarchiegehabe, bei dem die Klärung der Rangordnung einen so hohen Stellenwert hat? Da ergeben sich zwei Varianten:

› Starke Leader beherrschen die Kunst des aufrichtigen Lobens. Sie betreiben jede Form von echt gemeinter Anerkennung und zeigen Wertschätzung richtig dosiert. Sie erhöhen damit die Menschen in ihrem Umfeld und beflügeln sie so zu Spitzenleistungen. Denn Menschen verstärken Verhalten, für das Sie Aufmerksamkeit, Anerkennung und Wertschätzung erhalten. Und sie wiederholen Verhalten, für das sie belohnt werden.

› Schwache Leader hingegen haben Angst um ihren Status. Sie erniedrigen die Menschen in ihrer Umgebung, nehmen ihnen die Würde und neigen dazu, sie fertig zu machen. Warum? Damit ihre eigene Kleinheit nicht so auffällig wird. Doch wer seine Mitarbeitenden erniedrigt, wird von ihnen nichts Gros­ses erwarten können. Und wer nicht loben kann, wird feststellen, dass es in seinem Bereich bald keine lobenswerten Leistungen mehr gibt.

Führungskräfte, die Spitzenleistungen wollen, versorgen ihre Mitarbeitenden also besser mit positiven Kicks, anstatt sie emotional verhungern zu lassen.

Ein Lob kann verbal und nonverbal gegeben werden. Nicht selten reicht eine wohlwollende Geste schon aus. Und beide Varianten sind wie Wegweiser auf der Strasse zum Erfolg. Da Lob somit ein Steuerungsinstrument ist: Achten Sie darauf, wen Sie loben, wofür Sie loben und wie stark Sie dosieren. Denn man wird Sie genau beobachten. Und die, die gelobt werden wollen, richten ihr Verhalten danach aus.

Genau wie beim Fehlergespräch kann man auch beim Loben vieles richtig und manches falsch machen. Die amerikanische Wissenschaftlerin Carol Dweck von der Stanford University hat zum Beispiel festgestellt, dass Mitarbeitende ihre Anstrengungen verstärkten, wenn sie für Einsatz und Mühe gelobt wurden. Das Loben von Intelligenz erzielte diesen Effekt jedoch nicht.

Das Wie spielt also beim Feedback eine entscheidende Rolle. Keinesfalls darf ein Lob platt, vordergründig oder manipulativ gegeben werden. Ein gutes Lob, das ist ein zeitnahes, persönliches, aufrichtiges und begründetes Lob. Wer erklärt, weshalb er lobt, wirkt authentisch und zeigt, dass er sich mit dem Engagement seiner Mitarbeitenden intensiv auseinandersetzt.

Wichtig ist ausserdem, eine Leistung zu loben, die für den Mitarbeitenden etwas Besonderes war. Und: «Je unerwarteter und damit ungewöhnlicher ein Lob, de­s­­to stärker aktiviert es das Belohnungs­system», sagt der Neurowissenschaftler Christian Elger.

Somit ist eine Form des Lobens tabu: das instrumentalisierte Loben. Anerkennungsgespräche explizit in die Zielvereinbarungen einer Führungskraft aufzunehmen, ist sicher eine gute Sache. Doch einige Firmen haben inzwischen damit begonnen, Lobtage einzuführen oder Lobkonten einzurichten. So wird Lob zur Pflichterfüllung. Und genauso kommt das dann bei den Mitarbeitenden an – was garantiert einen bitteren Nachgeschmack weckt. Denn die meisten Menschen haben ein gutes Intuitionsradar für richtig und falsch.

Die Menschen sind alle verschieden. So ist es auch beim Loben ein Fehler, von sich selber auszugehen. Weil die Eigenmotivation vieler Führungskräfte von Natur aus hoch ist, oder weil sie selbst nie Lob von oben erhalten, verwehren sie Lob auch ihrer Umgebung. Doch nicht jeder strotzt vor Selbstvertrauen und nicht jeder ist so zäh. Wer seinen Mitarbeitenden keine Rückmeldung über die Qualität ihrer Arbeit gibt, lässt sie im Ungewissen über die Güte ihrer Leistung. Sie verlieren die Orientierung und irren herum. Oder sie werden lethargisch. Oder sie glauben, dass ihr Verhalten nicht richtig sei und ändern das Falsche.

Es gibt auch Chefs, die glauben, fehlende Anerkennung führe zu verstärkten Anstrengungen. Dies ist, wenn überhaupt, höchstens im Einzelfall möglich. «Wenn ich aber nun meine Mitarbeiter lobe, kriegen sie Oberwasser, werden übermütig und frech – und wollen am Ende mehr Geld», meinte kürzlich ein in die Jahre gekommener Chef. Ja, dieses Restrisiko besteht. Solche Mitarbeitenden gibt es, doch das sind die Ausnahmen. Wollen Sie allen Ernstes Ihren wertvollen Mitarbeitenden das segensreiche Loben verwehren, nur weil es derartige Schmarotzer gibt?

Während die Mitarbeitenden in alten, produktionsorientierten Unternehmensstrukturen vornehmlich nach Vorgaben und Anweisungen arbeiten, brauchen die Mitarbeitenden in einer serviceorien­tierten Wissensökonomie Möglichkeitsräume und ein hohes Mass an Eigenverantwortung. Hierdurch steigen auch die Fehlermöglichkeiten – und das ist gut so. Denn nur wer nichts macht, macht auch keine Fehler. Führungskräfte haben demnach immer öfter auch die Aufgabe, konstruktive Fehlergespräche zu führen. Selbst wenn das gut gelingt, bleibt bei dem, der Feedback erhält, womöglich eine persönliche Betroffenheit.

Denn Lob wie auch Tadel kommen immer auf zwei Ebenen an: auf der Sachebene und auf der Beziehungsebene. Damit das emotionale Konto im Plus verbleibt und auf diese Weise auch Belastungen übersteht, hilft ein Guthaben an Lob auf der Habenseite. Fehlen hingegen Lob und Anerkennung, dann rutscht das Beziehungskonto ins Minus, wodurch ganz schnell der Leistungswille sinkt und die Performance in den Keller geht. Ein Verhältnis von 3 zu 1 zugunsten des Lobs ist ein Minimum, 5 zu 1 ist besser, 7 zu 1 ist optimal.

Summa summarum: Für Unternehmen, die Spitzenleistungen wollen, ist eine Nicht-loben-Kultur tödlich. Jedes wertschätzende Lob ist eine Wonne für die Seele und damit Gold wert für die Motivation. Achten Sie insbesondere auch auf die Stillen und Unauffälligen, die ihre Siege nicht lautstark zu Markte tragen! Gerade die, die gerne im Hintergrund bleiben, brauchen emotionale Unterstützung. Und: Vergessen Sie nicht, auch die weniger sichtbare denkerische Arbeit Ihrer Beschäftigten zu würdigen. Denn Kreativität ist die Schlüsselressource der Zukunft. «

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