Wir sind jeden Tag «etwas gestresst», wir führen jeden Tag unsere Mitarbeiter, überzeugen Kunden, gehen mit dem Ehepartner um. Unspektakulär, aber dauerhaft und dementsprechend intensiv. Der Alltag hat einen schlechten Ruf, er sei «grau». Das stimmt natürlich nur, wenn wir ihn mehr oder weniger gedankenlos hinnehmen und ständig den Fokus auf die «grossen Würfe» legen. In diesem Artikel geht es um das vermeintlich Banale, denn genau da findet der nachhaltigste Erfolg statt. Doch die Alltagssprache hält so einige Stolperfallen bereit. Beim zwanglosen Geplauder kann so gut wie alles schiefgehen, aber auch ein intensiv vorbereitetes Gespräch ist noch lange kein Garant für den Erfolg.
Sechs Speed-Dating-Regeln
Längst wird Speed-Dating nicht mehr nur bei der Partnersuche eingesetzt. Die Prinzipien gelten inzwischen auch bei der Suche nach einem Job ebenso wie nach einer Wohnung, für die Zusammenführung von Azubis und Unternehmen, zum Kennenlernen der Teilnehmer bei Seminaren oder für einen fachlichen Austausch auf Messen. Gleich bleibt dabei immer das Ziel: Innerhalb einer relativ kurzen und festgelegten Zeit möglichst viele der Gesprächspartner näher kennenzulernen beziehungsweise erste Gemeinsamkeiten festzustellen.
Beim Speed-Dating wird schnell deutlich, dass jede Beziehung Kommunikation ist und jede Kommunikation Beziehung. Vom Lockerbleiben bei der Kontaktaufnahme, der Präsenz und dem w(r)ichtigen Gesprächseinstieg, der raffinierten Wortwahl bis zur Erkenntnis, dass ich nur wenig Zeit habe, einen kreativen Eindruck zu hinterlassen. Hier sechs Speed-Dating-Regeln als Basis jeder kreativen, spannenden und wertvollen Alltagskommunikation:
1. Locker bleiben
Die erste Regel besagt, dass wir ganz locker sein sollen. Der Riegel im Kopf «die /den muss ich haben» ist mehr Blockade denn motivierende Zielgrösse. Ziele im Leben sind gut, unbestritten. Aber in der konkreten Situation der Kommunikation gilt es, ans Hier und Jetzt zu denken: Konzentrieren Sie sich auf das, was gerade jetzt geschieht. Es geht ja nicht um schwierige Verhandlungen, dort ist strategisches Vorgehen sinnvoll, es geht um den Alltag. Einfach so, um diese fast «vernachlässigbare» Grösse von zirka 85 Prozent der Gespräche während des Tages. Vertrauen wir ruhig darauf, dass «es» schon richtig funktioniert. Aber nur, wenn auch die innere Haltung stimmt. Denken wir Schlechtes über eine Situation oder ein Gegenüber, kommt es auch so rüber. Umso wichtiger ist es, an der eigenen Haltung zu arbeiten: Die Dinge positiv-konstruktiv sehen, um sie dann eben auch mal ganz locker angehen zu können.
2. Präsent sein
Alltägliches läuft Gefahr, einfach so nebenbei erledigt zu werden. Das Gespräch «kurz» mit dem Chef, der Kollegin, dem Kunden, der Mitarbeiterin wird im besten Fall inhaltsfokussiert geführt. Kurz, knapp, klar – so haben wir es gelernt. Allenfalls noch «Level 2», nämlich «sauber positiv formuliert». Eine Bitte statt einem Befehl, ein Wunsch statt einer Aufforderung. Aussagen wie «Hörst du mir überhaupt zu? » oder «Ich habe den Eindruck, dass du gar nicht so richtig da bist? » kennen wir alle. Die Präsenz gestaltet die Intensität unserer Alltagskommunikation. Unabhängig der richtigen oder falschen Worte, sie kommen nur an, wenn sie in möglichst höchster Präsenz ausgesprochen werden. Genau so sollten wir auch in Dialoge gehen: Keine automatisierten Sätze, sondern ein Bekenntnis zur Präsenz. Das geht schneller, braucht weniger Vorbereitung, verlangt aber im Endeffekt mehr Vertrauen zu sich selbst. Dieses prägt unsere Auftritte auch im Kleinen. Dabei hat Selbstvertrauen nichts mit Überheblichkeit zu tun. Es ist das Vertrauen in sich, zu wissen, dass ich mit Talenten und Fähigkeiten so gut ausgestattet bin, dass ich das Richtige zur richtigen Zeit sage und tue.
3. Offen bleiben
Dass Vorurteile einschränken, ist hinlänglich bekannt. Treffen wir auf ein Gegenüber, das uns optisch an eine verflossene Liebe erinnert, geht es entweder negativ oder positiv weiter. Egal was war, es prägt. Einfacher gesagt als getan: Das Gegenüber hat eine Chance, genau nicht so zu sein, wie wir es erwarten. Achten wir also auf Unterschiede oder suchen wir Dinge, die neu, interessant, spannend sind. «Haben Sie Schulterschmerzen?», war die Frage an einer Polizeikontrolle. Es interessierte den Polizisten wahrlich nicht, mit welchen Schmerzen der Verkehrsteilnehmer fährt, sondern er wollte ihm lediglich mitteilen, dass er den Sicherheitsgurt nicht trage und das ein Bussgeld kostet. Das ist beileibe keine positive Alltagskommunikation. Wenn Sie etwas wissen möchten, dann stellen Sie eine Frage. Wenn Sie etwas sagen möchten, dann sagen Sie es. Bei dem genannten Beispiel liegt eine deutliche Diskrepanz vor. Das genau Gleiche gilt auch für Führungsgespräche: «Gehts dir nicht gut, hast du privat Probleme?». Entweder interessiert es mich wirklich, oder ich deklariere es als Interpretation: «Ich habe die Vermutung, dass privat etwas nicht stimmt, liege ich da richtig oder falsch?»