Stress ist eine Frage der Bewertung. Wettbewerb, Zeitdruck, Leistung, Pflichten, Erwartungen. Stress an sich ist kein Problem. Negativer Stress entsteht durch die eigene Bewertung einer Situation als unangenehm, unbewältigbar oder Angst einflössend. Wir konzentrieren uns auf die Probleme statt auf Lösungen und finden diese auch gar nicht, weil der sogenannte Tunnelblick eintritt. Je länger der Stress andauert, desto grösser ist die Gefahr.
«Katastrophisches Gehirn»
Wir fahren heute die Ernte der letzten Jahre ein. Immer weniger Menschen haben immer mehr geleistet, so dass die Batterien leer sind. Belastung an sich können wir gut verkraften – wenn angemessene Erholung folgt. Wir arbeiten exzessiv statt ekstatisch. Wir finden am Schreibtisch kein Ende, und Überstunden werden gar nicht mehr als solche wahrgenommen. Wir werden unruhig, wenn es um uns ruhig wird. Daher sind wir auch ausserhalb der Arbeit ständig aktiv, lesen E-Mails, joggen, putzen oder räumen auf. Wir sind ständig mit unseren Gedanken woanders. Ärgern uns über das, was gestern war, machen uns Sorgen über Dinge, die wir hören und lesen und die (noch) gar nicht real sind. Diese Tendenz, sich mental auf Probleme oder Gefahren zu konzentrieren, wird in der Psychologie das «Katastrophische Gehirn» genannt.
Warum Burnout gefährlich ist
In einer Studie der deutschen Techniker Krankenkasse (TK-Studie 2012) gab jeder zweite Befragte an, dass der Stress im persönlichen und sozialen Umfeld zunimmt. Und hier kommt der sogenannte «Bestätigungsirrtum» zum Tragen: Wir haben alle Lieblingstheorien über Stress im Kopf, und unser Hirn filtert Informationen systematisch aus, die diesen Lieblingstheorien widersprechen. Das ist gefährlich, denn wir verhalten uns so, dass es zu unseren Erwartungen passt. Wir ernten, was wir fürchten.
Totale Erschöpfung, am Ende seiner Kräfte zu sein, das, was oft mit dem Begriff «Burnout» beschrieben wird, ist der Endpunkt eines Weges, an dem Mitarbeiter endlich einmal sozial akzeptiert «nein» oder «ich kann nicht mehr» sagen. Der allgemeine Konsens dahinter scheint zu sein, dass die Erkrankten richtig viel geleistet haben müssen. Doch muss es wirklich erst so weit kommen, dass Krankheiten den Einzelnen und damit die Gesellschaft zu neuem Denken zwingen?
Gefühle sind ansteckend
Arnold B. Bakker widmet sich an der Erasmus Universität Rotterdam diesem Thema. Er stellte fest, dass es Lebenspartnern selbst bei grosser Anstrengung nicht gelingt, ihre Gefühle und Probleme bei der Arbeit von zu Hause fernzuhalten. Auch Teams können sich gegenseitig negativ beeinflussen. Steht die Mehrheit eines Teams vor dem Burnout, korreliert das Burnout-Niveau mit den individuellen Burnout-Niveaus. Aber Vorsicht vor zu viel Aufklärung: Ansteckend ist Burnout, weil er in aller Munde ist. Gerade durch die Sensibilisierung für das Thema verstärken wir es. Aufgrund der vermehrten Konfrontation mit der Burnout-Symptomatik ordnen Menschen viel eher kurzfristig erlebte Symptome in diese Richtung ein und bewerten dann Kopfschmerzen nicht mehr als Kopfschmerzen, sondern als Zeichen eines sich anbahnenden Burnouts.